Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer

Schwedens BIP überrascht (statistisch)

05.06.2019

Wieder einmal mussten Beobachter von Konjunkturanalysen erfahren, dass selbst die kurzfristigsten Prognosen ab und zu völlig falsch liegen können. So geschehen am 28. Mai in Schweden: Noch tags zuvor hatte Finanzministerin Magdalena Andersson von einer Stagnation des Bruttoinlandprodukts (BIP) im ersten Quartal gesprochen und Bankökonomen waren von +0,1 bis +0,2 Prozent im saison- und kalenderbereinigten Vergleich zum letzten Quartal des Vorjahres ausgegangen.

Aber weit gefehlt: Das Wachstum lag de facto bei +0,6 Prozent – und somit höher als in Deutschland, Dänemark und Finnland (+0,4 sowie jeweils +0,2 Prozent). Damit ergibt sich für Schweden +2,1 Prozent im Vorjahresvergleich, was im unmittelbaren Kalendervergleich zunächst eine durchaus positive Entwicklung widerspiegelt.

Es lohnt sich jedoch zweifelsohne, einen etwas genaueren Blick auf die verschiedenen Komponenten des BIP zu werfen. Positiv fällt hier vor allem der Dienstleistungsexport auf (+3,2 Prozent gegenüber dem 4. Quartal). In Schweden tragen Dienstleistungen mit ungefähr einem Drittel schon längere Zeit stärker zum totalen Export bei als in vergleichbaren Ländern.

Konsum und Exportindustrie schwächeln

Das war‘s aber auch schon mit den richtig positiven Nachrichten zur Wirtschaftsentwicklung im ersten Quartal 2019. Beispielsweise scheint auch Schweden etwas von der Abkühlung in der verarbeitenden Exportindustrie abbekommen zu haben (-0,2 Prozent verglichen mit dem 4.Quartal).

Im selben Vergleich schwächte sich auch der private Konsum um 0,2 Prozent ab, wobei die Hälfte des Minusergebnisses auf reduzierten privaten Konsum im Ausland zurückzuführen ist. Letzteres könnte teilweise mit der immer noch schwachen Schwedenkrone zusammenhängen – eine Entwicklung, die übrigens auf immer stärkere Kritik von Ökonomen und Wirtschaftsvertretern stößt.

Zudem nahmen auch Schwedens Bruttoinvestitionen im Vergleich zum Vorquartal leicht ab. Dies wird in erster Linie mit dem Rückgang der Investitionen im Wohnungsbau erklärt – und dies bei erwiesenermaßen existierendem Wohnungsmangel in den Großstädten.

Kaum Belebung der Binnennachfrage zu erwarten

Offensichtlich trugen der zuletzt stark gestiegene Dienstleistungsexport und der sichtbare Importrückgang deutlich zur Verbesserung des schwedischen BIP im ersten Quartal bei (Bruttoexport minus Bruttoimport = im BIP benutzter Nettoexport). Dagegen scheint die Binnennachfrage mehr oder weniger zu stagnieren, abgesehen vom kleinen positiven Wachstumsbeitrag des öffentlichen Konsums.

Sofern es im Laufe dieses Jahres nicht zu einer spürbaren Belebung der Binnennachfrage kommen wird – womit eigentlich nicht zu rechnen ist – wird das schwedische BIP-Wachstum weiterhin vor allem von der internationalen Konjunktur und Politik beeinflusst. Ebenso wie auch in Deutschland!

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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