Blaue Wand, Schatten von Menschen und der Text "Wirtschaftliche Einschätzungen zum Coronavirus. Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer"

Coronavirus: Schweden zaudert weiterhin

02.04.2020

Aktualisiert: 02.04.2020, veröffentlicht: 30.03.2020

Schon mehrmals habe ich auf dieser Seite auf Schwedens zögerliche Strategie gegen die Verbreitung des Coronavirus hingewiesen. Inzwischen hat sogar die deutsche Presse dieses Phänomen aufgegriffen. Die behördlich und politisch nur leicht eingeschränkte Mobilität der Bevölkerung wird dort mit Verwunderung aufgenommen. Dagegen sind Stellungnahmen zu den wirtschaftspolitischen Notfallmaßnahmen seitens der Regierung außerhalb Schweden kaum zu vernehmen.

Nach wie vor fungiert die oberste schwedische Gesundheitsbehörde Folkhälsomyndigheten als hauptsächlicher Wegweiser für die Regierung in Sachen Corona – und damit zumindest indirekt auch für die nicht allzu vollgepackten wirtschaftspolitischen Notpakete. Daher habe ich zuletzt mehrmals empfohlen, hierzulande die Krisenpakete der deutschen Regierung etwas näher zu studieren. Diese sind zwar bei weitem auch nicht perfekt, aber breiter angelegt und auch finanziell großzügiger ausgestattet als die schwedischen.

Dabei ist am eigentlichen Inhalt der schwedischen Notfallpakete nur wenig auszusetzen. Arbeitsmarktförderungen, neugeschaffene Kredit- und Garantiebedingungen, erweiterte Liquiditätsschöpfung und steuerliche Sonderregeln sind auch in Schwedens Notfallprogrammen zu finden. Und wer widersetzt sich schon Maßnahmen, die kleine Unternehmen besonders in den Vordergrund stellen? Speziell in diesem Bereich kann Schweden allerdings noch mehr machen – dazu gehört, den deutschen Maßnahmenkatalog näher zu studieren.

Hohes politisches Risiko

Für mich persönlich ist die momentane schwedische Risikopositionierung in der Coronaeindämmungspolitik nicht richtig nachvollziehbar. Falls die jetzige schwedische Strategie scheitern sollte, drohen aus wirtschaftlicher Perspektive unter anderem größere sogenannte negative psychologische Vermögenseffekte über rapide fallende Preise am Aktien- und Immobilienmarkt – auch, wenn sich diese erfahrungsgemäß mit Verzögerung zeigen. Damit gingen noch kräftigere Rückwirkungen in der Realwirtschaft einher. Man fühlt sich ärmer, auch wenn Verluste bei finanziellen Anlagen noch nicht realisiert wurden. Nicht zuletzt spielt auch Psychologie während der Coronakrise eine wichtige Rolle für Konsum und Investitionen.

Für die Vermeidung von psychologische Überreaktionen auf den Vermögensmärkten verantwortlich sind rein praktisch Banken und die Finanzaufsichtsbehörde und somit letztendlich die Politik – daher ist die Verantwortung bei Gesundheitsbehörden schlecht aufgehoben. Auch deswegen bin ich der Meinung, dass die schwedische Regierung die Steuerung der Coronakrise jetzt energisch mit ihren parlamentarischen Kooperationspartnern übernehmen sollte, natürlich weiterhin in naher Zusammenarbeit mit Folkhälsomyndigheten.

Ist die vor wenigen Tagen von der Regierung stark zurückgenommene und bis dahin von Folkhälsomyndigheten empfohlene Obergrenze für Menschenansammlungen von 500 auf 50 Personen als erstes Zeichen für eine derartige Veränderung zu werten – wie auch der zunehmend ernstere Ton von Ministerpräsident Stefan Löfven? Noch lässt sich diese Frage nicht beantworten.

Mehr Abfederung und Stützung wahrscheinlich

Insgesamt reichen die bislang geltenden und geplanten wirtschaftspolitischen Notfallmaßnahmen trotz – im internationalen Vergleich – weitreichender Normalität im Alltag bei weitem nicht aus, um einen steilen Fall des schwedischen BIP und einen raschen Anstieg der Arbeitslosigkeit einigermaßen erfolgreich abfedern oder gar verhindern zu können. Daher bin ich der festen Meinung, dass auch in Schweden noch weitere wirtschaftliche Abfederungs- und Stützpakete kommen werden müssen – wie zuletzt für die schwedischen Kommunen.

Die guten Staatsfinanzen würden weitere, sinnvolle Ausgabensteigerungen zweifellos zulassen.

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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