
Jobsuche in Schweden – die besten Tipps von Personalvermittlern
26.01.2021
Zwischen Deutschland und Schweden findet ein intensiver Austausch statt – so auch auf dem Arbeitsmarkt. Zusammen mit drei in beiden Ländern tätigen Mitgliedsunternehmen verrät die Deutsch-Schwedische Handelskammer, worauf es ankommt, wenn Sie Ihren Horizont erweitern und über Ländergrenzen hinweg arbeiten möchten.
Die Zahlen sprechen für sich: Derzeit beschäftigen schwedische Unternehmen in Deutschland fast 130.000 Angestellte und bei deutschen Unternehmen vor Ort in Schweden sind rund 80.000 Angestellte tätig. „Der gemeinsame Arbeitsmarkt“ ist somit sehr lebendig. Aber was sollten Deutsche beachten, die sich in Schweden auf Jobs bewerben? Und worauf sollten Schweden achten, die in Deutschland arbeiten möchten?
Kulturelle Unterschiede
Wo liegen die größten Unterschiede bei der Jobsuche und im Rekrutierungsprozess zwischen dem deutschen und dem schwedischen Markt? Zu dieser Thematik erhalten die Deutsch-Schwedische Handelskammer und Personaldienstleister häufig Anfragen.
Es gibt größere Unterschiede zwischen der deutschen und der schwedischen Geschäftskultur, als man vielleicht denkt. Daher ist es wichtig, diese bei Einstellungsprozessen zu berücksichtigen, meint Ninni Löwgren Tischer, Bereichsleiterin Market Entry & Business Development der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.
„Dies gilt sowohl für den Arbeitsuchenden als auch für das einstellende Unternehmen. Jede länderübergreifende Einstellung ist einzigartig, genau wie jede Unternehmenskultur. Unsere Erfahrung zeigt, dass es eine gut investierte Zeit für den Arbeitgeber ist, den neu eingestellten Angestellten einen erfolgreichen Start in ihrem neuen Umfeld zu schaffen, beispielsweise durch unser Coaching-Programm für Expats. Das Programm vermittelt den schwedischen Kandidaten in Deutschland – und umgekehrt – Kenntnisse sowohl über die jeweiligen Gesellschaftsstrukturen als auch über die Unterschiede in der Geschäftskultur. Dies gibt dem neuen Personal unabhängig von der Position im Unternehmen eine konkrete Werkzeuge, um die neue Umgebung ganzheitlich zu verstehen, erfolgreich kommunizieren und resultatorientiert arbeiten zu können.“
Marcus Honkanen, Managing Partner bei Nordic Minds, erklärt die Unterschiede im Einstellungsprozess:
„Der größte Unterschied ist, dass der Einstellungsprozess in Deutschland oftmals länger ist als in Schweden. Er beinhaltet mehr Gespräche, praktische interviewbasierte Problemlösungen sowie Interviews und Gespräche mit vorherigen Chefs. In Schweden werden dagegen mehr Persönlichkeitstests durchgeführt. Der Prozess hat in Deutschland noch einen viel formelleren Rahmen, zum Beispiel in Bezug auf Kleidung, Hierarchien und Ansprache, wobei dies natürlich je nach Branche unterschiedlich ist. Beispielsweise werden globale Technologieunternehmen mit europäischen Niederlassungen in Deutschland stark von der Unternehmenskultur des Mutterkonzerns beeinflusst.“
Laut Andreas Viefhaus, Experte für das Recruitment von Führungskräften bei Michaël Berglund AB, gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern:
„Auf dem deutschen Markt ist es immer noch üblich, in gedruckten Zeitungen zu werben, um potenzielle Kandidaten anzuziehen und zu finden. In Schweden wird häufig mit eigenen, gezielteren Suchen gearbeitet. Hier wird Branchenerfahrung nach wie vor als wichtig angesehen, während man in Deutschland offener für unterschiedliche berufliche Hintergründe ist. Die formale Ausbildung und die Länge der Berufserfahrung werden in Deutschland als sehr relevant angesehen, in Schweden wird mehr Wert auf persönliche Führungsqualitäten und Potenzial gelegt.“
Heinz Wester, Senior Partner bei JP Cornerstone Stockholm, betont, dass der Prozess in Schweden eine persönlichere Note hat, was sich auch in den Erwartungen der Unternehmen an die Lebensläufe der Kandidaten widerspiegelt:
„Ein Lebenslauf kann neben rein berufsqualifizierenden Informationen auch Freizeitinteressen beinhalten. In Schweden werden Referenzpersonen kontaktiert, die sowohl positive als auch negative Merkmale des Bewerbers konkretisieren. In Schweden konzentriert man sich mehr auf die persönlichen Merkmale als in Deutschland. Beim Einstellungsprozess in Deutschland werden Referenzen eingeholt und die Kontaktperson darf sich, im Gegensatz zu Kontaktpersonen in Schweden, nicht negativ über den Kandidaten äußern. Ein ausschlaggebender und fundierter Lebenslauf ist daher entscheidend.“
Die Coronakrise treibt die Digitalisierung an
Häufig wird hervorgehoben, dass Schweden in Sachen Digitalisierung weit vorne liegt. Nach Meinung von Experten beschleunigt die Pandemie diese Entwicklung auch in Deutschland. Das Coronajahr hat die Einstellungsprozesse in Deutschland nachhaltig beeinflusst.
