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Peter Berg, Ledarna, Ninni Löwgren, Deutsch-Schwedische Handelskammer, Mikael Leksell, Siemens AB und Siemens Nordics, und Cornelia Kaufmann, Ikea Schweden, diskutierten die Unterschiede zwischen deutschem und schwedischem Mangement.

„Wenn ich mich verletzlich zeige, entsteht Magie“

21.04.2021

Als deutsche Managerin eine Führungsposition in Schweden einzunehmen oder als Schwede in Deutschland Chef zu werden, bringt jede Menge Herausforderungen, Überraschungen und neue Erkenntnisse mit sich. Dies wurde während des Webinars zum Thema internationales Management deutlich, das die Deutsch-Schwedische Handelskammer gemeinsam mit der schwedischen Führungskräfteorganisation Ledarna am vergangenen Freitag veranstaltet hat.

„Ein großer Unterschied zwischen Schweden und Deutschland ist die Größe der Länder“, leitete Ninni Löwgren ein, die in ihrer Rolle als Bereichsleiterin Market Entry & Business Development bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer auch Führungskräfte in deutscher und schwedischer Geschäftskultur coacht und einen Ratgeber zum Thema veröffentlicht hat.

Bewusstsein für die Unterschiede wichtig

Während Deutschland mit seinen 82 Millionen Einwohnern ein von Konkurrenz geprägtes Land ist, in dem hierarchische Strukturen, direkte Kommunikation und ein großes Kontrollbedürfnis typisch sind, gibt es in Schweden ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass der Beitrag jeder und jedes Einzelnen zählt. In Entscheidungsprozessen werden möglichst viele involviert, um ein Gesamtergebnis zu erzielen, mit dem alle zufrieden sind – das Konsensprinzip.

„All dies liegt den verschiedenen Führungsstilen zugrunde. Es ist besonders wichtig, sich die weniger offensichtlichen Unterschiede vor Augen zu führen, zum Beispiel die Schaffung von Vertrauen und den Umgang mit Informationen oder Konflikten. Trotz der geografischen Nähe unserer Länder gibt es mehr Unterschiede als gedacht. Es gilt, sich dieser bewusst zu werden, ohne sie zu beurteilen“, so Ninni Löwgren.

„Trotz der geografischen Nähe unserer Länder gibt es mehr Unterschiede als gedacht.“

Für eine schwedische Führungskraft bei einer deutschen Tochtergesellschaft oder umgekehrt kann es zu einer zentralen Herausforderung werden, als Brücke zwischen den beiden Geschäftskulturen fungieren zu müssen.

„Unterschiede treten dabei oft deutlicher hervor als Gemeinsamkeiten“, so Peter Berg, Management-Coach bei Ledarna. „Daher ist wichtig zu berücksichtigen, wie Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden und welche Erwartungen die Managerin oder der Manager in diesem Prozess erfüllen soll. In vielerlei Hinsicht bewegt man sich als Führungskraft zwischen zwei Welten und muss sich im internationalen Kontext zurechtfinden. Man muss die Kultur verstehen, in der man tätig ist – und das kann eine Weile dauern.“

Konsens und Vertrauen

Als Cornelia Kaufmann, People & Country Manager bei Ikea Schweden, 2014 in das skandinavische Land kam, war es besonders die Verzahnung von Privatleben und Beruf, die sie überraschte:

„Die schwedischen Kolleginnen und Kollegen haben in Meetings sehr viel Privates besprochen. Es ging um die Familie und Hobbys und erst gegen Ende um die Arbeit selbst. Ich dachte die ganze Zeit: ‚Ist ihnen der Job denn nicht wichtig?‘ Gleichzeitig wollten sie so viel über mich wissen. Ich war es jedoch nicht gewohnt, Privates und Berufliches zu vermischen. Daher war ich auch sehr überrascht, als ein Kollege mitten in einer Diskussion plötzlich aufstand und ging, weil er seine Kinder abholen musste. Es war erst gegen 16 Uhr. Hätte ich das in Deutschland getan, hätten meine Kollegen gefragt, ob ich neuerdings Teilzeit arbeite.“

„In Schweden gibt es echtes Vertrauen, das ich aus meinem Heimatland so nicht kenne.“

Für Cornelia Kaufmann bestand eine der größten Herausforderungen darin, sich an die schwedische Konsenskultur anzupassen. Daher freute sie sich über das unmittelbare Vertrauen, das ihr entgegengebracht wurde. Dass sie nicht auf die skeptische und kritische Haltung stieß, die sie aus Deutschland gewohnt war, erleichterte ihre neue Rolle als Managerin, zumal sie verglichen mit vielen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch recht jung war.

