Thomas Fuchs, Martin Jensen, Ninni Löwgren Tischer, Karin Bock-Häggmark und Peter Berg

Die Diskutanten (v. li.): Thomas Fuchs, AGA, Martin Jensen, ehem. Tui.com, Ninni Löwgren Tischer, DSHK, Moderatorin Karin Bock-Häggmark und Peter Berg, Ledarna.

Thomas Fuchs

In Schweden wird man als Chef auf eine andere Art in Frage gestellt, sagte Thomas Fuchs.

Martin Jensen

Nach Schweden zurückzugehen war schwieriger als zuerst nach Deutschland zu ziehen, berichtete Martin Jensen.

Das Publikum beim Managementseminar am 18. Mai

Der Seminarraum der Handelskammer war fast bis auf den letzten Platz besetzt.

Ninni Löwgren Tischer

Als Chef in Deutschland gilt es, klare Ansagen zu machen, sagte Ninni Löwgren Tischer.

Peter Berg

Wenn man bei allen informellen Gesprächen, die am Arbeitsplatz geführt werden, nicht außen vor sein will, muss man die lokale Sprache lernen, meinte Peter Berg.

Karin Bock-Häggmark

Die deutsch-schwedische Journalistin Karin Bock-Häggmark moderierte die Diskussion.

Die Seminarteilnehmer im Gespräch miteinander beim Frühstück im Foyer der Handelskammer.

Vor dem Seminar gab es Frühstück im Foyer der Handelskammer.

Jens Skaring im Gespräch

Jens Skaring, Swedbank, kam mit anderen Seminarteilnehmern ins Gespräch.

Inger Finell Kylberg im Gespräch mit Karin Bock-Häggmark.

Inger Finell Kylberg, Appelberg, und Karin Bock-Häggmark.

„In Deutschland wird man zum Chef gemacht – in Schweden muss man sich die Führungsrolle verdienen“

29.05.2017

Die Erwartungen an den jeweiligen Führungsstil sind für Schweden, die als Chef in Deutschland arbeiten, und Deutsche, die leitende Positionen in Schweden übernehmen, sehr unterschiedlich. Dies betonten die Diskussionsteilnehmer des von der Deutsch-Schwedischen Handelskammer und der Führungskräfteorganisation Ledarna organisierten Frühstücksseminars über deutsches vs. schwedisches Management am 18. Mai.

„Als ich nach Deutschland kam, wurde ich wirklich zum ‚Geschäftsführer‘. Für mich als Schwede spielte der Titel keine so große Rolle und anfangs benahm ich mich auch nicht wie ein deutscher Chef. Aber als die Mitarbeiter erfuhren, welche Position ich hatte, erhoben sie sich buchstäblich von ihren Stühlen und begannen, mich komplett anders zu behandeln. Und wenn ich etwas sagte, wurde es erledigt – teilweise auch dann, wenn einfach nur eine spontane Idee aus mir herausgesprudelt war“, sagte Martin Jensen, der bei der Tui.com GmbH in Berlin, der Online-Sparte des deutschen Reisekonzerns Tui, drei Jahre lang Geschäftsführer war.

Als schwedischer Geschäftsführer mit Erfahrung aus Deutschland diskutierte er deutsch-schwedisches Management mit dem Deutschen Thomas Fuchs, Vertriebsleiter Nordeuropa beim Gashersteller AGA AB, und den Unternehmenscoaches Ninni Löwgren Tischer von der Deutsch-Schwedischen Handelskammer und Peter Berg von Schwedens Chefverband Ledarna im Rahmen eines Seminars in der Handelskammer. Auch Thomas Fuchs sieht große Unterschiede zwischen Deutschland und Schweden, wenn es darum geht, wie Unternehmen geführt werden.

