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So trifft der Krieg die schwedische Wirtschaft

11.03.2022

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine lässt niemanden unberührt. Die Bemühungen zur direkten Unterstützung der Ukraine sind umfangreich. Zudem haben die EU, die USA und andere Länder weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt, deren Folgen auch die Wirtschaft zu spüren bekommt und veranlasst, eigene Maßnahmen zu ergreifen. Viele Unternehmen stellen das Geschäft mit Russland ein oder in Frage, stoppen geplante Investitionen und schließen ihre Betriebe. Doch wie wirken sich die Maßnahmen auf die schwedische Wirtschaft aus? Die Deutsch-Schwedische Handelskammer zeigt, wie die Wirtschaftssanktionen gegen Russland die einzelnen Sektoren treffen.

Der Anteil des Handels mit Russland am schwedischen Außenhandel nimmt nach den jüngsten Handelsstatistiken weiter ab. Zum einen sind die Einfuhren aus Russland rückläufig. Im vergangenen Jahr importierte Schweden Waren aus Russland im Gesamtwert von 21 Mrd. SEK. Das entsprach 1,4 Prozent der gesamten schwedischen Wareneinfuhren. Im Vergleich zu 2018 haben sich damit die ohnehin geringen Importe aus Russland halbiert.

Russland gilt schon länger als unsicherer Handelspartner und viele schwedische Unternehmen haben ihre Aktivitäten in den letzten Jahren bewusst reduziert. Die Ereignisse in der Ukraine werden höchstwahrscheinlich dazu führen, dass die Unternehmen ihr Engagement in Russland weiter reduzieren werden, schreibt das National Board of Trade Sweden auf seiner Website.

Es sind vor allem die Importe fossiler Brennstoffe wie Rohöl, die Schwedens Einfuhren aus Russland sinken lassen. Während Schweden zunehmend Rohöl aus Norwegen bezieht, sanken die Ausgaben für Rohöl aus Russland auf knapp 7 Mrd. SEK im Jahr 2021. 2018 importierte Schweden noch russisches Rohöl im Wert von mehr als 28 Mrd. SEK.

Schweden exportiert Fahrzeuge, Chemikalien und Pharmazeutika nach Russland

Aber auch die schwedischen Ausfuhren nach Russland machten im vergangenen Jahr mit 1,4 Prozent nur einen geringen Anteil an den schwedischen Gesamtausfuhren aus. Einen Großteil der Exporte nach Russland machen laut Handelsstatistiken chemische Erzeugnisse wie Arzneimittel und Transportmittel wie Autos und Lastwagen aus.

Im Vergleich zu Russland beliefen sich die schwedischen Ausfuhren in die Ukraine in 2021 auf 4,9 Mrd. SEK. Die Importe aus der Ukraine lagen bei einem Wert von 1,1 Mrd. SEK.

Der Gasmangel beunruhigt die Märkte

Laut der SEB Bank werden steigende Preise für Energie und Lebensmittel auch in Schweden dazu führen, dass die Inflation in diesem Jahr auf ein seit Jahrzehnten nicht vergleichbar hohes Niveau steigen wird. Aktuell geht die Bank aber noch davon aus, dass der Inflationsschock für Europa und Schweden nur vorübergehend sein wird.

Die meisten Analysen weisen jedoch darauf hin, dass die Aussichten aufgrund zahlreicher unsicherer Faktoren ungewöhnlich schwer einzuschätzen sind und die Risiken überwiegen. Im Moment versuchen alle europäischen Länder, sich von der russischen Energieabhängigkeit zu lösen. Nur müssen die Rohstoffe nun zügig durch Alternativen ersetzt werden. Hohe Ölpreise hat es in der Vergangenheit zwar schon öfter gegeben, aber die aktuellen hohen Gaspreise sind besonders besorgniserregend. Laut dem Rohstoffanalysten Bjarne Schieldrop kann die Energiepolitik mit einem Dreieck aus Parametern verglichen werden: Preis, Umwelt und Angebot. In letzter Zeit hat sich die schwedische Energiepolitik vor allem auf Umweltaspekte und den Übergang zu erneuerbaren Energien konzentriert. Nun aber muss sie ihre Blick schnell wieder auf die Preisentwicklung und die Versorgungssicherheit richten. Diese Notwendigkeit könnte den Übergang zu nachhaltigen Energien wiederum beschleunigen, so Bjarne Schieldrop.