Chef im Großraumbüro

Der Schwede Mikael Leksell, heute CEO von Siemens AB und Siemens Nordics, hatte lange verschiedene Führungspositionen bei Siemens in Erlangen inne. Im Webinar beschrieb er, dass er von der starken Netzwerkkultur hinter den Hierarchien im Unternehmen überrascht wurde. Zum Beispiel waren viele Entscheidungen bereits vor dem entsprechenden Meeting getroffen worden. Ohne Kenntnis der Netzwerkstruktur war es für ihn zunächst eine Herausforderung, seiner Stimme Gehör zu verschaffen – insbesondere als konfliktscheuer Schwede.

„Im Meeting in Deutschland kommt man direkt zur Sache und die Emotionen können schon mal hochkochen“, so Mikael Leksell. „Im Anschluss trifft man sich aber an der Kaffeemaschine wieder und klopft sich gegenseitig auf die Schulter. ‚Was für eine gute Besprechung! Lassen Sie uns jetzt über den nächsten Schritt reden.‘ Diese Kultur unterscheidet sich sehr von der schwedischen und ich persönlich nehme sie als recht befreiend war.“

Eine weitere Herausforderung stellen all die Prozesse und Regeln, geschriebene und ungeschriebene, dar, die die deutsche Geschäftskultur prägen.

„Als ich das Einzelbüro gegen einen freien Tisch im Großraumbüro tauschen wollte, waren alle in Aufruhr.“

„Bei meinem ersten Job in Deutschland saß die gesamte Abteilung in einem Großraumbüro. Ich als Manager hatte jedoch mein eigenes Büro mit einer Sekretärin im Vorzimmer. Ich fand das ehrlich gesagt langweilig. Viel lieber hätte ich mit den Mitarbeitern zusammengesessen, schließlich war ich mehr Dynamik und kürzere Kommunikationswege gewohnt. Aber als ich sagte, dass ich das Einzelbüro gegen einen freien Tisch im Großraumbüro tauschen wollte, waren alle in Aufruhr. Einige klagten sogar bei der Gewerkschaft. Sie wollten keinen Chef, der ihnen ständig über die Schulter blickte – auch wenn das überhaupt nicht meine Absicht war“, erzählte Mikael Leksell.

Austausch und Herausforderungen

Die Redner waren sich darin einig, dass eine Kombination der beiden Führungsstile der Schlüssel zum Erfolg ist.

„Zu viel Konsensdenken kann dazu führen, dass wir die Augen davor verschließen, dass wir in einer Organisation durchaus unterschiedliche Rollen haben“, sagte Peter Berg. „Manchmal ist es einfach von Vorteil, wenn man, wie in Deutschland, klare Ansagen macht: ‚So machen wir das jetzt!‘ Gleichzeitig können deutsche Unternehmen lernen, dass Hierarchien oftmals Dynamik und Weiterentwicklung hemmen.“

„Manchmal ist es einfach von Vorteil, wenn man, wie in Deutschland, klare Ansagen macht.“

Ninni Löwgren betonte die Bedeutung eines ausgewogenen Führungsstils: „Die klaren Prozesse und Strukturen in Deutschland sind vorbildhaft, müssen bei Bedarf aber auch der schwedischen Flexibilität weichen können.“

Mikael Leksell wies darauf hin, dass Deutsche sehr gut zwischen Sache und Person unterscheiden können: „Wenn man dieses ‚Werkzeug‘ richtig einsetzt, ist es sehr effektiv und lösungsorientiert. Gleichzeitig kann Deutschland von Schweden lernen, dass es nützlich ist, auch mal die Kontrolle abzugeben, um Raum für Kreativität zu schaffen.“

Chance für die persönliche Entwicklung

Cornelia Kaufmann und Mikaels Leksell ermutigten alle, denen sich die Chance bietet, eine Führungsposition im Ausland anzunehmen.

„Es ist eine fantastische Erfahrung und eine enorme Bereicherung, sowohl beruflich als auch privat“, sagte Mikael Leksell. „Natürlich wird es Tage geben, an denen Sie sich fragen, auf was Sie sich da eingelassen haben. Das Bewusstsein, dass es eine neue Situation nicht nur für Sie selbst, sondern auch für alle anderen ist, kann da helfen. Wagen Sie den Schritt, seien Sie offen und neugierig! Meine Erfahrung als Manager in Deutschland hat meine Kommunikation direkter und meine Führung strukturierter gemacht.“

„Es war eine der besten Entscheidungen, die ich je in meinem Leben getroffen habe“, sagte Cornelia Kaufmann. „Ich bin als Person gewachsen und habe in meiner Rolle als Managerin unglaublich viel über Sensibilität und Respekt gelernt – aber auch darüber, wie wichtig es ist, mich nicht so weit anzupassen, dass ich mich selbst dabei verliere. Als Deutsche glaubt man, dass man immer eine Topleistung abliefern muss. In Schweden habe ich aber gelernt, wie wichtig es ist, Vertrauen zu haben und sich gut zu fühlen. Ich habe noch nie so viel über Emotionen gesprochen wie hier in Schweden. Wenn ich mich verletzlich zeige und um Hilfe bitte, entsteht Magie.“