Der Text "Schweden unter der Lupe" vor der Skyline von Stockholm

Geteilte Meinungen zu Schwedens Konjunktur

02.09.2019

Inzwischen ist auch Schweden in den Sog der internationalen Konjunkturabschwächung geraten. Insofern herrscht Konsens unter den Fachleuten. Dagegen gehen die Meinungen über den Ernst und weiteren Verlauf der Konjunkturkurven sichtbar auseinander.

Drei Lager lassen sich gegenwärtig ausmachen. Am wenigsten scheint die Regierung von den schwächelnden Konjunkturdaten beeindruckt zu sein, zumindest verbal und nach außen. Etwas mehr Sorgenfalten können beim staatlichen neutralen Konjunkturinstitut („Konjunkturinstitutet“) entdeckt werden. Hier spricht man von einem „unerwartet deutlichen Konjunktureinbruch“. Am skeptischsten zeigen sich schließlich die Konjunkturanalysten der Finanzwirtschaft, die nahezu unisono schwere Zeiten für Schwedens Wirtschaft prognostizieren oder zumindest befürchten. 

Meinerseits stehe ich zwischen den wohl etwas zu sorglosen Regierungsoptimisten und den Schwarzsehern der Finanzwirtschaft. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass aufgrund bislang mangelnder statistischer Beweiskraft und der extrem unsicheren internationalen Großwetterlage noch alle drei genannten Alternativen der Wahrheit am nächsten kommen können. 

Technische Rezession möglich

Im zweiten Quartal nahm das schwedische BIP um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal ab – es stagnierte fast. Käme es nun im dritten Quartal zu einem erneuten Rückgang von nur 0,1 Prozent, wären die Kriterien der Finanzmärkte für eine technische Rezession bereits erfüllt, was de facto aber nicht einer regelrechten Rezession entsprechen würde. 

Zu einer wirtschaftlich relevanten Rezession gehören jedoch meiner Meinung nach – wie Usus in der USA-Interpretation durch das National Bureau of Economic Research – einschneidendere BIP-Minuszahlen über einen längeren Zeitraum hinweg. Mit jetzigen Erkenntnissen könnte es aber in Schweden schon im nächsten Quartal zu einer milden technischen Rezession kommen.

Neutrale Finanzpolitik – Steuern rauf und runter

Vor dem Hintergrund ihrer nicht allzu furchterregenden Konjunkturanalyse nimmt es nicht wunder, dass Finanzministerin Magdalena Andersson im Haushaltsentwurf für 

2020 offensichtlich eine recht neutrale Budgetpolitik anstrebt – mit einem errechneten neuen Ausgabenpotential von ungefähr 25 Milliarden Kronen. Bei einer derartigen Summe könnte die Regierung den nach wie vor gültigen längerfristigen haushaltspolitischen Rahmenbedingungen auch im Jahr 2020 genügen. 25 Milliarden werden jedoch von zahlreichen (pessimistischen) Ökonomen als partout zu niedrig angesehen. 

Auf der Ausgaben- bzw. Kostenseite sind in erster Linie Steuersenkungen für höhere Einkommensempfänger vorgesehen, wobei aber lediglich – auf Drängen der bürgerlichen partiellen Kooperationspartner von der Zentrumspartei und den Liberalen – Sonderzuschläge aus früheren Krisenzeiten zurückgenommen werden. Diese Maßnahme gehört zum mit der Regierung ausgehandelten 73-Punkteprogramm, welches die Regierungsbildung im Januar dieses Jahres erst ermöglichte.

Andere Neuerungen beinhalten Steuersenkungen für breite Rentnergruppen und auch niedrigere Arbeitgeberabgaben für Jugendliche mit schwachem Schulabschluss oder mit Migrantenstatus. Zudem will die Regierung weitere Mittel für den kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung stellen.

Zusätzliche Steuergelder will die Regierung u.a. über Abgaben für Plastiktüten und Müllverbrennung hereinholen. Diese zwei geplanten Schritte stehen sicherlich nicht im Brennpunkt der Diskussion. Dies ist aber schon kurz nach der noch frischen Ankündigung einer speziellen Bankenbesteuerung eindeutig der Fall. 

Der definitive Haushaltsentwurf der Regierung wird am 18. September offiziell verkündet. 

 

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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