Bild av Roger Strandahl, Vice President Corporate Communications & Governmental Affairs bei Uniper Schweden und Robert Andrén, Generaldirektor der schwedischen Energiebehörde Energimyndigheten im Studio der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

Roger Strandahl, Vice President Corporate Communications & Governmental Affairs bei Uniper Schweden, und Robert Andrén, Generaldirektor der schwedischen Energiebehörde Energimyndigheten.

Bild von Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (Dena), digital auf einem Bildschirm im Studio der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (Dena).

Klare Positionierung von Unternehmen fürs Klima gefordert

29.10.2021

Mehr wirtschaftliche Schwergewichte sollten deutlicher Stellung für die Umwelt beziehen. Die Leiter der deutschen und schwedischen Energieagenturen, Andreas Kuhlmann und Robert Andrén, rufen Unternehmen, die sich für die Energiewende und den Kampf gegen den Klimawandel einsetzen, dazu auf, sich Gehör zu verschaffen. Dies wurde während des vierten Jubiläumswebinars der Deutsch-Schwedischen Handelskammer deutlich.

In diesem Jahr wird die Handelskammer 70 Jahre alt. Das wird mit einer Gesprächsreihe für Mitglieder gefeiert, bei der deutsche und schwedische Persönlichkeiten in den Dialog treten. Das vierte Webinar, in dem ein Stimmungsbild zur Energiefrage in Deutschland und Schweden eingeholt wurde, fand am 25. Oktober statt.

Durch die Elektrifizierung der Gesellschaft erhöht sich der Bedarf an Energie, die idealerweise aus fossilfreien bzw. erneuerbaren Quellen stammen sollte. Hinzu kommt, dass die Energiepreise in der letzten Zeit stark gestiegen sind und kritische Stimmen nicht nur das Tempo der notwendigen Umstellung in Frage stellen, sondern auch, wie die Energieversorgung in Zukunft gehandhabt werden soll. Beim Aufeinandertreffen von Andreas Kuhlmann, Geschäftsführer der Deutschen Energieagentur (Dena), und Robert Andrén, Generaldirektor der schwedischen Energiebehörde (Energimyndigheten), gab es also jede Menge Gesprächsstoff.

Lagebericht aus Deutschland und Schweden

Moderator Roger Strandahl, Kommunikationschef bei Uniper Schweden, ließ Andreas Kuhlmann zunächst die politische Lage in Deutschland kommentieren, wo aktuell über eine mögliche Ampelkoalition auf Bundesebene verhandelt wird:

„In 24 Jahren soll Deutschland klimaneutral sein. Es ist also höchste Zeit, einen Gang höher zu schalten, und ich denke, das werden wir schaffen.“

„Derzeit laufen die Verhandlungen in 22 Arbeitsgruppen, von denen sich einige direkt mit Energie- und Umweltfragen beschäftigen. Man hört nicht viel, aber das, was durchsickert, stimmt mich optimistisch. In 24 Jahren soll Deutschland klimaneutral sein. Es ist also höchste Zeit, einen Gang höher zu schalten, und ich denke, das werden wir schaffen.“

„Deutschland spielt sowohl in Sachen Wirtschaftswachstum als auch beim Kampf gegen den Klimawandel eine große Rolle.“

Robert Andrén betonte, dass die politische Entwicklung in Deutschland direkte Auswirkungen auf Schweden hat: „Es herrscht immer etwas Unruhe, bevor die neue Bundesregierung feststeht. Deutschland spielt sowohl in Sachen Wirtschaftswachstum als auch beim Kampf gegen den Klimawandel eine große Rolle. 2022 wird hier in Schweden gewählt, was ebenfalls sehr spannend wird. Im Moment arbeiten wir auf der Grundlage eines guten Haushalts mit ausgeprägtem Klimafokus, aber es ist schwierig, darüber zu spekulieren, was nächstes Jahr passieren wird.“

Energie im Fokus

Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz, die von 1. bis 12. November 2021 in Glasgow, Schottland, stattfindet, ist die Energiefrage sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene ein brandaktuelles Thema. Hintergrund sind die aktuelle Kluft zwischen Angebot und Nachfrage sowie die steigenden Energiepreise.

„Nicht zuletzt brauchen wir Kooperationsmechanismen, um die Umstellung beschleunigen zu können.“

„Ich hoffe darauf, dass die Konferenz ein Wendepunkt wird, an dem sich vieles fügt und Versprechen erfüllt werden“, erklärte Andreas Kuhlmann. „Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass wir für die Entwicklungsländer eine Klimafinanzierung von mindestens 100 Milliarden Dollar pro Jahr brauchen. Schweden und Deutschland schaffen es allein – wir haben den gesellschaftlichen Druck – aber in vielen anderen Ländern sieht die Situation ganz anders aus. Nicht zuletzt brauchen wir Kooperationsmechanismen, um die Umstellung beschleunigen zu können.

Zur Energiekrise möchte ich betonen, dass es sich dabei zwar um eine echte Krise handelt, diese aber nicht als Vorwand benutzt werden darf, um die Klimaziele außer Acht zu lassen. Im Gegenteil sollten wir konstruktiv mit ihr umgehen, damit künftige Krisen vermieden werden können. Auch hier müssen wir auf Zusammenarbeit und Solidarität setzen.“

„Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass noch mehr Schwergewichte deutlich Stellung zu Umweltthemen beziehen.“

Robert Andrén unterstützte dies: „Das Thema Nachhaltigkeit ist von zentraler Bedeutung, wie wir an den Initiativen großer Industrieunternehmen sehen. Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass noch mehr Schwergewichte deutlich Stellung zu Umweltthemen beziehen. Und was die steigenden Energiepreise in Europa angeht, sind die meiner Meinung nach ein weiterer Beweis dafür, dass wir von fossilen auf fossilfreie Energiequellen umstellen müssen.“

Potenzial Wasserstoff

Roger Strandahl betonte, dass die voranschreitende Energiewende auch eine große Chance für die Unternehmen darstellt, und hob insbesondere das Potenzial von Wasserstoff für die Bereitstellung von fossilfreier Energie hervor.