Steigende Ölpreise wirken sich auf den Verkehrssektor aus

Steigende Kraftstoffpreise sind besonders für den Verkehrssektor besorgniserregend, aber auch für die Forst- und Landwirtschaft, die ohnehin schon geringe Gewinnspannen haben. Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Krieges auf die Kraftstoffversorgung. Der Verkehr in und aus der Ukraine ist nicht möglich, und auch die Transportwege nach Russland und Weißrussland sind unterbrochen oder eingeschränkt. Gleichzeitig fallen ukrainische Spediteure für die europäischen Verkehre aus. Dies verringert die Transportkapazität in Europa und lässt die Kosten steigen. Auch die Luftfahrt ist von dem Konflikt betroffen, da der Luftraum gesperrt ist und bisherige Flugrouten auf andere und längere Strecken ausweichen müssen. Das führt wiederum zu längeren Transportzeiten und höheren Kosten. Höhere Preise im Transportgewerbe sind daher mit Sicherheit zu erwarten, so die Swedish Confederation of Transport Enterprises.

Schwedische Unternehmen werden in Russland geschlossen

Viele Unternehmen schließen nun ihre Niederlassungen in Russland. Zu den großen schwedischen Unternehmen mit bedeutenden russischen Niederlassungen, die jetzt den Betrieb oder Lieferungen einstellen, gehören Scania, Ericsson, H&M, Ikea, Spotify und Volvo. Die vollständige Liste der Unternehmen, die den Handel mit Russland boykottieren, finden Sie im Business Insider vom 9. März 2022.

Europas Ökonomie beeinflusst die schwedische Wirtschaft

Die schwedische Exportindustrie ist stark von der Entwicklung in Europa abhängig. Fast drei Viertel der schwedischen Warenexporte gehen nach Europa. Betrachtet man die einzelnen Länder, so sind Norwegen und Deutschland die beiden größten schwedischen Exportmärkte. Im Jahr 2021 beliefen sich die Ausfuhren nach Deutschland auf 170,5 Mrd. SEK und die Importe aus Deutschland auf 273,8 Mrd. SEK. Damit ist Deutschland insgesamt der größte Handelspartner Schwedens.

Wirtschaftsfachkreise gehen davon aus, dass die Wirtschaft dennoch wachsen wird, wenn auch nicht so stark wie nach der Pandemie, wie es in den letzten Monaten der Fall war. Wenn die Gaseinfuhren aus Russland nach Deutschland jedoch unterbrochen würden und die deutsche Industrie mit Produktionsengpässen zu kämpfen hätte, würde dies auch erhebliche Auswirkungen auf die schwedische Wirtschaft haben.

Jedoch gehen auch in Schweden die Experten davon aus, dass künftige Investitionen zur Reduktion der Abhängigkeit von russischen Rohstoffen der gesamten EU einen wirtschaftlichen Impuls verleihen werden.

Die Regierung will den Verteidigungshaushalt aufstocken

Als Konsequenz des Krieges gegen die Ukraine will nun auch die sozialdemokratische (S) Minderheitsregierung den Verteidigungshaushalt deutlich erhöhen. Die Militärausgaben sollen so bald wie möglich 2 Prozent des BIP erreichen. Darüber hinaus sollen auch mehr junge Menschen zum Wehrdienst eingezogen werden, erklärten Verteidigungsminister Peter Hultqvist (S), Ministerpräsidentin Magdalena Andersson (S) und Finanzminister Mikael Damberg (S) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am 10. März.

Im vergangenen Jahr belief sich der Verteidigungshaushalt auf 66 Mrd. SEK. Eine Erhöhung auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts würde jährliche Kosten in Höhe von 108 Mrd. SEK bedeuten. Die Pläne sollen nun so schnell wie möglich umgesetzt werden, um den militärischen als auch zivilen Schutz zügig auszubauen.