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Warum machen Schweden ständig Kaffeepause?

09.10.2013

Gemeinsame Kaffeepausen mit Kollegen gehören in Schweden zum Arbeitsalltag. Bei der traditionellen „Fika“ geht es nicht nur darum, Koffein und Kalorien zu sich zu nehmen, sondern auch darum sich auszutauschen. Deutsche Chefs sollten ihren Mitarbeitern in Schweden daher besser nicht den Kaffehahn abdrehen oder die Kuchenzufuhr abschneiden. Das bremst die Motivation.

An neun von zehn schwedischen Arbeitsplätzen machen die Mitarbeiter gemeinsam Kaffeepause, wie eine Umfrage von Kairos Future im Jahr 2010 ergab. Die Hälfte der rund 8.000 Befragten gab an, dass sie sogar einmal oder zweimal täglich mit Kollegen eine so genannte Fika einlegen.

In Schweden ist es also selbstverständlich, dass man sich am Vormittag oder Nachmittag mit Chefs und Kollegen im Pausenraum verabredet. Man holt sich einen – zumeist kostenlosen –  Kaffee am Automaten und unterhält sich. Die Kollegen bringen abwechselnd Kuchen und Kekse mit. Bei der Fika wird alles Mögliche besprochen, vom Segelausflug bis hin zum Quartalsbericht. Es geht nicht nur um Privates, sondern durchaus auch ums Geschäft. Vermutlich dürfen die Schweden genau deshalb während der Arbeitszeit zusammen Cappuccino trinken und Zimtschnecken essen.

Viel mehr als eine Pause

„Für Deutsche wirkt es erst einmal unproduktiv, dass man bei der Arbeit so oft zusammen Kaffee trinkt. Aber da werden viele wichtige Arbeitsthemen besprochen, Missverständnisse ausgeräumt, Informationen ausgetauscht“, sagt Ninni Löwgren von der Deutsch-Schwedisch Handelskammer, die einen Businessführer mit interkulturellen Tipps geschrieben hat. Sie rät deutschen Chefs, die nach Schweden kommen, dringend davon ab, die Kaffeepausen abzuschaffen. „Man macht sich als Chef sehr unbeliebt, die Motivation sinkt und auch die Produktivität“, so Löwgren.

Tatsächlich sehen zumindest die Angestellten einen Zusammenhang zwischen Fika und Produktivität, wie die Studie von Kairos Future zeigt. Mehr als 60 Prozent der Schweden glauben, dass sie durch die gemeinsame Kaffeerunde effektiver arbeiten.

Bedeutender Teil der schwedischen Esskultur

Die Fika hat in Schweden eine lange Tradition, am Arbeitsplatz und in der Freizeit. Großzügige Arbeitgeber brachten bereits vor 150 Jahren den Wäscherinnen oder Erntehelfern Kaffee und Gebäck zur Stärkung. 

Der Experte für historische Esskultur in Schweden, Edward Blom, sieht mehrere Gründe, weshalb die Schweden bis heute so verrückt sind nach Fika. Kaffeebohnen und Zucker waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts schwer erhältliche Luxusgüter im armen Schweden, das spät industrialisiert wurde. „Man sah Kaffee und Kuchen als exklusiven Genuss, der nur der Oberklasse vorbehalten war. Seit dieser Zeit galt Kaffeetrinken daher als vornehm“, sagt Blom. Als dann ab 1850 die Kaffee- und Zuckerpreise sanken, konnten auch Bauern und Arbeiter zumindest gelegentlich diese Waren kaufen. Auch die Küchenausrüstung wurde Ende des 19. Jahrhunderts moderner, so dass man in der heimischen Küche Kuchen und Plätzchen backen konnte.

„Damals entwickelte sich die Tradition der ,Sju sorters kakor'. Zu feierlichen Anlässen sollte man immer mindestens sieben verschiedenen Gebäcksorten anbieten“, erklärt der Experte für Esskultur. Diese Tradition hielt sich in Schweden bis in die 1970er-Jahre und erlebt nach dem Eindruck von Edward Blom gerade ein Revival bei jüngeren Schweden, die sich wieder mehr für das Backen interessieren.

Kaffekränzchen statt Biergarten

Das gemeinsame Kaffeetrinken etablierte sich im 19. Jahrhundert auch als soziale Institution. „Wenn man in Deutschland zusammen in den Biergarten gegangen ist, hat man in Schweden zum Kaffee eingeladen“, erklärt Blom. „Dadurch dass Alkohol teuer und zeitweise verboten war, musste man eben beim Kaffeeklatsch Freunde, Nachbarn und Bekannte treffen.“

Beispielsweise war es üblich, dass sich die Gemeinde sonntags nach der Kirche zum Kaffeetrinken, dem so genannten „Kyrkkaffe“, versammelte. „Auf Gotland sagt man scherzhaft, dass der Kyrkkaffe das achte Sakrament ist. Der ist so heilig, dass man sich ihm nicht entziehen kann,“ erklärt Edward Blom.

Der Experte für Esskultur meint, dass die gemeinsame Fika bis heute eine wichtige soziale Funktion erfüllt: „In vielen Betrieben gibt es ein regelrechtes Management by fika. Die Angestellten und auch der Chef treffen sich mehrmals am Tag, um sich auszutauschen. Die Kaffeepause ist die Basis für die typisch schwedische, eher demokratische Unternehmenskultur.“

Woher kommt der Ausdruck "fika"?

„Fika“ könnte ein Beispiel für den „backslang“ sein, einer Art Geheimsprache, die im 19. Jahrhundert zum Beipiel von Kaufleuten oder auch Gefängnisinsassen benutzt wurde. Um vor ungewollten Zuhörern sicher zu sein, vertauschte man einfach die Silben eines Wortes. Aus "kaf-fi", dem alten Wort für "Kaffee", wurde so "fi-ka". Quelle: Wikipedia.