Tysk-Svenska Handelskammaren Deutsch-Schwedische Handelskammer vätgas Wasserstoff hydrogen

Unternehmen fordern ambitionierte Ziele für Schwedens Weg zur Wasserstoffgesellschaft

09.06.2021

In der Webinarreihe der Deutsch-Schwedischen Handelskammer zum Thema Wasserstoff stand am vergangenen Mittwoch die Stahlindustrie im Fokus. Ausgehend vom Pilotprojekt des schwedischen Stahlherstellers Ovako diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik die Rolle von Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft und dessen Bedeutung für die deutsch-schwedische Zusammenarbeit.

Im November wird die schwedische Energiebehörde Energimyndigheten der Regierung ihren Vorschlag für die nationale schwedische Wasserstoffstrategie vorlegen. Die deutsche Bundesregierung hatte ihre Strategie bereits im vergangenen Sommer vorgestellt und erst kürzlich konkretisierte Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier die Pläne mit 62 Projekten. Entsprechend groß ist das Potenzial für deutsch-schwedische Kooperationen.

Stahlindustrie treibende Kraft

Das schwedische Unternehmen Ovako nutzt in Zusammenarbeit mit dem Partner des Webinars Linde ein Elektrolyseverfahren zum Erhitzen von Stahl. Göran Nyström, EVP Marketing and Technology bei Ovako, beschrieb unter anderem, wie sich Stahlunternehmen in Mittelschweden in der Initiative Mid Sweden Hydrogen Valley zusammengeschlossen haben und wie solche Clusterbildungen dazu beitragen können, Emissionen zu reduzieren. Darüber hinaus sei die Wasserstofftechnik entscheidend, um klimafreundliche Lkw-Ferntransporte zu ermöglichen.

„Die Wasserstoffproduktion erfolgt bedarfsgerecht und ohne Speicherung“, so Göran Nyström. „Weder Leitungen noch Transporte werden benötigt, was den gesamten Prozess sehr kostengünstig gestaltet. Hier kommt auch die Zusammenarbeit mit Volvo ins Spiel, denn der Konzern strebt eine komplett fossilfreie Fahrzeugflotte ab 2040 an. Darüber hinaus sehen wir große Möglichkeiten für umfassende branchenübergreifende Investitionen, die von dem in Mittelschweden gebildeten Cluster ausgehen können.“

Schweden erarbeitet Wasserstoffstrategie

In der schwedischen Energiebehörde erarbeitet man derzeit die nationale Wasserstoffstrategie. Laut Abteilungsleiterin Paula Hallonsten ist dies eine umfangreiche Aufgabe mit vielen Anknüpfungspunkten in unterschiedlichen Bereichen. Am 25. November soll der Vorschlag vorgelegt werden.

„Die Regierung möchte, dass deutlich wird, welche Rolle Wasserstoff im schwedischen Energiesystem spielen kann. Besonders wichtig ist dabei die Stabilisierung des Stromnetzes.“

„Die Regierung möchte, dass deutlich wird, welche Rolle Wasserstoff im schwedischen Energiesystem spielen kann. Besonders wichtig ist dabei die Stabilisierung des Stromnetzes“, so Paula Hallonsten. „Darüber hinaus müssen wir die Bedingungen für Investitionen sowie etwaige Hindernisse prüfen. Es handelt sich also um eine große Menge an Informationen, die zusammengetragen werden muss. Zur Strategie soll außerdem auch gehören, Kooperationsmöglichkeiten mit anderen europäischen Ländern zu untersuchen – und dabei ist Deutschland für uns von sehr großem Interesse.“

Was wollen die Unternehmen?

Niklas Gustafsson vom Nutzfahrzeughersteller AB Volvo betonte das Engagement des Unternehmens in Sachen Wasserstoff und hob unter anderem das Joint Venture mit dem Daimlerkonzern hervor:

„Das Pariser Klimaabkommen hat dazu geführt, dass wir die Entwicklung in die richtige Richtung beschleunigen müssen. Hierbei spielt der Transportsektor eine entscheidende Rolle, da viele Unternehmen auf unsere Dienstleistungen angewiesen sind. Wir haben noch eine weite Reise vor uns, aber Fahrzeuge mit Elektro- und Brennstoffzellenantrieb sind die Zukunft. Wir brauchen eine Lösung für Transporte über lange Strecken und haben uns deshalb mit unserem Hauptkonkurrenten Daimler zusammengetan und das Unternehmen Cellcentric gegründet. In Bezug auf die Strategie, mit der Paula Hallonsten und ihr Team arbeiten, lautet meine Botschaft: Wir müssen mutig sein und Wagnisse eingehen!“, erklärte Niklas Gustafsson.