„In Deutschland wird man zum Chef gemacht – in Schweden muss man sich die Führungsrolle erst verdienen. Man wird hier als Manager auf eine andere Art und Weise in Frage gestellt. Die Diskussionen mit den Mitarbeitern sind viel offener, man tauscht sich viel mehr mit seiner Umgebung aus. Ich empfinde das als positiv, man kann gemeinsame Gedanken entwickeln. Mir war dieser Unterschied nur nicht so bewusst, als ich nach meinen ersten Jahren in Schweden wieder zurück nach Deutschland gezogen bin. Im ersten Meeting nach meiner Rückkehr sollten wir eine bestimmte Frage behandeln und ich sagte zu den anderen Teilnehmern, dass wir das doch etwas diskutieren könnten. Das funktionierte überhaupt nicht. Die anderen schauten mich an, als käme ich von einem anderen Planeten“, berichtete Thomas Fuchs.

Deutsche erwarten klare Ansagen vom Chef

Ninni Löwgren Tischer, die in ihrer Position als Abteilungsleiterin für Market Entry & Business Development bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer tagtäglich auf deutsche und schwedische Entscheider aus Unternehmen, Organisationen und Behörden trifft, bestätigte das Gesagte:

„In Deutschland bekommt man die Rolle des Geschäftsführers tatsächlich zugeteilt – man muss diese aber auch erfüllen. Als Manager gilt es, klare Ansagen zu machen. Wenn Sie dies nicht tun und Ihre Entscheidungen mehr als einmal erklären müssen, werden Sie in Frage gestellt“, unterstrich sie.

„In einem meiner Coaching-Gespräche mit Führungskräften traf ich einmal einen deutschen Geschäftsführer in Schweden, der das Konzept ‚Feedback‘ nicht begreifen konnte. Er war der Ansicht, dass es gut für die Mitarbeiter war, aber verstand nicht, warum er als Chef Feedback von ihnen bekommen sollte. Hier in Schweden sind wir das ja gewohnt, aber für ihn war es unbegreiflich. Das Ganze endete dann damit, dass er anfing vorzutäuschen, das an ihn gerichtete Feedback zu beherzigen, um in Schweden erfolgreich sein zu können“, fügte Peter Berg von Ledarna hinzu.

Keine Gleichstellung im deutschen Arbeitsleben

Ein anderer merkbarer Unterschied zwischen den beiden Ländern, der während der Diskussion aufgegriffen wurde, ist die Geschlechterfrage. Die Teilnehmer machten darauf aufmerksam, dass der Grad der Gleichstellung zwischen Männern und Frauen in Schweden deutlich höher sei und dass sich dies im Arbeitsleben bemerkbar mache.

„In gewissen Zusammenhängen und Meetings in Deutschland redet man nicht besonders positiv über Frauen. In Schweden ist man auf diesem Gebiet schon weiter. Hier gibt es bestimmte Kommunikationsregeln und die meisten halten sich daran“, sagte Thomas Fuchs.

„Es ist klar, dass es auch in Schweden Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, aber in Deutschland sind diese viel größer. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sehr viele talentierte Frauen in Deutschland gibt, die daheim sitzen, weil sie sich um die Kinder und den Haushalt kümmern. Und die Frauen, die sich für Jobs in Führungspositionen entscheiden, müssen dafür insofern bezahlen, dass sie im Privatleben kürzer treten müssen. Aber es liegt vielleicht etwas weniger Druck auf den Frauen, in allem gleichzeitig perfekt zu sein – Job, Familie, Haushalt, Freizeit – wie man es in Schweden spüren kann. In Deutschland kann man sich entscheiden, ob man zum Beispiel nur Karriere machen oder sich nur auf die Familie konzentrieren möchte – in diesem Punkt ist es etwas entspannter“, sagte Martin Jensen.

Ninni Löwgren Tischer betonte einen anderen Aspekt, der an die deutsche Art der Unternehmensführung anknüpft: „Natürlich kann es in Deutschland schwierig sein, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Aber ist man einmal so weit gekommen, dass man zum Geschäftsführer oder Leiter ernannt wird, spielt das Geschlecht keine so große Rolle mehr. Ist man Chef, dann hat man die Entscheidungsgewalt – da ist die Rolle wichtiger als die Person, die sie innehat“, sagte sie.

Englisch allein reicht nicht

Eine weitere wichtige Frage betrifft, welche Sprache man als Chef spricht. Mit Englisch kommt man auf beiden Seiten der Ostsee recht weit, aber will man wirklich verstehen, was im Unternehmen vor sich geht, gilt es, die Sprache zu lernen, in der die Mitarbeiter miteinander kommunizieren – sowohl in Deutschland als auch in Schweden.

