Blaue Wand, Schatten von Menschen und der Text "Wirtschaftliche Einschätzungen zum Coronavirus. Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer"

Wirtschaftspolitische Strategien für deutsche und schwedische Unternehmen

27.04.2020

Bislang war nur wenig über wirtschaftspolitische Strategien für Unternehmen in der Coronakrise zu lesen oder zu hören – weder in Schweden noch in Deutschland. Um einen besseren Einblick in diesen wichtigen Bereich zu erhalten, muss man tiefer in den Details graben. Auf unserer schwedischen Website ist ein direkter Vergleich der einzelnen finanziellen Notprogramme in beiden Ländern zu finden. Daraus ergeben sich interessante Schlussfolgerungen.

Das Ergebnis meiner Recherchen scheint klar: Deutschland setzt auf massive Direkthilfen für die Wirtschaft, Schweden dagegen auf finanzielle Hilfestellung für von der Coronakrise betroffene Arbeitnehmer. Automatisch stellt sich die Frage, welche Strategie sich letzten Endes als die bessere erweisen wird.

Schwedische und deutsche Abfederungen für Unternehmen

Die theoretische Antwort auf diese Frage nimmt sich leicht aus. Es handelt sich offensichtlich um eine Funktion der Dauer der akuten Coronakrise und der Wiederbelebung der Wirtschaft im Industrie- und Dienstleistungssektor. Darauf kann heute aber keine sichere Antwort gegeben werden.

Generell bin ich der Meinung, dass die deutsche Strategie mit erheblicher finanzieller Unterstützung für primär kleine und mittlere Unternehmen bei relativ schneller Rückkehr zu normaleren Verhältnissen – innerhalb von ca. vier bis sechs Quartalen – heute vielversprechender ausschaut als die abwartende schwedische Position. Entsprechend könnten wohl mehr deutsche als schwedische Unternehmen gerettet werden (zum Vergleich: Garantie für Corona-Notkredite in Deutschland 80 bis100 Prozent, in Schweden generell 70 Prozent).

Bei offensichtlich längerer Verweildauer der Coronakrise könnte allerdings Schweden wirtschaftlich am längeren Hebel sitzen, da später weitaus größere finanzielle Reserven vorhanden sein sollten (wobei Schweden jetzt schon über eine niedrigere öffentliche Verschuldung verfügt). Bei langem Warten auf bessere Zeiten müssten in Deutschland viele finanzielle Verpflichtungen gegenüber Unternehmen verlängert oder gestrichen werden – mit entsprechenden negativen psychologischen und realökonomischen Folgen.

Zur Vermeidung von Missverständnissen

Der Inhalt von expansiven oder eher zögernden wirtschaftlichen Hilfsprogrammen für die Wirtschaft in Euro, Kronen und Prozent sollte streng von den hier nicht diskutierten virusbedingten Verhaltensauflagen für die Gesellschaft getrennt werden. Am schwedischen Beispiel demonstriert: Könnte Schweden unter den jetzigen Bedingungen mehr für die von den Auswirkungen der Coronakrise betroffenen Unternehmen tun?

Momentan lässt sich auch des Öfteren lesen, dass die Produktionskapazitäten in der Industrie sowohl in Deutschland als auch in Schweden teilweise wieder hochgefahren werden. Dies wird mancherorts als leicht positives Signal bewertet. Damit sollte man aber vorsichtig umgehen. Zu Beginn der Coronakrise wurde zwar stark auf die Angebotsseite (Produktion) fokussiert, inzwischen sollte der analytische Schwerpunkt aber auf die Nachfrageseite verschoben werden.

Denn was nützt mehr Produktion, wenn gleichzeitig die Nachfrage abstürzt? Meiner Meinung nach wird der Nachfragefaktor in steigendem Maße von psychologischen Faktoren beeinflusst. Trotz Tendenz zu häufigen Übertreibungen sollte wirtschaftlichen Stimmungsfaktoren daher mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden – weil diese die Nachfrage beeinflussen und nach ein paar Monaten mit Anstieg auch mit aussagekräftigeren Zahlen Hinweise auf den langersehnten Wendepunkt geben können.

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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