Ein Rapsfeld vor dem BASF Verbundstandort Friesenheimer Insel

Foto: BASF SE

„Wir beobachten einen deutlichen Trend zu mehr Nachhaltigkeit“

19.09.2017

Saubere Energie, grüne Mobilität, nachhaltige Produktions- und Konsumweisen – innovative Lösungen aus der Chemiebranche können uns diesen Zielen für eine langfristig nachhaltige Entwicklung deutlich näher bringen. Wie, das erklärt Dirk Voeste, Vice President Sustainability Strategy beim Chemiekonzern BASF, in unserem Interview.

Deutsch-Schwedische Handelskammer: BASF meint, dass Chemie eine entscheidende Rolle spielt, um die von den Ländern der Erde gemeinsam verabschiedeten globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung erreichen zu können. Inwiefern gehören Chemie und Nachhaltigkeit zusammen?

Dirk Voeste: BASF steht für Chemie, die verbindet – für eine nachhaltige Zukunft. Wir wollen zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen und haben dies in unserem Unternehmenszweck „We create chemistry for a sustainable future“ verankert. Deshalb unterstützen wir unsere Kunden und die Gesellschaft mit Chemie, die vorhandene Ressourcen bestmöglich nutzt. Wir übernehmen Verantwortung entlang der Wertschöpfungskette und leisten einen Beitrag zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung mit einer verantwortungsvollen Produktion, mit Lösungen für sauberes Wasser, mit Produkten zur Bekämpfung von Hunger und für eine nachhaltige Landwirtschaft sowie mit Beiträgen zu Infrastruktur, Industrie und Innovation. BASF trägt mit Innovationen zu einer nachhaltigen Entwicklung bei.

Können Sie uns einige konkrete Beispiele nennen, wo heute verfügbare Produkte Ihres Unternehmens einen direkt positiven Einfluss auf die Umwelt haben?

Mit Dämmstoffen, Kunststoffbauteilen für die Automobilindustrie und Materialien für Windräder unterstützen wir unsere Kunden bei einem verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt. Etwa für die Automobilindustrie gibt es eine breite Palette an nachhaltigen Lösungen. Neue Leichtbaukunststoffe tragen zur Verringerung des Gewichts von Kraftfahrzeugen und somit zur Erhöhung der Kraftstoffeffizienz bei. Abgasemissionen werden durch innovative Katalysatoren und durch neuartige Treibstoffadditivpakete, die die Motorventile sauber halten, reduziert und verbessern so die Luftqualität. Des Weiteren verkürzen integrierte Prozesse die Dauer von Fahrzeuglackierungen, da sie Prozessschritte reduzieren und somit klare Vorteile bei Energieverbrauch sowie Treibhausgas- und VOC-Emissionen (Volatile Organic Compound) bieten. Ein weiteres Beispiel sind nachhaltige Verpackungslösungen der BASF. Dazu gehören Polyamidfolien für flexible Verpackungen, die einen geringeren Materialeinsatz als starre Verpackungen ermöglichen, wasserbasierte Harze für den flexiblen Verpackungsdruck, die Luftemissionen im Vergleich zu lösungsmittelbasierten Technologien verringern, und biobasierte und bioabbaubare Materialien, die bei Papier- und Kunststoffverpackungen eine bessere Umweltleistung ermöglichen. Die detaillierte Untersuchung und transparente Klassifizierung im Rahmen des von uns entwickelten Sustainable Solution Steering-Verfahrens ermöglichen es uns, gemeinsam mit unseren Kunden gezielt Produkte zu verbessern und gleichzeitig unser gesamtes Produktportfolio zu steuern.

Was ist notwendig, damit derart positive Produkte und Materialien noch öfter in der Industrie zum Einsatz kommen?

In unseren Kundenindustrien beobachten wir einen deutlichen Trend zu mehr Nachhaltigkeit. Die sich daraus ergebenden Chancen wollen wir durch Innovationen nutzen – vor allem in den von uns identifizierten Wachstumsfeldern. Gemeinsam mit unseren Kunden können wir gezielt noch nachhaltigere Produkte entwickeln und darüber hinaus Alternativen für Produkte finden, die unseren Ansprüchen nicht mehr genügen. Wir sorgen so dafür, dass unsere Lösungen die Nachhaltigkeitsbedürfnisse der Kunden noch besser erfüllen und richten gleichzeitig unser gesamtes Produktportfolio aktiv in Richtung Nachhaltigkeit aus.

Gibt es für alle industriell eingesetzten Chemikalien und chemischen Produkte inzwischen nachhaltige Ersatzlösungen?