Der Geschäftsführer des schwedischen Branchenverbands der Eisen- und Stahlindustrie Jernkontoret, Bo-Erik Pers, wies darauf hin, dass die wichtigste Aufgabe der Politik darin bestehe, die Stromversorgung zu sichern. Dabei gehe es sowohl um die Verdopplung der Produktion von fossilfreiem Strom als auch um den Netzausbau in ganz Schweden. Nur so könne die Umstellung so schnell gelingen wie von der Stahlindustrie gefordert.

„Die Branche setzt sich seit langer Zeit dafür ein, dass ihre Produktion fossilfrei und gleichzeitig wettbewerbsfähig sein kann. Es laufen viele interessante Projekte, darunter das von Ovako und Linde. Wie Niklas Gustafsson beobachten auch wir, dass die Kunden hohe Anforderungen an unsere Arbeit für eine fossilfreie Gesellschaft stellen. Das treibt die Entwicklung weiter voran“, so Bo-Erik-Pers.

Deutschland Vorreiter bei staatlicher Förderung

Stefan Peterson von Linde beschrieb, welche Strategien der weltgrößte Gaskonzern zum Thema Wasserstoff entwickelt.

„Wir sind an mehreren Clustern beteiligt, zum Beispiel am Wasserstoffcluster Nordrhein-Westfalen und am Energiepark Mainz. Für einzelne Unternehmen kann es schwierig sein, Ideen zu in die Tat umzusetzen, daher ist diese Art der Zusammenarbeit unglaublich wertvoll“, so Peterson. „Deutschland war Vorreiter und hat ein interessantes Modell bezüglich Finanzierung, Koordination und Kontrolle durch den Staat, um die Entwicklung im Bereich Wasserstoff voranzutreiben. Dieses frühzeitige Engagement von Seiten der Politik kann auch für Schweden als Vorbild dienen und gerne in die Strategie eingebunden werden, die Paula Hallonsten und ihre Kolleginnen und Kollegen gerade entwickeln.“

„Deutschland war Vorreiter und hat ein interessantes Modell bezüglich Finanzierung, Koordination und Kontrolle durch den Staat, um die Entwicklung im Bereich Wasserstoff voranzutreiben.“

Auch Malin Dahlroth von Uniper hob hervor, inwieweit Schweden von Deutschland lernen kann.

„Wir sind seit zehn Jahren auf dem deutschen Wasserstoffmarkt aktiv und wirken an zahlreichen Projekten mit. Alle werden vom deutschen Staat oder der EU gefördert – was wichtig ist, denn Wasserstoffprojekte sind teuer. Gleichzeitig kann Wasserstoff einen entscheidenden Beitrag leisten, um die Klimaziele zu erreichen. Wir werden in den kommenden Jahren in großem Umfang in Schweden und Skandinavien investieren und wünschen uns, dass sich Schweden ähnlich ambitionierte Ziele steckt wie Deutschland. Der schwedische Energiesektor ist bereits heute praktisch fossilfrei, aber in anderen Sektoren bestehen Herausforderungen“, meinte Malin Dahlroth.

Günstige Voraussetzungen in Schweden

Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im schwedischen Parlament, Lars Hjälmered (Moderaterna), erklärte, dass es unabhängig von der Parteizugehörigkeit einen Konsens über die langfristige schwedische Energiepolitik gebe.

„Auf die lange Sicht gesehen geht es darum, eine positive wirtschaftliche Entwicklung mit Nachhaltigkeit zu verbinden. Was wir heute von den Unternehmen gehört haben, zeigt, dass es Investitionsbedarf gibt, der wiederum neue Jobs schaffen wird. Schweden hat günstige Voraussetzungen im Energiebereich, und die müssen wir nutzen. Wir stoßen heute deutlich weniger Emissionen aus als unsere Nachbarländer. Gleichzeitig müssen wir uns auf enorme Investitionen vorbereiten, um unsere führende Position zu behaupten. Wir dürfen auch die Gesamtkosten nicht aus den Augen verlieren, um weiter wettbewerbsfähig bleiben zu können. Hierfür brauchen wir einen Aktionsplan, der alle entscheidenden Faktoren einbezieht“, erklärte Lars Hjälmered.
 


Das German Swedish Tech Forum ist eine Innovationsplattform, die zu mehr Zusammenarbeit zwischen Industrieunternehmen in Deutschland und Schweden beitragen soll, und im Januar 2017 von Angela Merkel und Stefan Löfven eingeweiht wurde. Initiatoren des Forums sind die Deutsch-Schwedische Handelskammer und die Königlich Schwedische Akademie der Ingenieurwissenschaften (IVA).

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