Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer

Übertriebene Ernüchterung in Schweden?

11.02.2019

Noch vor wenigen Monaten kannte der Konjunkturoptimismus in Schweden keine Grenzen. Inzwischen ist aber starke Ernüchterung eingetreten, obwohl die BIP-Zahlen für das vierte Quartal bislang noch nicht veröffentlicht worden sind. Das dritte Quartal zeigte ein schwaches Resultat – erstmals seit fünf Jahren ein Minus (BIP -0,2 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal). Das vierte Quartal dürfte wohl wieder etwas besser ausfallen, jedoch die abnehmende Temperatur der Wirtschaft Schwedens bestätigen. Darauf deuten etliche Konjunkturindizes hin.

Die beiden ersten Quartale 2018 waren höchstwahrscheinlich stärker als die beiden letzten, sodass das vierte Quartal dem BIP eine schwächere Ausgangsposition für 2019 vorlegen könnte als für 2018 durchschnittlich ausgewiesen. Dann hätte man einen sogenannten statistischen Unterhang. Dies käme einer Hypothek für die BIP-Prognosezahlen für 2019 gleich. Auch bei wirtschaftlicher Stagnation im Jahr 2019 würde dies dann noch ein Minus für die BIP-Veränderungsrate bedeuten – und eventuell auch zur Fehldeutung von BIP-Prognosen führen.

Noch wissen wir allerdings nicht, ob es für 2019 überhaupt zu einem statistischen Unterhang kommen wird. Dies entscheidet sich am 28. Februar, wenn die schwedische Statistikbehörde (Statistiska centralbyrån, SCB) die vorläufigen BIP-Ergebnisse für das vergangene Jahr veröffentlichen wird. Auch die Größe des Unterhangs oder auch Überhangs spielt dabei eine Rolle. 0,1 oder 0,2 Prozent spielen keine nennenswerte Rolle, ab 0,3 wird es interessanter.

Die Probleme der Rezessionsfindung

Trotz Abschwächung befindet sich die schwedische Konjunktur zurzeit keineswegs in einer Rezession. Sogar der vielzitierte Einkäuferindex – zuletzt im Januar bei 51,5 – würde bei einem Wert von leicht unter 50 nicht gleich eine Rezession widerspiegeln, wohl aber eine sichtliche Eintrübung der Konjunkturlage. Die Rezessionsgrenze von Einkäuferindizes liegt normalerweise etwas unter 50. Dieser Grenzwert unterscheidet sich jedoch von Land zu Land.

Vorsicht ist auch geboten bei der vielmals benutzten Definition einer Rezession in Form von zwei nacheinander folgenden negativen BIP-Quartalen. Eine derartige Definition macht zwar die Sache leicht für die schnelllebigen Finanzmärkte, aber nicht unbedingt für tiefer analysierende Beobachter. In den USA zum Beispiel wird über Start und Ende einer Rezession von Wissenschaftlern des National Bureau of Economic Research (NBER) entschieden. Dies macht wesentlich mehr Sinn als die auch in den Medien dominierende „Zweiquartalsdiagnose“.

Konjunktur weiter im grünen Bereich

Schweden sollte im vierten Quartal 2018 wieder ein leicht positives Wachstum erzielt haben – nach dem leichten Minus von 0,2 Prozent im Quartal zuvor. Die Konjunktur dürfte damit vorerst im grünen Bereich bleiben, zumal sich auch die Auftragseingänge in der Industrie im Dezember wieder erholt haben, auch seitens des Exports. Gewisse Konjunktursorgen bereiten jedoch nach wie vor die anfällige Konsumneigung der privaten Haushalte, die offensichtlich zunehmenden Schwierigkeiten der Bauindustrie und die bekannten Risiken außerhalb Schwedens.

Gerade wegen der Konjunkturrisiken sollte sich die neue schwedische Regierung schleunigst daran machen, nachhaltige Wachstumspolitik konkret einzuleiten – und zwar so weit wie möglich gebündelt und nicht tröpfchenweise. Nicht alle wachstumsfördernden Verbesserungen kosten viel Geld – vor allem nicht institutionelle Reformen im Unternehmensbereich.

Versprechungen sollten schnellstens Taten folgen!

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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