Publikum und Redner während des Seminars in Visby

Das Seminar über die deutsch-schwedische Innovationszusammenarbeit war voll besetzt.

Staffan Bohman

Handelskammer-Präsident Staffan Bohman hieß alle Teilnehmer willkommen.

Per Engström mit Moderator Jan Westberg

Per Engström (rechts), schwedischer Innovationsrat, mit Moderator Jan Westberg von IVA.

Martin Hink

Martin Hink, Mercedes-Benz.

Stefan Frank, Göran Persson und Erik Ljungberg

Stefan Frank, SAP Schweden, Göran Persson, Siemens AB, und Erik Ljungberg, Scania.

Ninni Löwgren Tischer und Johan Weigelt

Ninni Löwgren Tischer, Deutsch-Schwedische Handelskammer, und Johan Weigelt, IVA.

German Swedish Tech Forum: „Deutschland und Schweden sind Lehrer und Schüler zugleich“

10.07.2017

Die Digitalisierung der Wirtschaft zwingt die Unternehmen, mehr über Firmengrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, in ihren Innovationsprozessen die Geschwindigkeit zu erhöhen und mehr Risiken einzugehen. Deutschland und Schweden werden sich dieser Herausforderungen gemeinsam annehmen – mit dem German Swedish Tech Forum als Plattform für bilateralen Austausch und Wissenstransfer. Dies betonten die Teilnehmer des von der Deutsch-Schwedischen Handelskammer und IVA organisierten Seminars zur neuen deutsch-schwedischen Innovationszusammenarbeit im Rahmen der alljährlichen Almedalen-Woche auf Gotland vergangene Woche.

Das German Swedish Tech Forum wurde im Januar dieses Jahres mit Reden von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven eröffnet. Nun, da die deutsch-schwedische Kooperation für mehr Innovation in der Wirtschaft, die von der Deutsch-Schwedischen Handelskammer und der Königlich Schwedischen Akademie der Ingenieurwissenschaften (IVA) gemeinsam ins Leben gerufen wurde, seit einem halben Jahr erfolgreich läuft und die ersten konkreten Aktivitäten durchgeführt sind, war es an der Zeit, das Forum einer breiteren Allgemeinheit vorzustellen und zu diskutieren, welche aktuellen Fragen künftig im Fokus stehen sollen.

Beim Seminar während der von Politikern, Wirtschaftsvertretern und anderen Entscheidern stets gut besuchten Almedalen-Woche in Visby wurde deutlich, dass viele Unternehmen angesichts der Digitalisierung der Wirtschaft vor großen Herausforderungen und organisatorischen Veränderungen stehen. Für eine Plattform wie das Tech Forum, über die man neue Erkenntnisse und Anwendungsbeispiele austauschen sowie Partner für gemeinsame Projekte finden kann, besteht also durchaus Bedarf.

Unternehmensprozesse verändern sich

„In unserer und vielen anderen Branchen passieren derzeit große Verschiebungen in den Wertschöpfungsketten. Früher waren wir einfach nur Lieferant. Nun müssen und wollen wir gründlicher verstehen, was unsere Kunden und die Kunden unserer Kunden eigentlich genau tun – um noch besser zu werden und Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind“, sagte Erik Ljungberg, Kommunikationschef bei Scania.

„Die Digitalisierung hat die Art und Weise verändert, wie wir mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten. Diese können uns und unserer Organisationsstruktur heute deutlich näher kommen als früher. Unsere Unternehmenskultur befindet sich derzeit in einem langsamen aber stetigen Veränderungsprozess“, erklärte Martin Hink, Chef der Lkw-Sparte von Mercedes-Benz in Schweden und Dänemark.

„Das althergebrachte Verhältnis zwischen Lieferanten auf der einen und Kunden auf der anderen Seite ist heute überholt. Damit dauert es einfach viel zu lange, neue Dinge zu entwickeln. Nunmehr müssen wir Innovationsprojekte in Gang bringen, bevor wir überhaupt deren genaues Ziel kennen. Und damit das gelingen kann, müssen wir eine Vorgehensweise finden, wie wir uns aus unserer Deckung wagen und über Unternehmensgrenzen hinweg, mit gemeinsamen Zielen vor Augen, zusammenarbeiten können“, fügte Stefan Frank, Supply Chain & Industry 4.0 Manager bei SAP Schweden, hinzu.

Schnelligkeit und Ausdauer entscheidend

Gerade Schnelligkeit ist ein entscheidender Faktor in Innovationsprozessen. Heutzutage gilt es, schnell in Gang zu kommen und schnell etwas Konkretes zu präsentieren, das man testen kann, um Feedback dazu zu erhalten und dieses für Verbesserungen nutzen zu können. Gleichzeitig ist aber auch Ausdauer vonnöten, um das jeweilige Projekt, das sich über mehrere Jahre erstrecken kann, bis über die Ziellinie zu bringen und bei auftauchenden Schwierigkeiten nicht vorher aufzugeben. „Man muss Sprinter und Marathonläufer zugleich sein“, wie es Stefan Frank ausdrückte.

Den Diskussionsteilnehmern zufolge sind Schnelligkeit und Innovation heute wichtigere Faktoren als beispielsweise die unterschiedlich hohen Lohn- und Produktionskosten in verschiedenen Herstellungsländern. Es kann also weiterhin in vergleichsweise „teuren“ Ländern wie Deutschland oder Schweden produziert werden – entscheidend für die Unternehmen ist, dass sie die besten Mitarbeiter anlocken können, um innovativ sein und bleiben zu können.

„Wir müssen den Status der Industrie verbessern. Die technisch anspruchsvollsten Jobs, die es heute gibt, findet man in Industrieunternehmen. Hoffentlich kann uns die Digitalisierung dabei helfen, als Branche attraktiver zu werden und einige von denen zu uns herüberzulocken, die derzeit anderswo Computerspiele entwickeln“, sagte Göran Persson, Chef der Sparte Process Industries & Drives bei Siemens Schweden.

Gute Voraussetzungen für bilaterale Kooperation

Sowohl in Deutschland als auch in Schweden spielt die Industrie eine gewichtige Rolle und ist ein wichtiger Impulsgeber für die gesamte Wirtschaft. Forschung und Entwicklung sind auf beiden Seiten der Ostsee essentiell und man steht zudem vor ähnlichen Herausforderungen. Gute Voraussetzungen also für eine bilaterale Zusammenarbeit, die sich sowohl in der Wirtschaftsinitiative German Swedish Tech Forum als auch in der politischen Kooperationserklärung zwischen der deutschen und der schwedischen Regierung manifestiert.

„Die Erklärung, die beide Länder unterzeichnet haben, hat eine deutliche Ambitionsrichtung. Beide Seiten sind daran interessiert, die anstehenden Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Man hat vier konkrete Kooperationsbereiche ausgewählt, denen die Politik einen extra Schub geben möchte: E-Highways, E-Health, die Digitalisierung kleiner und mittelgroßer Unternehmen sowie Testanlagen“, berichtete Per Engström, stellvertretender Ministerialdirigent im nationalen schwedischen Innovationsrat, welcher in der Kanzlei des Ministerpräsidenten angesiedelt ist.

In allen vier Bereichen arbeiten Politik, Forschung und privater Sektor eng zusammen. Per Engström zufolge ist man in der schwedischen Regierung zu der Erkenntnis gelangt, dass es nicht ausreicht, die jeweiligen Fragen auf nationaler Ebene zu behandeln. Weitere Kräfte seien vonnöten, um erfolgreiche Innovationsarbeit zu betreiben.

„Da es auf EU-Ebene momentan etwas holprig läuft, fanden wir, dass bilaterale Kooperation aktuell ein gutes Forum sein könnte. Wir haben darauf geschaut, welche Länder eine ähnliche Ausgangsposition wie Schweden haben und da liegt Deutschland natürlich auf der Hand. Außerdem ist es gut, neue Partner zu erschließen, nun da unsere traditionellen Alliierten in Großbritannien an internationaler Zusammenarbeit nicht mehr so interessiert zu sein scheinen“, sagte er.

Input für zukünftige Aktivitäten gefragt

Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Schweden ist von großem gegenseitigem Respekt geprägt. Beide Seiten sind sowohl Lehrer als auch Schüler zugleich, wie es Staffan Bohman, Präsident der Deutsch-Schwedischen Handelskammer, in seiner Einleitung zum Seminar in Visby ausdrückte. Nun gilt es, ordentlich Gas zu geben und konkrete Ergebnisse zu produzieren.

„Die Diskussion heute hat bestätigt, dass wir eine Plattform wie das German Swedish Tech Forum brauchen. Wir sind bereits gut vorangekommen und jetzt erhöhen wir das Tempo weiter. Es sind eine ganze Reihe von Aktivitäten für die nächste Zeit geplant, aber wir nehmen auch das heute Gesagte mit in unsere Planungen und freuen uns zudem auf weiteren Input von interessierten Unternehmen“, sagte Ninni Löwgren Tischer, Bereichsleiterin Market Entry & Business Development bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

„Es war schon eine spannende Reise bis hierhin und wir hoffen auf eine weiterhin spannende Fortsetzung. Melden Sie sich gerne bei uns, wenn Sie Ideen oder Anregungen haben, welche Fragen wir im Rahmen des Forums aufgreifen sollten“, schloss Johan Weigelt, stellvertretender Geschäftsführer von IVA, ab.