
Schweden hofft auf V-Verlauf des BIP – trotz schlechter Coronazahlen
08.06.2020
In den letzten Wochen scheint sich die Stimmung in der schwedischen Wirtschaft etwas verbessert zu haben, meint unser Senior Advisor Prof. Hubert Fromlet. Woran liegt das? Kann man jetzt aufatmen?
In Schweden hat man in den letzten Wochen angefangen, etwas weniger düster in die wirtschaftliche Zukunft zu schauen. Dies ist allerdings eine Frage der verbalen Interpretation.
Harte Fakten geben noch keine Auskunft
Zunächst sollte man sich fragen, worauf sich die leicht verbesserte Stimmung eigentlich gründet. Dafür gibt es folgende mögliche Erklärungen:
- die laut zahlreichen Ökonomen steigende Wahrscheinlichkeit, dass die schwedische BIP-Entwicklung einem V-Verlauf folgen wird
- die in jüngster Zeit erstaunlichen Zuwächse an der Stockholmer Börse, die nach außen nur so vor Kraft zu strotzen scheint
- die zuletzt etwas günstigeren Umfragewerte, wie zum Beispiel beim Einkäuferindex
- die jüngst wiedererstarkte Schwedenkrone, was teilweise als positives psychologisches Signal bewertet wird – aber wie immer mit Vorsicht zu genießen ist
- ein im ersten Quartal erreichtes kleines BIP-Plus (+0,1 Prozent bzw. +0,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal und Vorjahresquartal). Da Schweden im März weitaus weniger restriktiv für den sozialen Umgang als beispielsweise Deutschland reagierte, wird das BIP-Ergebnis für das zweite Quartal allerdings wesentlich interessanter.
Coronastatistik noch immer beunruhigend
In offiziellen schwedischen Kommentaren wird schon seit geraumer Zeit von Lichtblicken in der Pandemie gesprochen – Lichtblicke, die ich als langjähriger Statistiker beim besten Willen nicht ausmachen kann. So ist das Reiseziel Schweden in Deutschland und Österreich noch mit roter Warnflagge versehen. Inzwischen wird in Schweden endlich mehr getestet, was jedoch zu hinkenden historischen Vergleichen bei der Zahl der Neuerkrankungen führen könnte. Entwarnung kann deswegen noch lange nicht gegeben werden, auch nicht bei genauerer Analyse der Todesfälle.
Corona entscheidend für wirtschaftliche Entwicklung
In Schweden hat man bislang weitaus umfangärmere Corona-Hilfspakete geschnürt als in Deutschland. Falls aus der erhofften V-Entwicklung des BIP ein U oder ein L werden sollte, hat Schweden – wie schon mehrmals hier beschrieben – die klar besseren Haushaltsreserven als Deutschland. Die deutsche Regierung ist daher mit ihrem riesigen Konjunkturpaket nach jetzigem Stand stärker von einer V-Entwicklung im Jahr 2020/2021 abhängig als Schwedens Entscheidungsträger mit ihren bisherigen Maßnahmen.
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