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Was erwartet die Industrie von der nächsten schwedischen Regierung?

01.09.2022

Am 11. September gehen die Schwedinnen und Schweden an die Wahlurne und bestimmen einen neuen Reichstag. Die Deutsch-Schwedische Handelskammer hat einige Mitgliedsunternehmen gefragt, was sie von der nächsten schwedischen Regierung erwarten. Hier sind ihre Antworten.

Deutschland ist Schwedens größter Handelspartner. Die deutsche und die schwedische Wirtschaft sind in wichtigen Sektoren wie der Automobilindustrie, dem Maschinenbau, der Elektronik und der Rohstoffproduktion eng miteinander verflochten. Auch die Zusammenarbeit in den Bereichen Umwelt und Energie sowie Infrastruktur ist beispielsweise sehr umfassend.

Was ist Ihnen daher aus deutsch-schwedischer Sicht am wichtigsten?

Jennie Cato, Head of Public Affairs Scania

„Für Scania ist es im Moment das Wichtigste, eine Ladeinfrastruktur für Schwerlastfahrzeuge mit ausreichender Abdeckung und Kapazität zu schaffen. Aber um das Klimaabkommen kurz- und mittelfristig zu erfüllen, müssen wir auch mit Biokraftstoffen arbeiten. Die Verpflichtung zur Reduktion von Treibhausgasemissionen ist eine Voraussetzung für den Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen. Auch die Ladeinfrastruktur und nachhaltige Biokraftstoffe werden während der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft mit Beginn im Januar 2023 wichtige Themen sein. Schweden ist als Heimatmarkt für Scania im Vergleich zu Märkten wie Deutschland, Brasilien und Großbritannien recht klein, aber da ein großer Teil unserer Forschung und Entwicklung in Södertälje angesiedelt ist, ist es für uns äußerst wichtig, neue Technologien mit Kundinnen und Kunden in Schweden testen und erproben zu können.

Wir möchten auch an die Politik appellieren, den Dialog mit der Industrie zu verstärken. Die Industrie ist bereit. Wir treiben die grüne Transformation in unserer Branche bereits voran. Jetzt ist es wichtig, dass die Politik mit dem für uns notwendigen Tempo Schritt hält.“

Sofronios Kostelidis, CEO HOCHTIEF Schweden

„Von der neuen schwedischen Regierung würden wir uns Offenheit für partnerschaftlichere Vertragsmodelle zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen wünschen. Das ermöglicht mehr Transparenz und eine ausgewogene Risikoaufteilung, was letztlich Vertrauen bedeutet. Wenn potenzielle Auftragnehmer schon in den frühen Planungsphasen beteiligt werden, spart man wertvolle Zeit und – noch entscheidender – diese Firmen können ihr Know-how und ihre Erfahrung aus internationaler Tätigkeit passgenau in das konkrete Projekt einbringen. Ein großer Vorteil des Early Contractor Involvement (ECI). In der Vergangenheit gab es stattdessen häufig Unzufriedenheit auf beiden Seiten, hohe finanzielle Nachforderungen und große Bauzeitverzögerungen. Es wäre ein großer Erfolg, das in Zukunft auszuschließen oder stark zu reduzieren."

Pia Berglund, Global Director Regulatory Affairs Einride

„Einride ist ein relativ neues Unternehmen im Bereich des elektrischen, vernetzten und autonomen Transports. In Schweden gegründet, hat Einride die Basis für die Entwicklung und Erprobung seiner Produkte in Schweden. Das bedeutet, dass wir Investitionen in die Unterstützung von Tests und Innovationen sehen wollen, nicht zuletzt für neue Technologien wie autonome Fahrzeuge. Leider stellen wir fest, dass in Kommissionen und Gremien, wie der Elektrifizierungskommission, allzu oft nur die alte Industrie an den Tisch gebeten wird. Eine neue schwedische Regierung muss auch die disruptiven Unternehmen, zu denen Einride gehört, in die Elektrifizierung des Transports einbeziehen. Darüber hinaus haben wir große Hoffnungen, dass die nächste Regierung die schwedische Flagge während des schwedischen Ratsvorsitzes im Frühjahr 2023 hochhalten wird. Hier können neue Unternehmen wie Einride all die Möglichkeiten aufzeigen, die der Übergang mit sich bringt.„

