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Der lange Weg zum schnellen Zug
07.06.2018
Hochgeschwindigkeitsstrecken für Züge plant Schweden zwar schon lange, doch nun macht das Königreich damit auch Ernst. Deutschen Anbietern eröffnet das milliardenschwere Projekt gute Geschäftschancen.
Die Almedalsvecka in Visby auf Gotland ist das größte Politereignis Schwedens. Vor zweieinhalb Jahren kündigte Ministerpräsident Stefan Löfven dort erstmals persönlich an: „Für das ganze Land bauen wir neue Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge.“ Die Ausbaupläne betreffen vor allem die Achsen Göteborg–Stockholm und Malmö–Stockholm. Dann wurde bekannt, dass die Kosten deutlich höher ausfallen könnten als ursprünglich angenommen – bis zu 27 Milliarden Euro. Es kam zeitweise heftiger Gegenwind aus der Politik. Und es wurde ruhig um das Großprojekt.
Nun aber scheinen die beteiligten Akteure den Plan tatsächlich umsetzen zu wollen. Mitte November begann der Bau einer neuen Güterverkehrsstrecke bei Norrköping. Experten bewerten das als ersten Spatenstich für ein wichtiges Teilstück des neuen Hochgeschwindigkeitsnetzes, nämlich den etwa 150 Kilometer langen Abschnitt Ostlänken zwischen Järna und Linköping. Denn erst die neue Cargotrasse schafft den notwendigen Platz für den Streckenbau durch Norrköping.
Viele Details noch ungeklärt
Allein für Ostlänken sind rund 5,5 Milliarden Euro vorgesehen: für doppelt so viele Gleise wie bisher, auf 25 Kilometern neue Tunnel, rund 150 Brücken und komplett neue Bahnhöfe in Linköping, Norrköping, Skavsta und Vagnhärad. Der Bahnhof in Nyköping wird renoviert und modernisiert. Die ersten Hochgeschwindigkeitszüge sollen ab 2028 verkehren.
Die neuen Strecken sollen Bahngeschwindigkeiten von bis zu 320 Kilometern pro Stunde erlauben. Dadurch würde sich zum Beispiel die Fahrzeit von Stockholm nach Göteborg von drei auf zwei Stunden verringern. Nicht nur für Ostlänken sind die Pläne bereits weit fortgeschritten, sondern etwa auch für die Teilstrecke Göteborg–Borås.
Für andere Abschnitte entlang der geplanten Trassen diskutieren die Planer noch alternative Streckenverläufe. Machbarkeitsstudien laufen, etwa für die Trassen Jönköping–Malmö und Borås–Linköping. Viele Details sind daher noch unklar. Es gibt bisher kein Finanzierungsmodell, die Beteiligten sind auch noch uneins darüber, welche Teilstrecken für welche maximalen Höchstgeschwindigkeiten ausgebaut werden sollen.
Klar ist immerhin, dass die neuen Schienenwege eine feste Fahrbahnkonstruktion erhalten sollen. Durch die schotterlose Technologie verringerten sich der Verschleiß sowohl am rollenden Material als auch an den Gleisen, versprechen Experten. Weil das Projekt einen so gewaltigen Umfang hat, lässt sich kaum zuverlässig sagen, wann alle Arbeiten fertig sein werden. Geplant ist der Abschluss für das Jahr 2035.
Deutsche Unternehmen haben Chancen
Internationale Bahntechnikanbieter hoffen dabei auf große Geschäfte, zumal die schwedische Verkehrsbehörde Trafikverket den grenzüberschreitenden Wettbewerb seit einigen Jahren tüchtig forciert. Dazu organisiert die Behörde Treffen mit potenziellen Zulieferern bei international bedeutenden Events wie der Schienenverkehrsmesse Elmia Nordic Rail in Jönköping, die ihre Tore wieder im Oktober 2019 öffnen wird. Darüber hinaus gibt es regelmäßig einen „Suppliers Day“, auf dem Trafikverket über anstehende Bauprojekte im Verkehrsinfrastrukturbereich informiert. Außerdem wird unter www.trafikverket.se ein Zeitplan für Auftragsvergaben veröffentlicht.
Unternehmen aus dem deutschen Sprachraum engagieren sich schon seit einigen Jahren stärker im schwedischen Tiefbau. Neben Strabag und seiner Tochter Züblin konnten auch bereits Hochtief, Bilfinger SE und Wayss & Freytag Ingenieurbau Großprojekte in dem Königreich an Land ziehen.
Auftragnehmer und Subunternehmer müssen sich allerdings nach dem neuen schwedischen Vergaberecht richten und zum Beispiel bereit sein, Arbeitslose einzustellen, sagt Stefan Holm, Experte beim Arbeitgeberverband der schwedischen Dienstleistungsunternehmen Almega. Dennoch ist vor allem der Preis ein sehr wichtiges Kriterium bei den meisten Vergabeentscheidungen. Insbesondere Beratungsunternehmen klagen über den starken Preisdruck. Dabei noch gute Qualität zu liefern, sei oft schwierig.