No-Gos im schwedischen Geschäftsleben

22.05.2014

Wer als Deutscher geschäftlich in Schweden zu tun hat, sollte unbedingt die größten Fettnäpfchen kennen. Ninni Löwgren, Leiterin der Abteilung Market Entry & Business Development der Deutsch-Schwedischen Handelskammer ist Expertin auf dem Gebiet der interkulturellen Zusammenarbeit. In unserem Experteninterview erläutert sie Ihnen, wie man im schwedischen Geschäftsleben erfolgreich besteht. Darüber hinaus berichten die Mitarbeiter der Deutsch-Schwedischen Handelskammer über ihre Erfahrungen mit beruflichen No-Gos.

Ninni Löwgren, Sie sind Deutsch-Schwedin und arbeiten seit mehr als einem Jahrzehnt mit bilateralen Wirtschaftsfragen. Als Expertin möchten wir von Ihnen wissen: Welche Bedeutung messen Sie Unterschieden in der Geschäftskultur sowie den damit verbundenden interkulturellen No-Gos im deutschen und schwedischen Geschäftsleben bei?

Auch wenn die Beachtung der interkulturellen Unterschiede nur eine kleine Facette in dem großen Ganzen der internationalen Zusammenarbeit darstellt, sind No-Gos dennoch unglaublich wichtig. Es gibt weiche Faktoren, die auf Werte, Regeln und Normen aufbauen und sich in Gefühlen, aktivem Handeln und Entscheidungen äußern. Im Geschäftsleben kommt es daher nicht immer nur auf Zahlen an. Wird gegen diese allgemein geltenden, häufig unbewussten Regeln verstoßen, kann es leicht zu unnötigen Fehlinterpretationen kommen.
In der bilateralen Zusammenarbeit geht es letztendlich um Kommunikation und Interaktion von Menschen. Im Prinzip gilt folgende Grundpsychologie: Verhalten Sie sich so, dass sich Ihr Gegenüber in der Situation bequem fühlt. Dann haben Sie größere Chancen, Ihr Ziel zu erreichen! Seien Sie sich der Tabus bewusst, die im Geschäftsleben Ihres Gegenübers gelten und handeln Sie entsprechend.

Wie tolerant sind Deutsche und Schweden im Umgang mit sogenannten No-Gos?

Im deutschen Arbeitsleben wird davon ausgegangen, dass man als Deutscher seine Spielregeln beherrscht. Verletzt man diese, ist die Toleranzschwelle extrem niedrig. Verstößt man als Deutscher wiederum gegen die Spielregeln im schwedischen Geschäftsleben, kann eher mal ein Auge zugedrückt werden. Ein Bewusstmachen dieser Tabus und derer Konsequenzen kann Sie vor unangenehmen sowie kontraproduktiven Situationen im Geschäftsleben bewahren. Mit Fingerspitzengefühl eingesetzt können No-Gos im Einzelfall dann sogar als taktisches Instrument genutzt werden, um ein klar definiertes Ziel zu erreichen. 

Haben Sie so eine Situation schon einmal erlebt?

(schmunzelt) Ja, in der Tat. Hier könnte man viele Anekdoten erzählen. In Göteborg hatten wir beispielsweise vor einigen Jahren eine Konferenz mit deutschen und schwedischen Unternehmen. Abends luden wir zum After-Work auf einen Schärendampfer ein. Ein Mitarbeiter eines deutschen Zulieferers kam gemäß seinem kulturell bedingten Dresscode eher locker gekleidet, das heißt mit rosa Polo-Shirt und einem über die Schulter geworfenen Pullover. Die Schweden hingegen erschienen in voller Abendgarderobe. Der Deutsche realisierte seinen Fauxpas schnell. Er hätte nach eigenem Empfinden den schwedischen Geschäftspartnern nach so einem „Auftritt“ unmöglich weiterhin auf Augenhöhe begegnen können. Er bestand darauf, sich umziehen zu dürfen, was wir ihm natürlich diskret ermöglichten.
Generell gilt nämlich in Schweden: Während der Arbeit ist man eher leger gekleidet, nach Feierabend wiederum wirft man sich in Schale.

Kann das Nichtbeachten von No-Gos also geschäftsschädigende Auswirkungen haben?

Ja, auf jeden Fall! Legt der Deutsche beispielsweise alle Meetings mit seinen schwedischen Geschäftspartnern auf nach 16 Uhr oder formuliert der Schwede dauerhaft kein klares „Nein“ zu Vorschlägen, die der deutsche Partner umsetzen möchte, kann dies mittelfristig zu einer erschwerten Zusammenarbeit führen. Jeder Business-Case sollte natürlich auch im Hinblick auf eine gut funktionierende längerfristige Zusammenarbeit angegangen werden. In der bilateralen Zusammenarbeit gibt es kein schwarz oder weiß, sondern es muss mit den vorhandenen Synergien gearbeitet werden. Das heißt, Sie sollten sich der No Gos bewusst sein und sich an diese anpassen, sich allerdings niemals verstellen. Bleiben Sie sie selbst! 

Die Ursache ist also die Lösung? Das heißt Kommunikation?

Ganz genau, aber bewusst bitte: Es zählt hierbei sehr stark die emotionale Intelligenz, nicht nur der IQ. Man muss verstehen, dass sich jede Situation, jeder Geschäftspartner anders definiert. Man kann das Wissen über No-Gos und kulturelle Unterschiede als einen Werkzeugkasten voller Instrumente beschreiben. Ist man smart, nutzt man diesen aktiv und bewusst, um sein Ziel zu erreichen. Damit bleibt man auch erfolgreich im Spiel.

 

Mitarbeiter der Deutsch-Schwedischen Handelskammer berichten über No-Gos im schwedischen Geschäftsleben:

Sophia Loader, Mitglieder & Events

Ein Meeting sollte in Schweden nie nach 16 Uhr terminiert werden. Viele schwedische Chefs holen dann nämlich ihre Kinder aus dem Kindergarten ab. An einem 13. Dezember eine Besprechung einzuplanen, gilt ebenfalls als No-Go. An diesem Tag feiert man in Schweden Lucia und auch leitende Mitarbeiter gehen entweder vor- oder nachmittags in die Schule ihrer Kinder, um sich dort die Luciafeier anzuschauen.

Magnus Brink, Market Entry & Business Development

Die Fika ist eine schwedische Tradition. Man trifft sich zu einer Tasse Kaffee und etwas Süßem. In vielen Büros ist eine wöchentliche Fika Teil der Arbeitskultur und auch der Arbeitszeit. Man bespricht berufliche wie auch private Belange. In diesem Zusammenhang ist es aber ein absolutes No-Go, das letzte Stück Kuchen vom Teller zu nehmen. Zuvor muss man sich auf jeden Fall das Einverständnis aller Beteiligten gesichert haben.

Emma Löfvenberg, Mitglieder & Events

In der schriftlichen Kommunikation kann man im Schwedischen ziemlich informell sein, das heißt keine Titel, man spricht den anderen mit Vornamen an, kann Ausrufezeichen verwenden, wünscht dem anderen einen schönen Tag/Nachmittag/Wochenende usw. Zu siezen, wie es in Deutschland gang und gäbe ist, wirkt aufgesetzt und distanziert. Das "Du" ist in Schweden an der Tagesordnung.