Peter Berg, Jan Brockmann, Katja Mitchell, Christian Clemens und Ninni Löwgren bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer AHK Schweden in Stockholm

Peter Berg, Jan Brockmann, Katja Mitchell, Christian Clemens und Ninni Löwgren diskutierten über deutsches vs. schwedisches Management.

Manager in Schweden? Fragen Sie immer Ihr Team um Rat!

15.10.2020

In schwedischen Unternehmen können sich Entscheidungsprozesse in die Länge ziehen, weil die Zustimmung aller benötigt wird, während in Deutschland Entscheidungen schnell und effektiv, dafür allerdings nach Top-Down-Manier allein von der Chefin oder vom Chef getroffen werden – 20 Jahre altes Klischee oder Realität?

Am vergangenen Freitag fand das beliebte Seminar zum Thema internationales Management statt, das die Rolle schwedischer und deutscher Führungskräfte in einen interkulturellen Kontext einbettet. Gesendet wurde live aus dem Studio in Stockholm. Hinter der Veranstaltung, die einen Zuschauerrekord brach, standen die Deutsch-Schwedische Handelskammer und die schwedische Führungskräfteorganisation Ledarna.

Katja Mitchell, deutsche Moderatorin und Schauspielerin, moderierte die Diskussion um die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem schwedischen Managementstil und darüber, was man beachten muss, wenn man eine Chefposition in Schweden oder Deutschland antritt.

Unterschiedliche Managementstile – was ist der Hintergrund?

Ninni Löwgren, Management-Coach in deutscher und schwedischer Geschäftskultur bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer: „Auch, wenn Schweden und Deutschland geografisch nah beieinander liegen und über eine ähnliche Wertebasis verfügen, gibt es Unterschiede in der Geschäfts- und Managementkultur. Während man in Deutschland eine oder einer von 82 Millionen ist und alles dafür tun muss, um aus der Menge hervorzustechen, sieht man sich in Schweden eher als Zahnrad eines großen Ganzen, das unbedingt gebraucht wird. In Schweden sind die Schlüsselworte daher Zusammenarbeit und Konsens, während es sich in Deutschland mehr um hierarchische Strukturen handelt und es darum geht, wer die Kontrolle hat.“

Entscheidungsprozesse und Hierarchien – wie unterscheiden sich unsere Kulturen?

Christian Clemens, Geschäftsführer der Messe Stockholm und früherer Geschäftsführer von Tui in Deutschland, aufgewachsen in Schweden: „Als ich mit der klaren Mission, Veränderungen im Unternehmen umzusetzen, nach Deutschland kam, stieß ich auf viele Herausforderungen. So waren die Mitarbeiter es gewohnt, genau das zu tun, was der Chef von ihnen verlangte. Ich wollte sie dazu bringen, auch eigene Ideen zu entwickeln und ihre Ansichten zu äußern.

Deshalb habe ich ein Geschäftsklima eingeführt, in dem es in Ordnung war, auch mal einen Fehler zu machen – indem ich über meine eigenen Fehler gesprochen habe. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Weil ich mich selbst hinterfragt habe, hatten die deutschen Mitarbeiter das Gefühl, ich wäre meiner Position nicht gewachsen.

Außerdem habe ich versucht, die Hierarchien abzuflachen, indem ich ab und an in der Mitarbeiterkantine statt in der feineren Kantine für das Management gegessen habe. Doch kaum hatte ich mich gesetzt, wurde es schlagartig still und alle Gespräche um mich herum wurden eingestellt.“

„Für Deutsche können die Entscheidungsprozesse in Schweden zunächst unnötig langwierig scheinen.“

Jan Brockmann, scheidender COO bei AB Electrolux, aufgewachsen in Deutschland: „Persönlich mag ich den schwedischen Führungsstil mit flachen Hierarchien. Damit er auch in Deutschland funktioniert, müsste man im genannten Fall als CEO die Management-Kantine abschaffen und deutlich kommunizieren, dass Angestellte und Manager von nun an zusammen essen.

