Blaue Wand, Schatten von Menschen und der Text "Wirtschaftliche Einschätzungen zum Coronavirus. Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer"

Schweden 2021 und post coronam: Zeit für mehr Angebotspolitik

08.12.2020

Schon jetzt an die Zeit nach der Pandemie denken – das fordert unser Senior Advisor Prof. Hubert Fromlet von der schwedischen Wirtschaft und Politik.

Schweden post coronam enthält eine Vielzahl von Unsicherheiten und Risiken. Dennoch wäre es verkehrt, nicht schon jetzt an die Zeit nach Covid-19 zu denken. Dies gilt sowohl für die Politik als auch für die Wirtschaft. Allerdings lässt sich das Ende von Covid-19 nur schwerlich definieren.

Genaue Prognose für 2021 macht wenig Sinn

Normalerweise versuche ich kurz vor Weihnachten, die Konjunkturaussichten für das kommende Jahr so konkret wie möglich zu beschreiben. Dieses Mal ist es jedoch anders. Zu viele Einflussfaktoren nehmen sich zu unsicher aus.

Hierzu gehören unter anderem die immer noch ungebändigte und bislang allzu lang schlecht gemanagte Coronakrise in Schweden, die kommenden Impfergebnisse, die Verbreitung von Covid-19 auf wichtigen Exportmärkten, die Wirtschaftspolitik des baldigen US-Präsidenten Joe Biden und seiner Finanzministerin Janet Yellen, die Ungleichgewichte auf den Finanzmärkten plus plus potenzielle Bankenprobleme in etlichen Ländern, die komplett unvorhersehbaren Devisenmärkte einschließlich der Schwedenkrone, Chinas Expansion während des politischen Jubiläumsjahres 2021 sowie eine Vielzahl von politischen Risiken. Daher will ich mich auf eine Prognose mit Zahlen nicht einlassen.

Mehr Hoffnung für das zweite Halbjahr

In Schweden stehen plangemäße Wahlen zum Reichstag zwar erst 2022 an. Gleichzeitig sollte auch daran erinnert werden, dass in Schweden nach wie vor eine sozialdemokratisch-grüne Minderheitsregierung am Ruder ist, deren Schicksal 2020 einige Male am seidenen Faden hing.

Jetzt scheint es aber doch noch zu einigen Lockerungen beim Kündigungsschutz zu kommen – trotz des Widerstands etlicher Gewerkschaftsverbände; dies jedoch wohl nur, um die gelegentliche parlamentarische Unterstützung von zwei bürgerlichen Oppositionsparteien nicht zu verlieren.

Trotz aller Imponderabilien besteht Hoffnung auf eine bessere schwedische Konjunktur im zweiten Halbjahr 2021, vor allem bei hoher Impfquote und Impfstoffqualität.

All diese Risikofaktoren lassen keine durchdachten Prognosen mit akzeptabler Wahrscheinlichkeit zu, allenfalls Szenarien. Dennoch sollte man sorgfältiges und professionelles Prognostizieren nicht kategorisch von der Hand weisen – schon deshalb nicht, weil sich sonst Vergleiche einzelner Prämissen und Prognosen nicht durchführen ließen. Argumente für oder gegen die eine oder andere Position können daher schon studiert werden.

Trotz aller Imponderabilien besteht Hoffnung auf eine bessere schwedische Konjunktur im zweiten Halbjahr 2021, vor allem bei hoher Impfquote und Impfstoffqualität. Natürlich muss es auch zu offensichtlichen Erfolgen gegen Corona auf internationaler Ebene kommen. Noch ist es nicht soweit. Immerhin: Bei Vermeidung schwerwiegender Komplikationen lässt sich ein kraftvoller Aufschwung in einigen Quartalen nicht ausschließen.

Prioritäten setzen für Angebotspolitik

Schwedens Wirtschaftspolitik stand 2020 verständlicherweise im Zeichen von aktiver Nachfragepolitik – allerdings bei weitem nicht so aktiv wie in Deutschland. Daher hat sich die öffentliche Verschuldung in Schweden nicht sonderlich erhöht. Sie liegt im Vergleich zu den meisten anderen EU-Ländern noch immer auf einem niedrigen Niveau.

Das ergibt nach wie vor einen beachtlichen finanzpolitischen Spielraum, allerdings meines Erachtens nur, falls es zu einer weiteren Notlage kommen sollte. Daher sollte sich die schwedische Wirtschaftspolitik nach überstandener Coronakrise weniger auf kurzsichtige keynesianische Finanzpolitik konzentrieren als auf eine längerfristig wirksame Angebotspolitik.

In Schweden hat allein das Wort Angebotspolitik einen schlechten Klang.

In Schweden hat jedoch allein das Wort „Angebotspolitik“ einen schlechten Klang, oftmals gleichgesetzt mit sozialer Abrüstung. Dies ist jedoch falsch. Angebotspolitik zielt in erster Linie auf verbessere Strukturen und Wachstumsbedingungen für private Haushalte und Unternehmen ab und muss keineswegs Einsparungen bei sozialen Ausgaben bedeuten.

Es gibt viele andere Bereiche, die von Angebotspolitik profitieren könnten, beispielsweise Bildung/Ausbildung, Behörden, Gesundheitswesen, Forschung/Innovationen, Neugründungen von Unternehmen, Arbeitsmarkt (insbesondere für Jugendliche) und Inklusion.

Schlussfolgerungen

Nachfrage- und Angebotspolitik müssen sich nicht gegenseitig ausschließen, erst recht nicht bei gutem öffentlichen Schuldenstand. Der sichtlich sehr angestrengte schwedische Arbeitsmarkt könnte beide Politikformen auch nach Abklingen oder fast erreichtem Ende der Coronakrise gut gebrauchen, aber mit zunehmendem angebotspolitischem Zuschnitt. Strukturelle Angebotspolitik hilft auch am Arbeitsmarkt weiter.

Der Arbeitsmarkt und vor allem kleinere Dienstleistungsunternehmen verbleiben in vielerlei Hinsicht die Achillesferse der schwedischen Wirtschaftspolitik. Auch wenn derzeit konjunkturstützende Nachfragepolitik bevorzugt wird, sollte Angebotspolitik post coronam in den Vordergrund gestellt werden.

Geschieht dies, könnten sich die nach wie vor vorhandenen Kraftreserven in der schwedischen Wirtschaft sicherlich wieder gut entfalten.

Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und ein im Laufe von 2021 spürbar besseres Jahr!

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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