Marc Hoffmann, CEO Eon Schweden

„Im Energiebereich gibt es mehrere Maßnahmen, die unabhängig von der jeweiligen Regierungsbildung umgesetzt werden müssen, nicht zuletzt, um den Ausbau des schwedischen Stromnetzes zu erleichtern und zu beschleunigen. Diese Maßnahmen sollten eine breite politische Unterstützung finden, da sie die Elektrifizierung Schwedens, die Stärkung der schwedischen Wettbewerbsfähigkeit und die Erreichung der Klimaziele beabsichtigen. Aber es ist wichtig, dass Entscheidungen nicht hinausgezögert werden. Die Herausforderung für die nächste Regierung wird darin bestehen, Zeit zu finden, um wichtige Entscheidungen zur Elektrifizierung während der nächsten Amtszeit zu prüfen und umzusetzen. Ein Beispiel für eine wichtige Maßnahme ist die Verkürzung der Vorlaufzeit für die Erteilung von Genehmigungen zum Ausbau des Stromnetzes. Ein weiteres Ziel ist die Beseitigung von Hindernissen für die lokale Stromerzeugung in Form der Kraft-Wärme-Kopplung.“

Magnus Strand, CEO DB Schenker Schweden

„Wir wollen klare und langfristige Regelungen in einer Reihe von Bereichen wie Nachhaltigkeit, Steuern und Elektrifizierung. Im Moment herrscht große Unsicherheit darüber, wie die Infrastruktur aussehen wird, was zum Teil mit der Energiekrise, die wir gerade erleben, zusammenhängt. Ich wünsche mir konkrete Antworten auf wichtige strategische Fragen. Wir sind bereit für Veränderungen. Aber wenn es um Investitionen geht, die mindestens zehn Jahre lang tragfähig sein müssen – kein Unternehmen will auf technologische Sackgassen setzen – möchte ich klare Handlungspläne sehen, die die Logistik der Zukunft der Umwelt zuliebe fördern. Die Politik muss in einer Reihe von Bereichen mehr tun, um sicherzustellen, dass die technologischen Lösungen, in die die Unternehmen investieren – ob es sich nun um Batterien oder Wasserstoff handelt – auch wettbewerbsfähig sind.

Schließlich hoffe ich, dass die nächste Regierung ernsthaft versteht, wie wichtig eine sichere und gefestigte Gesellschaft für uns alle ist. Sowohl große als auch kleine Unternehmen sind von der gegenwärtigen Unsicherheit stark betroffen.“

Tomer Feffer, CEO Bayer Schweden

„Für Bayer hat es Priorität, dass alle Bürgerinnen und Bürger Schwedens einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu fortschrittlichen Behandlungen haben. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Versorgung mit Lebensmitteln – trotz der anhaltenden lokalen und globalen Herausforderungen für unsere Landwirte – gesichert ist.

Angesichts einer alternden und wachsenden Bevölkerung sind Investitionen in fortschrittliche Technologien sowie die rechtzeitige und gerechte Bereitstellung von Technologien und Innovationen für den Einzelnen die einzige Möglichkeit, Nachhaltigkeit in der Gesellschaft voranzutreiben. Schweden ist seit langem ein Vorreiter in vielen Bereichen. Derzeit stehen wir jedoch vor mehreren Herausforderungen und Defiziten, wenn es darum geht die uns zur Verfügung stehenden Mittel optimal zu nutzen. Die nächste Regierung kann die Lebensqualität der Menschen verbessern, indem sie mehr in die Gesundheitsvorsorge investiert, mehr Menschen ermöglicht, dass ihre Krankheiten erkannt werden, Zugang zur besten verfügbaren Behandlung verschafft und die Nachsorge für die gesamte Bevölkerung verbessert.“