Traditionell ist der deutsche Führungsstil hierarchischer und die Entscheidungswege sind kürzer. Allerdings befindet sich Deutschland auf einem Weg der Anpassung an das schwedische Modell mit flacheren Hierarchien, wo das Konsensprinzip gilt und es eine ausgeprägtere Debatte gibt, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Für einen Deutschen kann dieser Prozess zunächst unnötig langwierig scheinen. In der Länge ist es jedoch oft von Vorteil, wenn alle Beteiligten hinter einer Entscheidung stehen.“

Kommunikation und Informationsfluss – welche Unterschiede gibt es?

Peter Berg, Management-Coach bei Ledarna: „In Schweden sind Arbeit und Freizeit stärker ineinander verwoben als in Deutschland, während in Deutschland Beruf und Privatleben stärker getrennt werden. An einem Sonntagabend eine Mail abzuschicken, ist in Schweden nichts Ungewöhnliches. In Deutschland würde die gleiche Mail als sehr dringend wahrgenommen werden – gerade, weil es nicht so üblich ist, sich in seiner Freizeit zwischendurch der Arbeit zu widmen.“

„In Schweden sind Arbeit und Freizeit stärker ineinander verwoben als in Deutschland.“

Jan Brockmann: „In manchen deutschen Unternehmen gibt es sogar eine Sperre für E-Mails, die nach einer bestimmten Uhrzeit oder am Wochenende verschickt werden. Zugestellt werden diese erst am nächsten Morgen. Nach wie vor ist es in Deutschland wichtig, Präsenz am Arbeitsplatz zu zeigen – auch wenn sich das durch die Coronakrise verändert hat und noch weiter verändern wird.“

Christian Clemens: „In Deutschland gilt: Wissen ist Macht, darüber kann man sich von anderen abgrenzen. In Schweden hingegen teilen wir unser Wissen gern mit anderen, weil wir darauf vertrauen, dass daraus im Zweifel nur noch etwas Besseres entstehen kann. Unterschiedliche Arten der Kommunikation erkennt man auch in der Sprache. Während der Deutsche sagt ‚Bitte mach das‘ oder ‚Wir machen das so und nicht so‘, äußert sich der Schwede schwammiger: ‚Es wäre schön, wenn du eventuell die Möglichkeit hättest, das zu tun‘ oder ‚Könnte es vielleicht eine Überlegung sein, das so zu machen?‘. Gemeint ist damit allerdings das Gleiche. Die deutsche Art sich auszudrücken hat meinen Führungsstil in Schweden geprägt. Nicht alle können bei allem mitmischen. Irgendwann muss auch mal fertig diskutiert sein, gerade in einer Krisensituation wie jetzt.“

Deutsche Tugenden und der Schwedenbonus – wie nutzen?

Jan Brockmann: „Ich habe beobachtet, dass die deutschen Tugenden wie Beschlussfähigkeit, Struktur und Direktheit auch in Schweden gut ankommen. Positive Erwartungen, die schwedische Kollegen und Mitarbeiter an einen deutschen Chef oder eine deutsche Chefin haben, sollten daher auf keinen Fall negiert werden.“

Ninni Löwgren: „Umgekehrt sollte man als Schwede den sogenannten ‚Schwedenbonus‘ ausspielen. Denn die meisten Deutschen sind Schweden gegenüber sehr positiv gesinnt.“

Die fünf besten Tipps unserer Expertenrunde

  1. Binden Sie Ihr Team in so viele Entscheidungen wie möglich ein.
  2. Seien Sie offen für Vorschläge und Kritik.
  3. Wagen Sie, Wissen und Informationen mit Kolleginnen und Kollegen sowie Ihrem Team zu teilen.
  4. Stellen Sie immer wieder sicher, dass sich alle Beteiligten einig sind.
  5. Passen Sie sich an die neue Managementkultur an, aber bleiben Sie gleichzeitig authentisch und kommunizieren Sie die deutschen Tugenden.

Neugierig auf die gesamte Diskussion? Hier können Sie sich das vollständige Webinar ansehen: