Ninni Löwgren Tischer, Deutsch-Schwedische Handelskammer

Ninni Löwgren Tischer, Deutsch-Schwedische Handelskammer.

„Ich sehne mich nach schwedischer Bescheidenheit und dem Duft aus einer deutschen Bäckerei“

21.01.2022

„Der deutsch-schwedische Businessführer“ ist ein Handbuch voll praktischer Tipps und Tricks für erfolgreiche bilaterale Geschäfte. Wir haben mit der Autorin Ninni Löwgren Tischer, die gleichzeitig Bereichsleiterin bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer ist, über die druckfrische Neuausgabe des Ratgebers gesprochen.

Warum ist ein Ratgeber wie „Der deutsch-schwedische Businessführer“ so wichtig?

Der Dialog mit unseren Mitgliedsunternehmen zeigt immer wieder: Die Unterschiede in den Geschäftskulturen sind der häufigste Grund, warum Unternehmen Schwierigkeiten beim Export oder bei der Etablierung in Schweden haben. Wir wollen die Geschäftskulturen nicht bewerten, sondern Bewusstsein für diese „weichen Faktoren“ im Geschäftsleben und damit eine solide Grundlage für gegenseitiges Verständnis schaffen. Zudem bieten wir konkrete Instrumente für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit schwedischen Geschäftspartnern, Lieferanten sowie Kollegen und Vorgesetzten an. Ziel ist es, den Handel zwischen unseren beiden Ländern nachhaltig zu fördern.

Was ist ein typisches Missverständnis zwischen deutschen und schwedischen Geschäftsleuten?

Die Kommunikation in den beiden Kulturen ist sehr unterschiedlich. Schwedinnen und Schweden sind daran gewöhnt, einen offenen, inklusiven und vergleichsweise harmonischen Dialog zu führen. Das heißt, man formuliert die Dinge nicht so direkt wie in Deutschland, verwendet häufig den Konjunktiv und ist grundsätzlich offen für alternative Lösungen. Das kollidiert schnell mit der sehr direkten, klaren und formellen Art der deutschen Kommunikation, nicht zuletzt bei geschäftlichen Treffen und Verhandlungen. Hier besteht die Gefahr, dass die deutsche Seite die schwedischen Kompetenzen unterschätzt und sogar die Verbindlichkeit des Treffens infrage stellt.

„Es ist Teil der deutschen Kultur, Fehler vermeiden zu wollen. Von schwedischer Seite kann allerdings der Eindruck entstehen, dass man sich zu sehr auf Details konzentriert.“

Reibungen können auch entstehen, wenn etwa das schwedische Team in der deutschen Niederlassung in Schweden nicht genug Verständnis dafür hat, dass Fragen und Prozesse mit den Vorgesetzten abgestimmt werden müssen. Hier treffen der schwedische Pragmatismus und Fokus auf Eigenverantwortung auf deutsche Formalität, bei der Hierarchie und Kommunikationswege berücksichtigt werden müssen. Es ist Teil der deutschen Kultur, Fehler vermeiden zu wollen. Von schwedischer Seite kann allerdings der Eindruck entstehen, dass man sich zu sehr auf Details konzentriert.

Wie unterscheiden sich Dokumente, etwa Angebote, für schwedische Kunden von Dokumenten für deutsche Kunden, abgesehen von der Sprache?

Auch Angebote müssen an den kulturellen Kontext angepasst werden, völlig richtig. Die deutschen Dokumente sind formal aufgebaut und enthalten oft mehr Details bezüglich Planung und Umsetzung. Die Kostenstruktur sollte klar und nachvollziehbar sein, ebenso wie die rechtlichen Rahmenbedingungen. Denn wenn es zu einem Auftrag kommt, ist dieses Angebot die Grundlage für die gesamte weitere Zusammenarbeit. Schwedische Angebote sind, je nach Kontext und Umfang des Auftrags, häufig kürzer und prägnanter, was dort als Vorteil angesehen wird. Vertragsanpassungen, sogar nach der Vertragsunterzeichnung, werden im schwedischen Kontext pragmatischer gehandhabt als in Deutschland.

Sie sind mit einer schwedischen Mutter und einem deutschen Vater in Deutschland aufgewachsen und bezeichnen sich selbst als Hybridin. Wenn wir die Schwedin in Ihnen fragen, was antworten Sie auf die folgenden vier Fragen?

Sie treffen eine schwedische Geschäftspartnerin zum Mittagessen in Stockholm. Was ziehen Sie an?

Auch wenn die schwedische Art generell entspannter und informeller ist, wähle ich für ein Geschäftsessen dennoch ein klassisches Outfit, Business Casual. Insbesondere wenn ich die Gesprächspartnerin noch nicht so gut kenne, bin ich gerne auf der sicheren Seite. Ein dunkler Hosenanzug mit einem auflockernden Oberteil ist eine gute Kombination.

Was können deutsche Geschäftsleute von schwedischen lernen – und umgekehrt?

„Die schwedische Flexibilität und Offenheit für alternative Lösungen könnten sicherlich Prozesse im deutschen Kontext beschleunigen.“

Die schwedische Flexibilität und Offenheit für alternative Lösungen könnten sicherlich gewisse Prozesse im deutschen Kontext beschleunigen. Und die deutsche Deutlichkeit, sowohl in der allgemeinen Kommunikation als auch die Fähigkeit, bestimmt, aber freundlich Grenzen zu setzen, könnte im schwedischen Kontext helfen.

Was vermissen Sie am meisten an Deutschland, wenn Sie in Schweden sind – und umgekehrt?

Abgesehen davon, dass ich natürlich meine Familie und meinen deutschen Freundeskreis hier in Schweden vermisse, sehne ich mich nach dem Duft aus einer deutschen Bäckerei am Morgen, frisch gebackenen Brezeln und der fantastischen Auswahl an Bio-Kräutertees in den gut sortierten Drogerien. In gewissem Maße vermisse ich sogar den formelleren und regelkonformeren Umgang mit dem Alltag... Wer hätte das gedacht!

Wenn ich hingegen in Deutschland bin, sehne ich mich nach der harmonischeren und inklusiveren schwedischen Einstellung und Kommunikation, dem pragmatischen Umgang mit Problemen und der Magie, dass am Ende immer alles gut zu werden scheint. Auch ohne detaillierten Plan. Und natürlich vermisse ich Zimtschnecken und schwedische Kinderlieder – sie öffnen mein Herz und lassen mich auch an einem stressigen Arbeitstag ausgewogene Entscheidungen treffen.

Zu guter Letzt: Welche Worte fallen Ihnen spontan zu Schweden und Deutschland ein?

Bei Deutschland denke ich an Heimat, bei Schweden an Lebensfreude.

Vielen Dank für das Gespräch!