Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer

Schweden arbeitet an der E-Krone

22.01.2020

Immer wieder erlebe ich bei internationalen Finanzkonferenzen, wie Schweden als bahnbrechend im Bereich digitale Währungen genannt wird. Ebenso kann man von Vertretern anderer Zentralbanken regelmäßig hören, dass dieses Thema zwar anzugehen ist, es aber nicht vorschnell zu einer Entscheidung kommen muss. Als prominente Vertreter dieser beiden entgegengerichteten Schulen lassen sich recht eindeutig Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, und Stefan Ingves, Chef der schwedischen Zentralbank, identifizieren.

Dieser Artikel behandelt keine Grundsatzfragen der Digitalisierung, was ohnehin nur wenig im Kompetenzbereich von Ökonomen liegt. Stattdessen geht es ausschließlich um die Voraussetzungen für eine digitale Währung aus der Sicht von währungspolitisch befugten Zentralbanken – und somit auch indirekt um Präferenzen der Geschäftswelt.

Sowohl Weidmann als auch Ingves scheinen sich indessen an den Fakten zu orientieren. Während in Schweden nur noch knapp 15 Prozent aller Verkaufstransaktionen bar bezahlt werden, sind es in Deutschland noch immer weit über 70 Prozent. Der traditionelle Terminus „Notenbankpräsident” – in der deutschsprachigen Presse nach wie vor häufig benutzt – scheint in Schweden nicht mehr ganz zeitgemäß zu sein.

Bundesbank sieht keinen Grund zur Eile

Zu Beginn dieses Jahres fasste Weidmann seine Position wie folgt zusammen: „Erst mal geht es darum, die positiven und negativen Seiten von digitalem Zentralbankgeld zu verstehen. Dann kann entschieden werden, ob digitales Zentralbankgeld gebraucht wird und sich die Risiken beherrschen lassen.”

Seitens der Bundesbank werden Risikofaktoren einer digitalen Währung offensichtlich deutlicher angesprochen als dies bei der schwedischen Reichsbank der Fall ist. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass es in der deutschen Bevölkerung an breitem Rückhalt für eine digitale Währung mangelt. Allerdings verfügt in Währungsfragen nicht die Bundesbank, sondern die Europäische Zentralbank (EZB) über prinzipielle Entscheidungsbefugnisse. Innerhalb der EZB-Mitgliedsländer ist die eher abwartende Position der Bundesbank aber keineswegs ein Sonderfall.

Bleibt noch der Hinweis, dass in diesem Jahr schon der fünfte Sonderbericht der Bundesbank über die „Verwendung von Bargeld und unbaren Zahlungsmitteln” erscheinen wird.

Vorliebe für bargeldlose Transaktionen   

Trotz offenbarem Verständnis für die großen praktischen Veränderungen im schwedischen Zahlungsverkehr hält die Reichsbank am traditionellen Standpunkt von Zentralbanken fest, d. h., dass staatlich emittiertes Geld die größte Sicherheit für Privatpersonen und Unternehmen darstellt. „Staatlich” bedeutet hierbei von Zentralbanken emittiertes Geld. Kryptowährungen werden demnach offiziell als weniger sicher eingestuft, was sich logischerweise auch so verhält.

Gleichzeitig weist die Reichsbank auch regelmäßig auf die Risiken hin, die mit dem Ausfall oder Störungen digitaler Zahlungssysteme zusammenhängen können. Daher setzt sie sich auch landesweit für den Verbleib von Bargeld ein. Die gesetzlichen Grundlagen hierzu sind allerdings vom schwedischen Parlament zu schaffen, nach Meinung der schwedischen Zentralbank so bald wie möglich.

Insgesamt scheint es der Reichsbank nach heutigem Stand daran gelegen zu sein, in ganz Schweden baren und unbaren Zahlungsverkehr mit Zentralbankgeld sicherzustellen. Allerdings ist noch nicht klar kommuniziert, wie erwünschte Barzahlungen flächendeckend von allen einzelnen Verkaufs- und Einkaufsakteuren gehandhabt werden sollen. Auch das ist ein Grund, sich fortlaufend mit der Entwicklung und den Perspektiven des offiziellen einheimischen schwedischen Zahlungsverkehrs zu beschäftigen.

Zudem betont die Reichsbank zunehmend deutlich, dass auch Verbesserungen des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs dringend vonnöten sind, sowohl hinsichtlich der Kosten als auch der Schnelligkeit. Die Vision und Verwirklichung einer vereinten nordischen und baltischen Vorreiterrolle käme in diesem Zusammenhang wohl sehr gelegen.

E-Krone gut für den Zahlungsverkehr

Auch wenn die schwedische Geldpolitik in den letzten Jahrzehnten weit von jedweder direkter Geldmengensteuerung entfernt war, kommt es der Reichsbank kaum ungelegen, wenn sie nach wie vor einen gewichtigen Einfluss auf die direkte Geldmengenschöpfung ausüben kann – zumindest aus Sicht eines gut funktionierenden modernen Zahlungsverkehrs. Eine einseitige Orientierung nur an der Bargeldmenge oder dem früher sehr engen technischen Geldmengenbegriff von M1 (Bargeld und sehr bargeldnahe Zahlungsmittel) wäre hierfür nicht mehr zeitgemäß. Daher kommt der Wunsch nach staatlicher Geldschöpfung mittels der E-Krone.

Aus obengenannten Gründen spricht nach heutigem Kenntnisstand vieles für die offizielle Einführung einer schwedischen E-Krone, auch wenn das Datum hierfür noch unbekannt sein mag. Gleichzeitig würde damit ein schwedischer Anschluss an den Euro in noch weitere Ferne rücken, meinen gewisse Kritiker. Andere Skeptiker betonen hingegen unter anderem, dass Schweden die Risiken einer Vorreiterrolle bei Einführung einer digitalen Währung nicht auf sich nehmen und besser aus den Fehlentwicklungen anderer lernen sollte. Auch die vielen Fragezeichen seitens der Bundesbank sollten Anlass genug sein, noch tiefer in Detailfragen einer potenziellen – inzwischen schon fast wahrscheinlichen – schwedischen E-Krone vorzudringen.

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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