„Da die Unternehmen in allen möglichen Branchen hart betroffen waren, haben wir die Initiative ergriffen und kostenfreie Beratung angeboten, um Unternehmen bei Fragen, die im Zuge der Coronakrise auftraten, unterstützen zu können“, erklärt Patrik Peter, Michaël Berglund AB.
„Erste Interviews und Besprechungen mit Kunden sind einfach per Video zu führen. Auch nach der Pandemie werden wir voraussichtlich weiterhin digital arbeiten, hauptsächlich, um das Tempo bei Prozessen beibehalten zu können, aber auch um den ökologischen Fußabdruck durch weniger Reisen zu verringern. Aber es hat zweifellos Vorteile, sich physisch zu treffen. So wie es jetzt aussieht, werden wir tiefergehende Gespräche mit Kandidaten für Führungspositionen weiterhin als physische Meetings durchführen“, so Patrik Peter.
Marcus Honkanen ergänzt und sieht ein ähnliches Muster mit konstanten Veränderungen auf beiden Märkten. Der Bedarf der Unternehmen, die Arbeitsmarktstruktur als auch der Einstellungsprozess ähneln sich in Deutschland und Schweden.
„Die Pandemie hat definitiv Einfluss auf zukünftige Neueinstellungen sowie das Geschäftsverhalten im Allgemeinen. Unser Ziel war es, unseren Kunden und Kandidaten auch ohne persönliche Treffen den bestmöglichen Service zu bieten. Unternehmen werden künftig „unnötige“ Reisen vermeiden, wenn persönliche Treffen nicht unbedingt erforderlich sind. Konkret bedeutet dies, dass die ersten Interviews zwischen Personalvermittlungsunternehmen und Arbeitssuchenden meist über digitale Tools stattfinden werden. Dies wird eine nachhaltige Veränderung sein.“
„Zudem ist abzusehen, dass sich Unternehmen in Zukunft neue interessante Möglichkeiten für die Rekrutierung eröffnen werden. Zum Beispiel muss der Arbeitsort nicht mehr im gleichen Maße berücksichtigt werden. Der Kandidat oder die Kandidatin können privat mit der Familie in Frankfurt leben und gleichzeitig eine Führungsposition bei einem nordeuropäischen Unternehmen in Stockholm innehaben – und umgekehrt“, so Marcus Honkanen.
Vier Tipps an Deutsche, die auf Jobsuche in Schweden sind
- Nehmen Sie sich Zeit, ein Netzwerk aufzubauen, um über persönliche Kontakte Jobs zu finden.
- Bereiten Sie sich mit guter technischer Ausrüstung vor. Die Digitalisierung stellt neue Anforderungen an alle involvierten Personen in einem Rekrutierungsprozess. Als Kandidat ist es wichtig, über die richtigen digitalen Tools für das Meeting zu verfügen. Mikrofon und Video müssen funktionieren. Stellen Sie sicher, dass die Internetverbindung mit einer ausreichenden Geschwindigkeit funktioniert.
- Betonen Sie in Ihrer Bewerbung Ihre Branchenerfahrung. Dies ist etwas, das schwedische Personalvermittler zusätzlich zu Referenzen besonders schätzen. Darüber hinaus ist Vielfalt ein wichtiges Element, von dem hochqualifizierte ausländische Bewerber profitieren können.
- Schreiben Sie einen persönlichen Lebenslauf, betonen Sie Ihre Motivation und nehmen Sie gerne Ihre Freizeitinteressen auf.
Vier Tipps an Schweden, die auf Jobsuche in Deutschland sind
- Beachten Sie, dass deutsche Arbeitsplätze immer noch formeller gestaltet sind als schwedische. Dies gilt bereits beim ersten Treffen, zum Beispiel für die Kleidung und die Ansprache mit dem richtigen Titel.
- Seien Sie darauf vorbereitet, dass der Prozess in Deutschland komplizierter sein kann, länger dauert und mehr Besprechungen umfasst.
- Betonen Sie Ihre deutschen Sprachkenntnisse in Ihrer Bewerbung. In Schweden werden internationale Kandidaten mit Schwedisch-Grundkenntnissen oftmals zugunsten von Erfahrung, Kompetenz oder Vielfalt rekrutiert, während in Deutschland häufig ein hohes Niveau an Deutschkenntnissen wichtig ist.
- Bereiten Sie sich mit guter technischer Ausrüstung vor. Die Digitalisierung stellt neue Anforderungen an alle involvierten Personen in einem Rekrutierungsprozess. Als Kandidat ist es wichtig, über die richtigen digitalen Tools für das Meeting zu verfügen. Mikrofon und Video müssen funktionieren.
Wie kann die Deutsch-Schwedische Handelskammer Unternehmen beim Einstellungsprozess unterstützen?
Die Handelskammer hilft Unternehmen bei der Suche nach Kandidaten und bei der Erstellung von Arbeitsverträgen nach deutschem und schwedischem Arbeitsrecht. Darüber hinaus bieten wir Coaching in deutscher und schwedischer Unternehmenskultur, Expat-Coaching und Lohn- und Gehaltsabrechnungen an. Mitgliedsunternehmen können über die Webseite der Handelskammer kostenfrei nach Personal suchen.