Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer

Flacht die schwedische Konjunktur schon ab?

05.04.2018

Schon mehrmals wurde in dieser Kolumne vor übertriebenen Wachstumserwartungen gewarnt. Bei einem länger anhaltenden Aufschwung werden gute Konjunkturzahlen oft zum Selbstläufer erhoben. Dies ist psychologisch verständlich, aber nicht unbedingt logisch. Früher oder später flacht jede Aufschwungskurve ab, quasi eine Art Naturgesetz. Warum ist das so?

Vor ungefähr zwanzig Jahren – als die amerikanische Konjunktur über viele Jahre hinweg boomte – sprach man vielfach vom „Tod“ des sogenannten Konjunkturzyklus (the great moderation). Gemäß dieser Botschaft waren nennenswerte Konjunkturschwankungen mehr oder weniger passé, hervorgerufen durch verbesserte Wirtschaftsstrukturen, weitreichende institutionelle Verbesserungen und weit weniger „Stop-and-go“ in der Geldpolitik. Damit blieben nicht zuletzt Zinsschocktherapien jahrelang aus.

Eigentlich wollte ich aber nie so richtig an die „great moderation“ glauben, da eine solche strukturelle Verbesserung auch wirtschaftspolitischen Gleichschritt und makroökonomische Balance optimaler Güte vorausgesetzt hätte, nicht zuletzt in den größeren OECD-Ländern. Eine derartig günstige Entwicklung kann sicherlich für ein paar Jahre erreicht werden, aber eben nicht für immer.

Negative Entwicklungen wird es immer geben

Im Laufe der Zeit können Entwicklungen dazwischenkommen, die sich global oder auf das eigene Land auswirken können. Dazu gehören beispielsweise große Bewegungen auf den Rohstoffmärkten, politische Komplikationen oder gar Spannungen größeren Ausmaßes, gravierende Fehler in der Wirtschaftspolitik der eigenen Regierung oder Zentralbank oder auch schwere Fehleinschätzungen oder Störungen in anderen, global wichtigen Ländern.

Derartige negative Entwicklungen gibt es schon immer – und wird es auch immer geben. Sonst lebten wir ja in einer harmonischen und perfekten Welt ohne Fehlentscheidungen – und die existiert beileibe nicht.

Dies lässt sich sehr gut mit den meisten und immer noch dominierenden Modellen der Finanzwirtschaft vergleichen, wo es den allwissenden, perfekt informierten und immer richtig entscheidenden „Homo oeconomius“ nach wie vor gibt – und das, obwohl inzwischen (fast) jeder weiß, dass die Wirklichkeit meist weitaus weniger idyllisch aussieht und auch sehr oft aufgrund spezieller psychologischer Reaktionen von den Lehrbucherwartungen abweicht.

Zuletzt etwas gedämpfte Erwartungen

Was nun die aktuelle schwedische Konjunktur angeht, sind die Meinungen auf Expertenebene durchaus gespalten. Wahrscheinlich dominieren die richtigen Optimisten nach wie vor.

Hier handelt es sich zumeist um Vertreter der Industrie und Exportwirtschaft, die bekanntlich in der öffentlichen Debatte ein sehr gewichtiges Wort mitsprechen – jedoch auch oft zeitlich unterschiedlich im Konjunkturzyklus angesiedelt sind. Sicherlich spüren die meisten Industrieunternehmen momentan nichts oder nur wenig von einer sich anbahnenden Konjunkturabschwächung. Diese Unternehmen richten sich oft primär nach den eigenen Auftragseingängen, die sich aber natürlich nicht permanent im Gleichschritt entwickeln.

Etwas skeptischer nehmen sich hingegen etliche Konjunkturdaten und -umfragen sowie Analysen bekannter Volkswirte aus. Erwähnenswert sind hierbei:

  • der meinerseits vor 20 Jahren entwickelte schwedische Einkäuferindex für die Industrie (März 2018: 55,9; März 2017: 65,3) – zuletzt mit deutlichem Rückgang, aber noch immer auf einem guten Niveau
  • die nach wie vor nicht stabilisierten Immobilienpreise bei gleichzeitiger Konsumentenverunsicherung
  • die eingetrübten Einschätzungen der schwedischen Arbeitgeberorganisation für Dienstleistungsunternehmen Almega
  • einige private Konjunkturprognosen mit offensichtlich abgeschwächten Wachstumsprognosen für die nächsten zwei Jahre

Insgesamt erscheint Konjunkturpessimismus derzeit fehl am Platze. Gleichzeitig sollte aber nicht übersehen werden, dass sich der schwedische Konjunkturhimmel nunmehr etwas wolkiger präsentiert. Dabei dreht es sich womöglich nicht nur um Schönwetterwolken.

Die immer noch recht undeutlichen Warnsignale lassen aber in diesen Tagen keine weitreichenden Schlussfolgerungen zu. Die nächsten Monate werden wohl ein deutlicheres Bild abgeben. Daher gilt es, mit eigenen Beobachtungen und Analysen stets am Ball zu bleiben.

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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