„Dialog ist das A und O. Unsere Branche hat gutes Storytelling lange Zeit unterschätzt.“

„Wir müssen das Energiesystem der Zukunft durch innovative Geschäftsmodelle aufbauen. Darüber hinaus müssen wir auf lokaler Ebene vermitteln, dass sich die Gesellschaft verändert und dass dies etwas Positives ist! Dialog ist das A und O. Unsere Branche hat gutes Storytelling lange Zeit unterschätzt“, so Robert Andrén.

„Hier sehe ich die Einführung von Wasserstoff als etwas Unvermeidbares. Nationale Strategien schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Der Wasserstoffbedarf unterscheidet sich in Deutschland und Schweden, aber ich denke, die Aussichten für deutsch-schwedische Kooperationen, etwa im Verkehrsbereich, sind hervorragend. Das Wichtigste ist, dass der Wasserstoff grün ist.“

Andreas Kuhlmann stimmte dem zu, betonte aber auch die Komplexität des Themas:

„In Sachen Wasserstoff ist Deutschland dank einer bereits gut ausgebauten Gasinfrastruktur eindeutig führend.“

„Es braucht viele Dinge gleichzeitig: eine ausgebaute Infrastruktur, erneuerbare Energie und gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wir müssen bei unseren Investitionen mutig sein, und das ist eine große Herausforderung, aber ich bin zuversichtlich. Gleichzeitig möchte ich die Unternehmen, die sich wirklich für die Energiewende und den Kampf gegen den Klimawandel engagieren, ermutigen, ihre Stimme zu erheben und zu sagen, was sie erreichen wollen, denn es handelt sich hierbei um komplexe Fragen, bei denen es große Unterschiede zwischen den Ländern gibt. In Sachen Wasserstoff ist Deutschland dank einer bereits gut ausgebauten Gasinfrastruktur eindeutig führend. Schweden hingegen hat hervorragende Möglichkeiten, grünen Stahl zu produzieren und zu verkaufen. Wasserstoff wird sich definitiv durchsetzen, auch wenn sich die Anwendung in unseren Ländern unterscheiden wird.“

Abschied von der Kernkraft

Andreas Kuhlmann erklärte, dass die Energiewende in Deutschland nicht linear verlaufe, sondern in Wellen: „Wir können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir zum Beispiel mit der Akzeptanz von Windkraftanlagen in Deutschland Probleme haben. Hier gibt es Anlass zu Diskussionen und Selbstkritik: Ging der Ausbau zu schnell? Wurde die Bevölkerung nicht einbezogen? Und so weiter. Dadurch verlangsamt sich der Prozess vielleicht ein wenig, aber es lässt Raum für neue Analysen. Denken Sie nur an Wasserstoff, über den vor einigen Jahren noch niemand gesprochen hat, der aber heute für die Erreichung der Klimaziele unverzichtbar ist. Ich glaube, wir müssen unvoreingenommen bleiben und dürfen uns nicht nur auf eine einzige Lösung versteifen.“

„Das Wichtigste ist, dass wir lösungsorientiert bleiben, egal ob es nun um Wasserstoff, Batterien oder etwas anderes geht.“

„Wir sehen unterschiedliche politische Entscheidungen in Deutschland und Schweden, aber das Wichtigste ist, dass wir lösungsorientiert bleiben, egal ob es nun um Wasserstoff, Batterien oder etwas anderes geht. Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass wir Energieproduktion brauchen“, sagte Robert Andrén.

Kommendes Jahr werden die verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland endgültig abgeschaltet und schrittweise durch erneuerbare Energien ersetzt – eine Entscheidung, die laut Andreas Kuhlmann „unumkehrbar“ ist.

„Wenn andere Länder von der Atomkraft als gut funktionierende Energiequelle überzeugt sind, sollte sich Deutschland meiner Meinung nach nicht in diese Entscheidungen über die Zusammensetzung des Energiemixes einmischen.“

„Als junger Physiker war ich selbst sehr kritisch gegenüber der Kernenergie eingestellt – ich hielt sie ganz einfach für zu gefährlich. Länder, die sich für die Atomkraft entscheiden und in sie investieren, müssen sich fragen, ob sie preiswert und vor allem sicher ist, was man nicht so einfach wissen kann. Ich bin also skeptisch, aber wenn andere Länder von der Atomkraft als gut funktionierende Energiequelle überzeugt sind, sollte sich Deutschland meiner Meinung nach nicht in diese Entscheidungen über die Zusammensetzung des Energiemixes einmischen.“

Beide Redner waren sich darin einig, dass Themen wie Digitalisierung und KI die Energiesysteme der Länder in Zukunft beeinflussen werden und dass Deutschland und Schweden weiter zusammenarbeiten sollten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Außerdem wurden bestehende deutsch-schwedischen Kooperationen in diesem Bereich gelobt, zum Beispiel im Rahmen der Swedish-German Cleantech Platform, die gemeinsam von der Deutsch-Schwedischen Handelskammer und der schwedischen Energiebehörde betrieben wird.