Hubert Fromlet.

Prof. Hubert Fromlet im Portrait: „Kein einziger Arbeitstag ist langweilig“

12.11.2020

Prof. Hubert Fromlet ist der Experte der Deutsch-Schwedischen Handelskammer für Konjunkturberichte und wirtschaftliche Analysen. Regelmäßig kommentiert er aktuelle Entwicklungen in der deutschen und schwedischen Wirtschaft in den Kanälen der Handelskammer sowie in anderen Medien. Doch wer ist der Mann hinter dem Titel Senior Advisor?

Im Interview gibt Hubert Fromlet den Mitgliedern der Deutsch-Schwedischen Handelskammer einen Einblick in seine Welt. Welche Vorbilder hat er? Und was hat Unternehmertum mit Fußball zu tun?

Deutsch-Schwedische Handelskammer: Ein Blick auf die Weltwirtschaft legt nahe, dass wir dieses Interview mit einer Frage zur US-Wahl beginnen: Wie wird sich die Wahl von Biden auf Europa und insbesondere auf Schweden und Deutschland auswirken?

Hubert Fromlet: Das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa bzw. der EU kann nur verbessert werden. Während der Jahre mit Trump war die Stimmung sehr angespannt. Entsprechend hat sich Angela Merkel sehr über die Wahl Bidens zum nächsten US-Präsidenten gefreut. Bidens diplomatisches und ruhiges Auftreten wird sich positiv auf die Beziehungen auswirken. Die USA werden sich wahrscheinlich Europa und der NATO annähern. Während Trump auf der Grundlage eines bilateralen Ansatzes gearbeitet hat, sieht Biden die Zusammenarbeit als multilateral an, was einen großen Unterschied in der Haltung der USA, beispielsweise gegenüber der NATO, bewirken wird.

„Die Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU wird harmonischer werden, allerdings müssen sich die EU und insbesondere Deutschland kooperationswillig zeigen.“

Eine engere Zusammenarbeit zwischen Europa und den Vereinigten Staaten deutet sich also an, aber Biden wird auch Forderungen stellen. Wir werden keine Ereignisse im Stil von John F. Kennedys „Ich bin ein Berliner“ 1963 erleben. Diese Ära ist vorbei, aber die Zusammenarbeit wird harmonischer werden. Die EU und insbesondere Deutschland müssen sich allerdings kooperationswillig zeigen. Glücklicherweise gibt es nun die Voraussetzung für eine bessere Zusammenarbeit als in den letzten vier Jahren.

Sie sind in Süddeutschland geboren und aufgewachsen, aber die meisten Menschen in Schweden kennen Sie als ehemaligen Chefvolkswirt der Swedbank. Beschreiben Sie Ihre berufliche Laufbahn und Ihren Weg nach Schweden.

Ich habe in einem schwedischen Thema an der Universität Würzburg promoviert, weshalb ich mich für Stellen in Schweden beworben habe. Gelandet bin bei Scania als Makroökonom. Danach war ich 25 Jahre lang Chefvolkswirt der Swedbank. Im Anschluss habe ich mich für die Universitätswelt entschieden und wurde Vollzeitforscher. Eine Zeit lang hatte ich mehrere Professuren gleichzeitig inne, was allerdings zu viel war. Ich begann, meine Tätigkeit auf den akademischen Teil zu reduzieren und habe Kontakt mit der Deutsch-Schwedischen Handelskammer aufgenommen, für die ich bis heute arbeite. Parallel bin ich an der Linnéuniversität im südschwedischen Småland tätig, wo meine Fächer Finanzmärkte und Schwellenländer, insbesondere China, sind.

Gibt es eine bestimmte Begegnung mit einer Person, die Ihre Berufswahl beeinflusst hat oder wegweisend für Ihre Karriere war?

Ich möchte zwei Personen erwähnen: Prof. Otmar Issing, ehemaliges Direktoriumsmitglied und Chefvolkswirt der EZB, und Leif Östling, ehemaliger CEO von Scania und Vorsitzender des schwedischen Arbeitgeberverbandes Svenskt Näringsliv. Otmar Issing war damals ein junger Professor, der für modernes wirtschaftliches Denken stand, was ich beachtenswert fand. Zu dieser Zeit hatte ich vor, Journalist zu werden, aber Issing brachte mich dazu, den Schwerpunkt meines Studiums auf Volkswirtschaft zu setzen. Leif Östling, mit dem ich bei Scania zusammengearbeitet habe, war ein Chef mit breiten Interessen. Er hat gesehen, wie Mikro- und Makroökonomie sich gegenseitig beeinflussen. Seine zentrale Fragestellung war „Wie können Unternehmen die Gesamtwirtschaft beeinflussen und umgekehrt?“. Das fand ich sehr spannend.

Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie viele Erfahrungen gesammelt. Was hält Ihr großes Interesse an den vielen Fragestellungen weiterhin aufrecht?

Ich bin ein grundsätzlich sehr neugieriger Mensch. Ständig gibt es neue Erklärungen und neue Denkweisen, die Dinge zu betrachten. Im Laufe der Jahre habe ich so viele aufregende Ereignisse erlebt. Nehmen wir zum Beispiel die deutsche Vereinigung, die ich ausdrücklich „Vereinigung“ nennen möchte, da es keine „Wiedervereinigung“ war. Ich war am Tag des Mauerfalls in Berlin und habe natürlich darüber hinaus verfolgt, wie es Deutschland in diesen 30 Jahren gelungen ist, zu einem Land zusammenzuwachsen. Die Reise war keinesfalls schmerzfrei, ging allerdings ohne Gewalt oder größere Konflikte vonstatten – eine fantastische Entwicklung.

Ich denke auch an die vielen Veränderungen in Osteuropa und nicht zuletzt daran, wie sich China in vielerlei Hinsicht von einem einfachen Land zu einer modernen Gesellschaft weiterentwickelt hat. Ich habe China noch zu der Zeit besucht, als die Menschen mit dem Fahrrad vom Pekinger Flughafen in die Stadt gefahren sind.

„Es passieren ständig neue Dinge, mit denen man nicht gerechnet hat, was es spannend macht, die Entwicklung zu verfolgen.“

Es passieren ständig neue Dinge, mit denen man nicht gerechnet hat, was es spannend macht, die Entwicklung zu verfolgen. In all den Jahren hatte ich keinen einzigen Arbeitstag, der langweilig war – und das gilt bis heute.

Wir von der Handelskammer wissen, dass Sie leidenschaftlicher Fußballfan sind. Für welche Mannschaft schlägt ihr Herz?

Ich bin großer Fan des VfB Stuttgart. Normalerweise schaue ich fünf oder sechs Spiele pro Jahr im Stadion in Deutschland. Ich selbst habe viele Jahre Fußball gespielt und trainiere noch heute. Es gibt viele Parallelen zwischen der Führung eines Unternehmens und einer Fußballmannschaft. Zum Beispiel geht es darum, die richtigen Produkte zu finden, einen guten Führungsstil zu haben und das Team dabei zu unterstützen, sich weiterzuentwickeln. Diese Erfolgsfaktoren haben Unternehmen und Fußballmannschaften gemeinsam.