„Viele Unternehmen haben Englisch als Konzernsprache. Aber hier in Schweden wird in informelleren Zusammenhängen weiterhin viel Schwedisch gesprochen – am Kopierer, an der Kaffeemaschine, beim Mittagessen oder in kleineren Meetings. Wenn man als Chef bei solchen Gesprächen – die je nach Situation ja sehr wichtig sein können – nicht außen vor sein will, muss man Schwedisch lernen. Das kann für ausländische Manager eine große Herausforderung sein“, sagte Peter Berg.

„Wenn wir, Deutsche und Schweden, auf Englisch miteinander reden, glauben wir, dass wir eine neutrale Sprache verwenden, die beide Seiten gleichermaßen verstehen. Aber Englisch ist keine neutrale Sprache. Wir, die diese Sprache benutzen, füllen sie mit unseren eigenen Attributen, Gedanken und Interpretationen, die beim Gegenüber nicht immer in gleicher Weise ankommen. Deswegen kann es oft zu Problemen kommen, wenn wir Englisch in interkulturellen Zusammenhängen benutzen – es ist nämlich nicht dieselbe Sprache für alle“, fügte Ninni Löwgren Tischer hinzu.

Neue Konflikte nach der Rückkehr

Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig darin, dass man sich verändert, wenn man als Manager in einem anderen Land arbeitet – auch auf der persönlichen Ebene. Wenn man anschließend in das alte Heimatland zurückkehrt und wieder auf die einheimische Geschäftskultur trifft, kann es dann zu neuen Konflikten kommen.

„Es war viel schwieriger, zurück nach Schweden zu gehen, als zuerst nach Deutschland zu ziehen. Ich hatte mich ja verändert, aber zu Hause war alles immer noch gleich – das war ein ziemlich deprimierender Gedanke“, sagte Martin Jensen.

„Für mich war das erwähnte erste Meeting nach meiner Rückkehr nach Deutschland ein großer Schock. Da verstand ich erst, wie stark ich mich durch die Reise verändert hatte. Es ist tatsächlich ein ziemlich großer Schritt, im Ausland zu arbeiten – über den man vorher vielleicht gar nicht so viel nachdenkt“, fügte Thomas Fuchs hinzu.

Nutze die Unterschiede

Positiv an der Auslandserfahrung ist hingegen, dass man zwei Geschäftskulturen kennenlernt und die jeweils besten Aspekte der beiden in seinen Führungsstil einbauen und nutzen kann. Ist man sich nur der Unterschiede bewusst, kann man sie als Werkzeuge einsetzen und je nach Situation etwas „deutscher“ oder „schwedischer“ handeln.

„Es gibt ja bestimmte Erwartungen in einer schwedischen Organisation, wenn ein neuer deutscher Chef ernannt wird. Zum Beispiel wird von einem erwartet, dass man eine gewisse Art von Struktur schafft. Man kann ja etwas auf dieser Klaviatur spielen, wo es einem gelegen kommt. In anderen Situationen kann man sich stattdessen etwas schwedischer verhalten“, sagte Thomas Fuchs.

„Als Schwede ist man äußerst beliebt in Deutschland. Dort liebt man ja alles, was schwedisch ist – von Astrid Lindgren über ABBA bis hin zu Ikea. Das bedeutet, dass man sich als schwedischer Chef relativ viel erlauben kann. Nutzen Sie das aus! Aber erklären Sie Ihren Mitarbeitern, warum Sie eine bestimmte Angelegenheit auf eine gewisse Art und Weise lösen wollen. Dann können sie das nachvollziehen und sich danach richten“, sagte Martin Jensen.

Generell war das Panel der Meinung, dass sogenannten weichen Faktoren wie interkulturellen Unterschieden im praktischen Arbeitsleben oft zu wenig Aufmerksamkeit zukommt. Die Auswirkungen der Handhabung dieser Faktoren mögen schwer in Zahlen zu messen sein, aber sie können für den Erfolg eines Unternehmens auf verschiedenen Märkten sehr wohl entscheidend sein.