Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer

Schweden braucht Strukturpolitik

11.02.2020

In Deutschland hat man es zuletzt deutlich gesehen: Wenn die politischen Parteien zu sehr von internen Querelen abgelenkt werden, rückt strukturorientierte Wirtschaftspolitik in den Hintergrund. Dabei müssten die Weichen für viele Faktoren jetzt mit Nachdruck in die richtige Richtung gelenkt werden, zum Beispiel Arbeitsmarkt (Demografie, Integration und Anpassung an Globalisierung und Digitalisierung), Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung, technische Digitalisierung, Einkommensverteilung (weniger Niedriglohnempfänger), Umwelt, Krankenhäuser, Wohnungsmarkt in Städten, Sicherheit.

Hier handelt es sich fast ausschließlich um den erforderlichen Durchbruch längerfristiger Verbesserungen. Und schaut man sich den Reform- und Verbesserungsbedarf in Schweden an, so können genau dieselben Faktoren angeführt werden – natürlich mit teilweise anderen Schwerpunkten. Übrigens können ähnliche Mängellisten auch in recht vielen anderen Industrienationen entdeckt werden.

Politik nicht mehr im Gleichschritt mit notwendigen Wirtschaftsreformen

Wenn wir unser Hauptaugenmerk auf Schweden und Deutschland werfen, fällt sofort auf, dass sich in beiden Ländern in den letzten Jahren viel politische Unruhe auf allen Ebenen gebildet hat. Zweifelsohne hat die politische Mitte an Kraft verloren. Sowohl Schweden als auch Deutschland fehlt es an entscheidungsfreudigen Regierungen.

Bei derartigen innenpolitischen Verhältnissen lässt sich aber kaum strukturelle Reformpolitik betreiben. Zudem scheint in Schweden – etwas übertrieben formuliert – vielerorts die wichtigste wirtschaftliche Zukunftsfrage die der in absehbarer Zeit jedoch kaum veränderbaren Zinspolitik zu sein. Ich würde jedoch auch aus den Reihen der Politik gerne wieder mehr wirtschaftliche Diskussionsbeiträge hören – auch grundsätzlicher Art.

In all den obengenannten Bereichen gibt es offensichtlich Defizite. Es kann aber auch Positives in den beiden Ländern gesichtet werden. Im Unternehmensbereich tut sich viel, vom deutschen Süden bis nach Lappland. Ich meine aber, dass Schweden, Deutschland und etliche andere Länder Europa bzw. die EU auch politisch im globalen Wettbewerb auf Trab bringen sollten – zwar schon oft gesagt, aber fast alles steht noch immer in den Startlöchern.

Mehr Zusammenarbeit in der Forschung

Da ich selbst im nationalen und internationalen Universitätsbereich tätig bin, ist es mir nicht entgangen, wie wenig schwedische und deutsche Universitäten nach wie vor zusammenarbeiten. Europa und die ganze Welt warten kontinuierlich auf positive Forschungsansätze und konkrete Resultate, wie derzeit z. B. beim Coronavirus.

Natürlich habe ich in den 20 Jahren meiner akademischen Laufbahn auch positive Zeichen wissenschaftlicher Kooperation zwischen Schweden und Deutschland vernommen. Aber noch viel mehr sollte möglich sein.

Heute, am 11. Februar 2020, findet der “International Day for Women and Girls in Science” statt. Der Anteil von Frauen in der Wissenschaft beträgt im EU-Durchschnitt 41 Prozent.        

Mehr solcher Initiativen wären wünschenswert – und so wird es wohl kommen. Allerdings sind auch dazu Strukturreformen vonnöten.

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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