Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer

Heiße Phase im schwedischen Wahlkampf eingeläutet

14.08.2018

Am 9. September ist Wahltag in Schweden. Bis vor wenigen Tagen war davon allerdings nur wenig zu spüren. Inzwischen sind die meisten Schweden aus dem Urlaub zurück und nun werden täglich mehr Ideen und konkretere Vorschläge der einzelnen Parteien an die Wähler herangetragen.

Meistens handelt es sich dabei jedoch eher um Wünsche, da Schweden wohl auch nach den Wahlen eine Koalitionsregierung brauchen wird. Da müssen viele Kompromisse und neue Zusammenarbeitsformen in die zukünftige Regierungsarbeit eingebracht werden. Die noch total unsichere Koalitionslage nach den Wahlen hat zur Folge, dass es wenig Sinn macht, sich mit den Dutzenden von Programmpunkten analytisch auseinanderzusetzen, noch dazu in der hier gebotenen Kürze.

Nur drei theoretische Koalitionsalternativen würden nach gegenwärtigem Stand der Meinungsumfragen für Mehrheitsverhältnisse im schwedischen Reichstag sorgen, darunter eine ungewohnte blocküberschreitende Koalition von Sozialdemokraten und (Teilen) der bürgerlichen Allianz oder zwischen Allianz und den auf breiter politischer Front ungeliebten rechtskonservativen „Schwedendemokraten“ (SD). Experten schätzen, dass die SD circa ein Fünftel der Wählerstimmen auf sich vereinen könnten, was die kommenden Koalitionsverhandlungen weiter erschweren dürfte.

Regierungsbildung wird schwierig

Es sollte jedoch hinzugefügt werden, dass Minderheitsregierungen in Schweden durchaus gang und gäbe sind. Dazu wird es wohl auch nach dem 9. September kommen, aber dann mit bislang nicht absehbaren Kombinationen von Regierungs- und „Unterstützungsparteien“ bei Abstimmungen im Reichstag. Insgesamt betrachtet deutet sich schon heute eine sehr schwierige Regierungsbildung an – vielleicht auch mit dem Ergebnis einer nicht optimierbaren Wirtschaftspolitik.

Erstaunlicherweise sammelt die jetzige rot-grüne Regierung mit der günstigen Konjunkturentwicklung in den letzten vier Jahren nur wenig Pluspunkte bei den Wählern. Gleichzeitig tut sich die politische Opposition leicht, auf die besonderen Verhältnisse mit ultraleichter Geldpolitik, guter internationaler Konjunktur und unzureichender schwedischer Strukturpolitik hinzuweisen.

Klar ist, dass sich Schweden nach den Wahlen einer Vielzahl von Strukturreformen widmen muss. Dabei geht es unter anderem um Aus- und Weiterbildung, die Integration von Migranten auf dem Arbeitsmarkt, die Modernisierung und Verbesserung von gewissen globalen Wettbewerbsfaktoren, das Steuersystem und den Wohnungsmangel in den Großstädten. Von der EU wird so gut wie nicht gesprochen. Lediglich die Liberalen setzen sich sichtbar für eine bessere und effektivere Zusammenarbeit mit Brüssel und letztendlich auch für den Anschluss an den Euro ein.

Wirtschaftslage rückt in den Hintergrund

Schwedens Wähler zeigen derzeit insgesamt nur wenig Interesse an der guten Wirtschaftslage. Stattdessen konzentriert sich das Interesse größtenteils auf praktische Probleme im Gesundheitswesen und im Bildungsbereich, Migration, Umwelt (besonders nach dem extrem heißen Sommer), innere Sicherheit und die Altenpflege.

Es geht den Wählern also in erster Linie um Wohlgefühl (välmående) und weniger um unmittelbar materielle oder wirtschaftliche Faktoren. Eine derartige Umorientierung konnte man schon vor zwei Jahren in den USA beobachten. Die berühmten Worte von US-Präsident Clinton – „It’s the economy, stupid“ – sind zurzeit nicht aktuell, sie können es bei verschlechterter Wirtschaftslage aber wieder werden.

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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