Blaue Wand, Schatten von Menschen und der Text "Wirtschaftliche Einschätzungen zum Coronavirus. Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer"

Schwedens Regierung unterschätzt Probleme der Wirtschaft

14.04.2020

Schwedens Strategie gegen das Coronavirus wird im Ausland oft als zu weich und zu inkonsequent kritisiert, zuletzt auch von US-Präsident Trump persönlich. Diese Einmischung brachte das offizielle Schweden gemäß inoffiziellen Kommentaren gehörig auf die Palme.

Tatsache aber ist, dass sich weder die oberste Gesundheitsbehörde (Folkhälsomyndigheten, FHM) noch die Regierung gerne Kritik an der Coronastrategie gefallen lassen. Dabei hatte Folkhälsomyndigheten schon Anfang März von einem baldigen Hochpunkt der Coronakrise gesprochen, das heißt, wenn die vielen schwedischen Skiläufer wieder aus den Dolomiten zurück sind. Auch ließ man das Finale des Eurovision Song Contests am 7. März noch uneingeschränkt über die Bühne gehen, obwohl Dänemark sein eigenes Finale schon abgesagt hatte.

Krisengesetz gibt Regierung mehr Befugnisse

Die nicht sonderlich restriktive Haltung des offiziellen Schweden – trotz inzwischen recht schnell ansteigender Ansteckungszahlen – genießt dennoch nach wie vor die breite Unterstützung der Bevölkerung. Dies ist ein ganz besonderes Phänomen, da die klar schärfere Politik der großen Koalition in Deutschland auf viel Zustimmung stößt. Interessant nimmt sich auch aus, dass in Schweden – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – nur selten die Verhältnisse in Deutschland angesprochen oder gar mit Schweden verglichen werden. Vergleiche werden höchstens mal mit Norwegen, Dänemark oder Finnland angestellt.

Noch vor knapp zwei Wochen hatte ich in einem Zeitungsartikel die Notwendigkeit angesprochen, dass die Regierung endlich eine aktive Führungsrolle bei der Bekämpfung des Coronavirus übernehmen sollte, zumindest wenn es um weitreichendere Fragen geht als die rein virologischen. Nur eine Woche später war es soweit mit einer derartigen gesetzlichen Neuerung – nach Zustimmung des schwedischen Reichstags. Zwar gilt diese Ermächtigung erst mal nur bis zum 30. Juni, kann aber bei Bedarf verlängert werden. Während der Ermächtigung können einzelne Schritte der Regierung sofort in Kraft treten, müssen aber schleunigst vom Parlament bestätigt werden, quasi ein Kompromiss zwischen der jetzigen Minderheitsregierung und der Opposition. Aber sicherlich ein Fortschritt.

Ob es direkt ab 1. Juli zu einer Verlängerung kommen wird, bleibt abzuwarten. Natürlich kann das Krisengesetz auch bei einer späteren Gelegenheit wieder zum Zuge kommen. Es gilt aber zu bedenken, dass Ministerpräsident Stefan Löfven zuletzt sehr sorgenvoll in die Zukunft geschaut hat. Dies kann auch indirekt aus den Ausführungen von Finanzministerin Magdalena Andersson abgeleitet werden.

Schwedens Finanzpolitik bislang relativ vorsichtig – mehr kommt noch

Im Vergleich zu Deutschland erscheinen die Hilfspakete der schwedischen Finanzministerin bislang nicht allzu üppig. Sie erklärte diese Tatsache neulich mit dem Hinweis, dass man bei einer erwarteten baldigen Wende zum Besseren momentan mehr Gas geben würde. Im Umkehrschluss heißt das, dass man seitens der Regierung wohl mit einem längeren Anhalten der Coronakrise und weiteren hohen finanziellen Belastungen rechnet. Experten in vielen Ländern streiten sich derzeit allerdings darüber, ob die Politik in nächster Zukunft die Geldhähne weiterhin großzügig öffnen sollte oder die finanziellen Reserven lieber für die Zukunft aufsparen sollte.

Da Schweden noch einiges mehr sowohl für kleinere und auch für größere Unternehmen mit Coronaschäden tun könnte, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass Finanzministerin Andersson weitere Hilfspakete für die Wirtschaft schnüren wird. Niemand kann Genaueres über die weitere Verbreitung des Coronavirus sagen. Daher machen Konjunkturprognosen mit errechneten Zahlen für 2020 und 2021 wenig Sinn.

Quintessenz: Die Schwierigkeiten der schwedischen Wirtschaft sollten nicht unterschätzt werden. Sie stecken im Konsum, in Investitionen und Export – und von der Produktionsseite her betrachtet sowohl in der Industrie als auch im Dienstleitungsbereich. Weitere Hilfspakete sind daher unabdingbar!

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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