
Fika virtuell: Schweden im Homeoffice
03.09.2020
Die Coronakrise hat die Welt auf den Kopf gestellt. Auch das Berufsleben hat sich schlagartig verändert und Homeoffice ist seit Mitte März in vielen Ländern Alltag – so auch in Schweden. Wie funktioniert diese Lösung im Land auf der anderen Seite der Ostsee, was vermisst man in Schweden am meisten aus dem Büroalltag und welche Auswirkungen wird diese Zeit auf die Zukunft der Arbeitswelt haben?
Schwedens Weg in der Coronakrise hat diesen Frühling viel Aufmerksamkeit erhalten. Im Gegensatz zu Deutschland gab es in Schweden keinen Lockdown und Schulen und Kindergärten blieben durchgehend geöffnet.
Allerdings haben viele Unternehmen, genau wie in Deutschland, ihre Büroräume verlassen und die Mitarbeiter das Homeoffice bezogen. Daran wird sich in den nächsten Monaten vermutlich auch nicht viel ändern. Die offizielle Empfehlung der schwedischen Gesundheitsbehörde (Folkhälsomyndigheten) lautet im Herbst weiterhin, von zu Hause aus zu arbeiten. Auf diese Weise soll der öffentliche Nahverkehr entlastet und entsprechend das Infektionsrisiko für all diejenigen, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, begrenzt werden.
Digitalisierung der Arbeitsplätze und Arbeit auf Distanz sind Themen, die in dem nordeuropäischen Land schon länger im Gespräch sind. Einer der größten Telekommunikationsanbieter des Landes, Tele2, führt schon seit 2011 regelmäßig Befragungen zu Stand und Qualität der Digitalisierung der Arbeitswelt durch. 2020 im Fokus der Untersuchung: die Einstellung der Teilnehmenden zur Heimarbeit vor und nach dem Ausbruch der Coronakrise.
Stresstest für digitale Kommunikation und Infrastruktur
Im April haben 94 Prozent der Befragten, die theoretisch im Homeoffice arbeiten können, dies auch getan. Dabei haben die digitale Kommunikation und die dazugehörige Infrastruktur einen Stresstest bestanden: 9 von 10 Befragten nutzen Microsoft Teams oder Skype für die alltägliche Bürokommunikation und geben an, dass es gut funktioniert.
Dass ein Großteil des Landes von zu Hause aus gearbeitet und sich allgemein mehr in den eigenen vier Wänden aufgehalten hat, spiegelt sich auch in Statistiken zum Verkehr im Internet des Landes wider: Stellenweise konnte beobachtet werden, dass der Netzverkehr tagsüber um 60 Prozent gestiegen ist.
Fika und Smalltalk fehlen im Homeoffice
Wie geht es Schweden im Homeoffice? Ein Großteil der Befragten meint, eine gute Balance zwischen Arbeits- und Privatleben gefunden zu haben. Viele sind mit der neuen Situation zufriedener als mit der vorherigen und können sich nach der Arbeit besser entspannen. 4 von 10 möchten auch nach der Coronazeit gerne weiter auf Distanz arbeiten.
Doch obwohl man in Schweden mit der Homeoffice-Lösung zufrieden zu sein scheint, werden einige Aspekte des Büroalltags vermisst. Das Zwischenmenschliche wie Smalltalk geht bei digitaler Kommunikation abhanden.
Außerdem wird die Fika vermisst – die Kaffeepause, die im schwedischen Arbeitsalltag fest verankert ist und bisweilen mehrmals am Tag stattfindet. Auch dafür müssen kreative digitale Lösungen gefunden werden. So konnte zum Beispiel Favro, Mitglied bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer eine erhöhte Nachfrage nach seiner Online-Plattform für agile Zusammenarbeit feststellen. Das Unternehmen stellt nun eine Reihe von Online-Aktivitäten bereit, um das Teamgefühl auch im Homeoffice aufrecht zu erhalten. Statt Afterwork in der Stadt findet ein Spiele-Afterwork online statt.
Kritische Stimmen äußern sich zu dem Risiko für Wachstum und Entwicklung von Unternehmen, wenn Homeoffice weiterhin in dieser isolierten Form durchgeführt wird. Nicht jeder hat einen ruhigen Arbeitsplatz. Einigen fehlt die Energie, die durch Austausch mit dem Team entsteht. Außerdem wird vor einem zunehmenden Risiko für psychische Belastungen im Homeoffice gewarnt.
Das Büro der Zukunft
In Schweden wird überlegt, wie das Arbeitsleben nach Corona aussehen wird. Die letzten Monate haben bewiesen, dass die Methode Homeoffice grundsätzlich funktioniert. Außerdem zeigt sich gerade für ein geographisch langgestrecktes Land wie Schweden viel Potenzial. Durch etablierte Heimarbeit können mehr potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen möglichen Regionen des Landes angesprochen werden.
Außerdem könnte sich das Aussehen der Büros verändern. Kleinere Büroflächen sind möglich und in diesem Zusammenhang steht auch die Funktion des Büros auf dem Prüfstand. Warum sollte das Büro nicht zukünftig als Treffpunkt statt Arbeitsplatz angesehen werden? Fest steht: Die Arbeitswelt von morgen befindet sich im Wandel.
Wie die Umstellung auf Homeoffice bei in Schweden aktiven Mitgliedsunternehmen der Deutsch-Schwedischen Handelskammer funktioniert hat, erfahren Sie in der Reihe #WirtschaftLebt.