Wir bei BASF sind ständig auf der Suche nach neuen Innovationen und Produkten, die nachhaltige Lösungen für globale Herausforderungen bieten. Ein Beispiel, wie wir die Nachhaltigkeitsleistung unserer Produkte weiterentwickeln, ist ein Kraftstoffadditiv der Marke Keropur. Solche innovativen Kraftstoffzusätze erhöhen die Effizienz in Verbrennungsmotoren. Das führt zu einem reduzierten Treibstoffverbrauch und dadurch zu einem verringerten Schadstoffausstoß. Keropur 3638 enthält jedoch ein flüssiges Kohlenwasserstoffgemisch. Dieses beinhaltet Naphthalin und ist daher als sogenannte CMR-Substanz (krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend) klassifiziert. Um Bedenken bezüglich der Arbeitssicherheit einiger unserer Kunden zu begegnen, wurde ein Forschungsprojekt angestoßen und eine Lösung erarbeitet. Kunden können nun als Alternative Keropur 3708 ohne CMR-Substanzen erhalten. Zu allen Produkten, die bei uns als „Challenged“ klassifiziert werden, wollen wir auch bei Portfolioänderungen und Produktneubeurteilungen zeitnah Aktionspläne entwickeln. Solche Aktionspläne können etwa Forschungsprojekte, Reformulierungen oder auch das Ersetzen eines Produkts durch ein Alternativprodukt umfassen. Ende 2016 lagen diese Aktionspläne für sämtliche „Challenged“-Produkte vor.

Welche für eine nachhaltige Entwicklung wichtigen Innovationen werden in den kommenden zehn Jahren (hoffentlich) ihren Durchbruch erleben?

Ein Wirtschaftsmodell der Zukunft ist aus unserer Sicht die Circular Economy. Dahinter steckt ein Wandel weg von einem linearen Wirtschaftsmodell hin zu einem System der geschlossenen Kreisläufe, angetrieben durch erneuerbare Energien. Bei diesem Wandel spielt die Chemieindustrie aufgrund ihrer Innovationskraft eine führende Rolle. BASF setzt Circular Economy bereits auf vielerlei Weise um. Ziel des Wirtschaftens im Kreislauf ist es, durch effiziente Verfahren wie Abfallvermeidung, Wiederverwertung, Reparatur, Wiederaufarbeitung und Recycling weniger Ressourcen zu verwenden. Dabei verfolgen wir zwei komplementäre Ansätze: Der „Keep it smart“-Ansatz verfolgt das Ziel, Prozesse und Produkte effizienter zu gestalten, sowohl in der eigenen Produktion als auch für unsere Kunden, um dadurch Abfälle zu vermeiden oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Unser zweiter Ansatz, der „Close the loops“-Ansatz zielt darauf ab, Kreisläufe zu schließen, beispielsweise indem Edelmetall aus gebrauchten Autokatalysatoren wiedergewonnen wird. Der Ansatz der Circular Economy ist zukunftsweisend und kann die Art des Wirtschaftens komplett verändern. Wichtig ist, dass das Denken im Sinne der Kreislaufwirtschaft sich dabei nicht nur auf unternehmenseigene Geschäftstätigkeiten konzentriert. Es muss vielmehr die gesamte Wertschöpfungskette einbeziehen, um auch Lieferanten und Kunden einen zusätzlichen Wert zu bieten.

Für viele Laien ist Chemie lediglich ein Fach, das man in der Schule hatte und bestenfalls abwählen konnte. Wie wollen Sie den Menschen in Schweden und Deutschland beibringen, welch große Bedeutung Chemie für unsere Umwelt hat?

BASF stellt Lösungen bereit, die uns ständig umgeben – auch wenn wir sie nicht immer wahrnehmen können. Sie helfen uns, die Dinge zu ermöglichen und zu verbessern, mit denen wir uns beschäftigen. Letztendlich ist die Chemie in unserem täglichen Leben die Chemie, die uns verbindet. Mit unserer Markenkampagne wollen wir der relevanten Öffentlichkeit erklären, was Chemie bei BASF wirklich bedeutet. Das zeigen wir anhand einfach verständlicher und realer Beispiele, in denen zwei Dinge dank Chemie eine harmonische Beziehung miteinander eingehen. Diese Anwendungsbeispiele veranschaulichen die Tatsache, dass „wir nicht einfach Chemikalien produzieren – sondern Chemie, die verbindet.“ Mit zahlreichen Angeboten engagiert sich die BASF zudem, um die Bildungslandschaft zu stärken und um Neugierde und Interesse an den Naturwissenschaften zu wecken. Ein Beispiel: Das Konzept der Schülerlabore besteht seit über 20 Jahren. Beim selbständigen Experimentieren erleben Kinder und Jugendliche die Faszination der Naturwissenschaften und lernen ihre Bedeutung für das tägliche Leben kennen. 2016 hatten die Kids’ und Teens’ Labs am Standort Ludwigshafen rund 19.500 Besucher. Wir leisten damit im Umfeld unserer Standorte einen wichtigen Beitrag zur Förderung von naturwissenschaftlicher Bildung.

Am 4. Oktober kommen Sie nach Stockholm und nehmen als Redner am Seminar „Diese Innovationen führen uns in eine nachhaltige Zukunft“ teil. Was erwartet die Teilnehmer dort?

Ein steigender Bedarf an Nahrung, sauberem Wasser und Energie, begrenzte Ressourcen und eine schnell wachsende Weltbevölkerung – dies alles miteinander in Einklang zu bringen, ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Innovationen aus der Chemie nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein, denn sie liefern einen entscheidenden Beitrag für neue Lösungen. In Stockholm werden wir über diese Schlüsselrolle der Chemie sprechen und darüber, wie wir zusammen mit unseren Partnern durch Innovationen aus der Chemie zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen. Ich freue mich auf den Dialog mit den Teilnehmern, um unsere gemeinsame Zukunft mitzugestalten.