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Digitalisierung in Deutschland: Corona als Chance?

08.02.2021

Jede Krise birgt auch eine Chance: Im Falle der Coronakrise ist es vor allem die Digitalisierung, die deutlich Fahrt aufnimmt und zunehmend Managementstrukturen verändert. Zu diesem Thema haben bei einem von der Deutsch-Schwedischen Handelskammer veranstalteten Webinar Vertreter aus der deutschen und schwedischen Wirtschaft diskutiert.

Zu Beginn des Monats hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Ergebnisse einer landesweiten Befragung zum Stand der Digitalisierung der deutschen Wirtschaft mit 3500 teilnehmenden Unternehmen veröffentlicht. Der Großteil der Unternehmen schätzt den Grad der eigenen Digitalisierung gerade mal als befriedigend ein. Luft nach oben ist folglich vorhanden und durch die Pandemie wird immer deutlicher: Eine digitale Transformation wird gebraucht und Potenzial für ihren Erfolg ist gegeben.

Deutschland im „Zwischenmodus“

Professor Dr. Peter Parycek, Mitglied des Digitalrats der Bundesregierung und Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT am Fraunhofer FOKUS, beschrieb einleitend die aktuelle Situation:

„Die Coronapandemie hat keine neuen Phänomene hervorgebracht, sondern bestehende Prozesse beschleunigt.“

„Wir befinden uns in einer experimentellen Phase. Die Coronapandemie hat keine neuen Phänomene hervorgebracht, sondern bestehende Prozesse beschleunigt. Wir werden gezwungen, von einem konservativen Arbeitsplatz auf einen digitalen umzustellen, was neue Anforderungen an Managementstrukturen stellt. Jetzt befinden wir uns in einem Zwischenmodus, der sich vermutlich in der Zukunft fortsetzen wird.“

Dr. Matthias Heiden, CFO der Software AG, stellte die Perspektive der Industrie vor. In der Industrie herrscht Einigkeit darüber, dass die Digitalisierung gebraucht wird, es aber an manchen Stellen bei der Umsetzung hakt.

„In Deutschland wird viel debattiert und reguliert, weswegen manche Prozesse langsam sind. Die Unternehmen, die früh in ihre Digitalisierung investiert haben, haben die Krise besser gemeistert als diejenigen, die durch die Krise erst auf die Digitalisierung gestoßen sind“, so Matthias Heiden.

Die Bedeutung der digitalen Umstellung des deutschen Bildungsbetriebs und deren Hürden bei der Umstellung zu Homeschooling in der Coronakrise wurden ebenfalls von Matthias Heiden benannt: „Es geht um die Bildung zukünftiger Führungskräfte. Somit muss in der Schule angefangen werden!“

Lernen von Skandinavien

Während in Nordeuropa digitale Identität, die auch in Deutschland gewünscht wird, längst in allen Bereichen des Alltags integriert ist, bestimmt das Thema Datenschutz deutsche Digitalisierungsdebatten.

„Die Diskussion über Digitalisierung beginnt beim Datenschutz“, fasste Matthias Heiden diese Problematik zusammen.

„Deutsche Unternehmen testen digitalisierte Dienstleistungen zunächst auf anderen Märkten wie Großbritannien, bevor sie sie auf dem Heimatmarkt einsetzen.“

„Die deutsche Gesetzgebung ist streng. Deutsche Unternehmen testen digitalisierte Dienstleistungen zunächst auf anderen Märkten wie Großbritannien, bevor sie sie auf dem Heimatmarkt einsetzen“, erklärte Patrik Larm, Country Manager Germany bei dem schwedischen Unternehmen Scrive, das innovative Lösungen für elektronische Unterschriften anbietet und sich gerade auf dem deutschen Markt etabliert.

Während manche Prozesse, wie elektronische Unterschriften, in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland noch einige Hürden überwinden müssen, habe sich die Einstellung positiv vonseiten der Industrie geändert, wo elektronische Signaturen Prozesse erleichtern.

Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass bei dem Thema der deutschen Digitalisierung die Betrachtung auf einer EU-weiten Ebene wichtig sei.

„Damit alle von den Vorteilen profitieren können, braucht es ein EU-weites Regelwerk.“

„Die technischen Voraussetzungen für mehr Digitalisierung sind da, Unternehmen haben investiert. Damit alle von den Vorteilen profitieren können, braucht es ein EU-weites Regelwerk“, sagte Matthias Heiden.

Außerdem müssen Unternehmen ihre digitale Umstellung nicht allein bewerkstelligen, Matthias Heiden betonte die Möglichkeit von bereits existierenden Plattformen, auf denen Betrieben bei dem Prozess geholfen werden könne.

Voneinander lernen

Auf der einen Seite kann Deutschland von Schweden, einem Land mit hoher Technologieaufgeschlossenheit, inspiriert werden, um den digitalen Wandel zu beschleunigen. Auf der anderen Seite kann Schweden von Prozessabläufen in Deutschland lernen. Die Produktivität in Deutschland ist hoch, was zeigt, dass Prozesse funktionieren.

Beschleunigt Corona also die deutsche Digitalisierung? Ja – die Möglichkeiten werden deutlicher, der Bedarf ist größer und dringender. Genauso werden Stellen und Prozesse, bei denen es noch hakt, sichtbarer. Ein Blick Richtung Norden kann helfen, wobei gegenseitiges Lernen wichtig ist. Eine beschleunigte Digitalisierung kann ein positiver Effekt der derzeitigen Krise sein, der die Gesellschaft nachhaltig verändern wird.

 

 

Das Webinar wurde im Rahmen des German Swedish Tech Forum veranstaltet. Das German Swedish Tech Forum ist eine Innovationsplattform, die zu mehr Zusammenarbeit zwischen Industrieunternehmen in Deutschland und Schweden beitragen soll, und im Januar 2017 von Angela Merkel und Stefan Löfven eingeweiht wurde. Initiatoren des Forums sind die Deutsch-Schwedische Handelskammer und die Königlich Schwedische Akademie der Ingenieurwissenschaften (IVA).

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