Bild: Cowomen / Unsplash

Internationaler Frauentag 2023 – endlich breiter denken!

07.03.2023

Anlässlich des Internationalen Frauentags 2023 schreibt der Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer, Prof. Hubert Fromlet, dass sich die Situation der Frauen weltweit zwar deutlich verbessert hat, aber noch viel zu tun ist.

Es ist natürlich gut, zum Internationalen Frauentag am 8. März mal wieder festzustellen, dass sich die Position der Frau in der Gesellschaft Schwedens und vieler anderer Länder in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten sichtbar verbessert hat – allerdings bei weitem noch nicht genug.

„Jetzt ist es endlich an der Zeit, auch Frauen in Wirtschaft und Verwaltung unterhalb der Führungsebenen deutlicher zu motivieren und zu befördern.“

Jetzt ist es endlich an der Zeit, auch Frauen in Wirtschaft und Verwaltung unterhalb der Führungsebenen deutlicher zu motivieren und zu befördern. Das könnte sich auf mittlere Sicht bei entsprechendem Durchbruch sogar makroökonomisch positiv auswirken.

Wo bleibt die Logik in der Praxis?

Unternehmerinnen und Unternehmer sprechen gern vom Wachstumspotenzial für einzelne Unternehmen, aber auch für ganze Volkswirtschaften – nicht selten unter Bezugnahme auf die wirtschaftlichen Aspekte der Gleichberechtigung von Frau und Mann.

„In der Regel geht es in diesen Gleichberechtigungsdebatten um die weibliche Besetzung von Vorstands- und Aufsichtsratsposten.“

In der Regel geht es in diesen Gleichberechtigungsdebatten um die weibliche Besetzung von Vorstands- und Aufsichtsratsposten. Auch hier kann nach wie vor mehr getan werden – aber insgesamt noch viel mehr, wenn es um Frauen geht, die im “middle management” oder organisatorisch darunter eingebunden sind.

In diesen Bereichen sind viel mehr weibliche Arbeitskräfte angesiedelt als auf den Führungsebenen, was bei verbesserter weiblicher Gleichberechtigung durch eine breite Humankapitalbildung über Bildung, Ausbildung und mehr Verantwortung zu deutlich positiven Mengeneffekten führen sollte. Hier handelt es sich um eine recht einfache Logik, ausgehend von mehr Breitenwirkung und Durchschlagskraft.

Statistisch lässt sich für die angesprochene Berufsgruppierung nicht allzu viel finden, wenn man weibliche Arbeitskräfte organisatorisch unter dem erfassten Niveau von “middle management” und “senior” berücksichtigen will. Die zwei letztgenannten zwei weiblichen Berufsgruppen von ”middle” und ”senior” werden zumindest von der Weltbank / International Labour Organization ausgewiesen, wobei sich hier für Schweden ein günstigeres Bild ergibt als beispielsweise für Deutschland. In vielen Ländern liegt die entsprechende weibliche Beteiligungsrate zur Zeit bei 30-40 Prozent. Da ist zweifelsohne noch viel Luft nach oben. Unterhalb der zuvor zitierten weiblichen Gruppierung von ”middle management” und ”senior” vermutlich sogar noch mehr.

„Der Grenznutzen durch bessere Humankapitalbildung in diesen Bereichen könnte beträchtlich sein.“

Es ist zudem an der Zeit, dass sich auch Statistik und Forschung mehr um die Interessen ambitionierter Frauen in den hierarchisch etwas niedrigeren Ebenen kümmern. Der Grenznutzen durch bessere Humankapitalbildung in diesen Bereichen könnte beträchtlich sein.

Die Wissenschaft unterstützt Humankapitalbildung

Es gibt viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Humankapital als sehr wichtigen oder gar entscheidenden Faktor für Produktivitätsverbesserungen betrachten – und damit für höheres Wachstum in einer Volkswirtschaft. Bei diesen Erkenntnissen – unterstützt u.a. durch die Forschungsresultate von Nobelpreisträgern wie Robert Lucas und Paul Romer – würde es sich meines Erachtens sogar als fahrlässig ausnehmen, eine derart große und wichtige Gruppe von Arbeitskräften bei der Gleichberechtigung außen vor zu lassen.

Bleibt die Zusammenfassung: Wenn die heutige Situation in den angesprochenen weiblichen Arbeitnehmersphären wesentlich verbessert werden könnte, hätten wir mittelfristig neben besserer Gleichberechtigung auf breiter Basis auch einen wesentlichen potenziellen Wachstumsfaktor für die ganze Volkswirtschaft. Dies wäre auch günstig im Hinblick auf die kommenden demografischen Probleme und den Arbeitskräftemängel in einer Vielzahl von Ländern – nicht zuletzt in Deutschland, aber auch in Schweden.

Allerdings muss die Gesellschaft hierfür in voller Breite mitmachen: seitens der Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung, der Unternehmen und Beschäftigten, der Tarifparteien, der Politik, der Medien und anderer relevanter Institutionen.

Kontakt

Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer