
Die fossilfreie Gesellschaft im Blick
06.07.2020
Der Klimawandel ist in aller Munde. Mit der Schwedin Greta Thunberg als Vorbild versammeln sich junge Menschen auf der ganzen Welt zu Protesten. Viele sind davon überzeugt, dass unser Planet dringend Veränderung braucht. Aber was tun eigentlich Politik und Wirtschaft in Schweden für das Klima? Ein perfekter Anlass für ein Gespräch mit einem der Hauptakteure des Geschehens.
Svante Axelsson ist nationaler Koordinator von Fossilfritt Sverige („Fossilfreies Schweden“), einer Initiative der schwedischen Regierung, die zur UN-Klimakonferenz in Paris 2015 ins Leben gerufen wurde. Sie soll dazu beitragen, Schweden zu einem der ersten Wohlfahrtsstaaten der Welt zu machen, der ohne fossile Rohstoffe auskommt. Im Fokus der Initiative stehen Dialog und Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Kommunen und anderen Akteuren, die sich alle dem Ziel der „Fossilfreiheit“ verschrieben haben.
In seiner Rolle fungiert Svante Axelsson als Bindeglied zwischen teilnehmenden Akteuren und Regierung. Seine Aufgabe beschreibt er in unserem Gespräch als „eine Art Makler zwischen Staat und Wirtschaft“. Zahlreiche schwedische Branchen haben nun ihre Roadmaps vorgelegt, wie sie selbst fossilfrei werden und dabei gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können.
„Alle wollen das Klima retten, keiner will am Ende als Buhmann dastehen. Hierbei ist Unterstützung von staatlicher Seite das A und O.“
„Es war auch für mich überraschend, wenn Wirtschaftsvertreter angemerkt haben, dass die Umstellung nicht zu langsam gehen dürfe, da sonst Marktanteile und Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt auf dem Spiel stünden. Wirklich alle Branchen wollen dabei sein. Alle wollen das Klima retten, keiner will am Ende als Buhmann dastehen. Hierbei ist Unterstützung von staatlicher Seite das A und O – mit eindeutigen Spielregeln und Zielen, die von allen politischen Lagern mitgetragen werden“, so Axelsson.
Bisher wurden 21 verschiedene Umsetzungspläne fertiggestellt. Damit ist die Sammlung vorerst komplett, auch wenn künftig noch einzelne weitere Branchen hinzukommen können.
„In allen Bereichen sind große Technologiesprünge vonnöten. Dies gilt für alles von der Elektrifizierung und wie wir vom Verbrennungsmotor wegkommen bis hin zum verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien. Wenn ich einen besonders wichtigen Bereich herauspicken müsste, würde ich das Stromnetz nennen. Dieses gilt es zu verbessern und zu balancieren.“
Deutsch-Schwedische Handelskammer: Was sind die wichtigsten Forderungen der Unternehmen?
„Eine Forderung, die wir ständig hören, ist die nach der Beschleunigung der Genehmigungsprozesse. Entscheidungen müssen schneller ausgeführt werden können. Sehen Sie sich nur Northvolt an, die eine Fabrik innerhalb von sechs Monaten hochziehen. Schwedischer Weltrekord – es ist also möglich!“
Schweden steht für Svante Axelsson und seine Kollegen natürlich im Mittelpunkt, die Herausforderungen rund ums Klima sind aber global. Deshalb schielt man bei „Fossilfreies Schweden“ auch auf andere Länder – um sich Inspiration zu holen und um Kooperationsmöglichkeiten auszumachen. „Nehmen wir Deutschland als Beispiel: Das Land ist ein Pionier im Bereich der Sonnenenergie. Hierfür verdient Deutschland unsere Anerkennung, denn das war eine kostspielige Investition.
In der Umstellungsperiode, in der wir uns gerade befinden, ist es unglaublich wichtig, dass Wirtschaft und Staat Hand in Hand gehen, was in Deutschland gelungen ist. Hinzu kommt, dass das deutsche Engagement auf EU-Ebene vorbildlich ist. Mit ‚Fossilfreies Schweden‘ haben wir hier bei uns nun eine Art Startmotor geschaffen. In Zukunft werden Institutionen wie die Europäische Investitionsbank (EIB) und Initiativen wie der ‚Europäische Grüne Deal‘, den die EU-Kommission angekündigt hat, enorm wichtig werden, besonders wenn es um die Finanzierung von Großprojekten geht. Das deutsche Denken passt generell sehr gut zur schwedischen Rhetorik“, meint Svante Axelsson.
Auf die Frage, was denn der wichtigste Erfolgsfaktor von „Fossilfreies Schweden“ sei, antwortet der Koordinator blitzschnell:
„Das Pariser Klimaabkommen war hier von enormer Bedeutung. Es hat ein Signal an das Parlament gesendet, dass wir uns höhere Ziele stecken müssen. Im Kielwasser des Abkommens kam dann eine Zusammenarbeit über die politischen Lager hinweg zustande. Vor gesellschaftlichen Veränderungen wie diesen gibt es immer große Bedenken. Wenn wir aber zeigen können, dass es funktioniert, geht die Angst zurück und es wird schwer, populistische Standpunkte zu verbreiten.
Nun stellen wir die Ergebnisse der Initiative zusammen und erarbeiten unsere Strategie für die Zukunft. Von zentraler Bedeutung wird es sein, Verträge mit den teilnehmenden Akteuren zu unterzeichnen, um sicherzustellen, dass diese ihre Versprechen auch einhalten. Wir werden außerdem im Auge behalten, wie die Regierung auf die Umsetzungspläne reagiert.“
Welche Ratschläge haben Sie für andere Länder, die ähnliche Initiativen starten möchten?
„Wenn die Wirtschaft zu Veränderungen bereit ist und diese befürwortet, ist man schon sehr weit gekommen. Ein konkretes, positives deutsches Beispiel dafür ist Volkswagen. Die Politik muss es schaffen, die Wirtschaft davon zu überzeugen, Risiken einzugehen. Auch wenn der schwedische Weg nicht allen passt, wird es am Ende nur Gewinner geben. Aus diesem Grund lade ich deutsche Unternehmen mit großer Freude ein, zu uns kommen. Wir wissen ja wie kompetent diese sind.
„Schweden übernimmt gerne die Rolle der permanenten Weltausstellung für alle neuen Technologien.“
Und Schweden übernimmt gerne die Rolle der permanenten Weltausstellung für alle neuen Technologien.“
Abschließend: Ist das schwedische Ziel von der klimaneutralen Gesellschaft bis 2045 realistisch?
„Ja, definitiv, mit großer Wahrscheinlichkeit werden wir es sogar schon früher erreichen“, ist Svante Axelsson überzeugt.