
Innovation High Fashion: Der Fußbodenhersteller Bolon wandelte sich vom Campingausrüster zu einem Designunternehmen.
Foto: Bolon
Deutschland und Schweden führend im Bereich Innovation
03.04.2014
„Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen“, sagen Annica und Marie Eklund von Bolon, einem kleinen schwedischen Unternehmen, das mit Kunststoffböden auf der ganzen Welt Designstandards setzt. Kreative Unternehmen wie Bolon bescherten Schweden zum wiederholten Mal den ersten Platz im Innovationsranking der Europäischen Kommission. Auch Deutschland gehört demnach zu den Spitzenreitern in Europa. Damit das auch in Zukunft so bleibt, haben beide Länder unterschiedliche Strategien entwickelt.
Als die beiden Schwestern Annica und Marie Eklund vor zehn Jahren das Familienunternehmen Bolon im schwedischen Ulricehamn übernahmen, stellten sie noch Plastikböden und Teppiche für Wohnwagen her. Unter der Leitung ihres Vaters hatte das Unternehmen einen speziellen Bodenbelag aus gewebtem Vinyl entwickelt – praktisch und stabil.
Imagewandel vom Campingausrüster zum Designunternehmen
Die Schwestern wollten eine neue Richtung einschlagen und starteten einen Imagewandel. Heute setzt das Unternehmen auf Design. Kunstschaffende wie Rosita Missoni oder Paul Smith haben bereits Böden für Bolon kreiert. Für die aktuelle Kollektion „Silence“ wurde die Firma kürzlich mit dem Red Dot Design Award 2014 ausgezeichnet.
Innovation ist heute ein Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Erfolg. Produkte werden komplexer und können immer schneller produziert werden. Außerdem müssen Unternehmen im weltweiten Wettbewerb mithalten. Dabei muss Innovation nicht immer gleichbedeutend sein mit bahnbrechenden Erfindungen und originellen Geistesblitzen. Beispiele wie Bolon zeigen, dass auch die Weiterentwicklung oder Verbesserung von Geschäfts- und Managementkonzepten innovativ sein kann.
Schrittweise Weiterentwicklung statt Geistesblitz
Nils Nilsson, stellvertretender Leiter des Instituts für Organisation und Betriebswirtschaft an der Linné-Universität in Kalmar, unterscheidet zwischen radikaler und inkrementeller Innovation: „Ein Beispiel ist Ikea. Als Ingvar Kamprad die Idee hatte, Möbel in flachen Pakten zu verkaufen, war das eine radikale Innovation. Doch jetzt setzt das Unternehmen auf schrittweise Verbesserungen des Geschäftsmodells. Das ist inkrementelle Innovation”, erklärt Nilsson.
Auch Bolon profitiert noch immer von der Grundidee des Unternehmens, Fußböden aus Kunststoff herzustellen. Doch während Bolonböden vor zehn Jahren hauptsächlich in Wohnwägen eingebaut wurden, findet man sie heute auf einer Theaterbühne in Warschau, in der Adidas-Zentrale in Shanghai oder in einer 600 Jahre alten Kirche in den Niederlanden. Marie und Annica Eklund machten aus dem praktischen Bolon-Kunststoffboden ein Designobjekt. In den vergangenen zehn Jahren konnten sie damit den Umsatz ihres Unternehmens vervierfachen.
Deutschland und Schweden unter den innovativsten EU-Ländern
Um der Bedeutung von Innovation für unser Wirtschaftssystem gerecht zu werden, führte die EU-Kommission 2013 ein neues Innovationsranking ein. Der „Indikator für Innovationsleistung” berücksichtigt, ob in innovativen Ländern auch wirklich Arbeitsplätze entstehen und ob die Wettbewerbsfähigkeit wächst.
In der neuesten Rangliste, die Anfang März 2014 veröffentlicht wurde, landet Schweden wiederholt auf dem ersten Platz, dicht gefolgt von Dänemark und Deutschland. Zusammen Finnland bilden die vier Staaten die Gruppe der „Innovation leaders“.
Innovationsmotor Unternehmenskultur
Doch wie entsteht eigentlich Innovation? Um dies herauszufinden, wurden für eine Studie, die im Journal of Marketing veröffentlicht wurde, mehr als 700 Unternehmen in 17 Ländern befragt. Das Ergebnis: Der wichtigste Innovationsmotor ist die Unternehmenskultur.
Annica Eklund von Bolon bestätigt das: „Wir erkennen Chancen und Potentiale, wir begrenzen uns niemals und sind immer neugierig.“ Die beiden Schwestern wollen ihr Unternehmen permanent weiterentwickeln. Bewegung ist einer der zentralen Werte des Unternehmens.
Prinzip Schokokuchen in Schweden
Darüber hinaus versucht auch die Politik ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen und zu fördern.
In Schweden sind viele verschiedene Behörden und Institute für die Innovationsförderung verantwortlich, unter anderem die Wirtschaftsförderungsagentur (Tillväxtverket), die Innovationbehörde (Vinnova), die Beratungsstelle für Unternehmensgründer (Almi Företagspartner) und die schwedische Energiebehörde (Energimyndigheten).
„Wir vergleichen die Innovationsförderung hierzulande gern mit einem schwedischen Schokoladenkuchen, der aus vielen verschiedenen Zutaten besteht”, erklärt Kalle Westberg von der Entwicklungsabteilung bei Tillväxtverket.
Fraunhofer-Institute zentraler Bestandteil deutscher Innovationsförderung
In Deutschland fördert die Bundesregierung eine bessere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Eine zentrale Rolle spielen dabei die 66 Fraunhofer-Institute für angewandte Forschung. Mit insgesamt 22.000 Mitarbeitern forschen sie im Auftrag der Unternehmen.
„Wir fördern Innovation, schaffen Akzeptanz für neue Technik und bilden die Forscher und Ingenieure der Zukunft aus”, sagt Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. Eine weltbekannte Innovation, die an einem Fraunhofer-Institut entwickelt wurde, ist das MP3-Format.
Internationale Zusammenarbeit fördern
Doch trotz der Spitzenplätze, die Deutschland und Schweden in der Innovationsliga einnehmen, gibt es Anlass zur Sorge. So waren die schlechten Ergebnisse der Pisa-Studie von 2013 in beiden Ländern ein Warnsignal, meint Torben Schubert, Projektleiter am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe und Professor am Forschungszentrum Circle im schwedischen Lund: „Die mangelhaften Kenntnisse der Schüler können langfristig ein Problem werden. Wissen und Innovation gehören untrennbar zusammen.”
Die Fraunhofer-Gesellschaft versucht deshalb, mit verschiedenen Initiativen kluge Köpfe zu fördern: „Wir haben die Initiative Fraunhofer Talent für Schüler gestartet. Und da alle Fraunhofer-Institute an Universitäten gekoppelt sind, geben wir jungen Studenten die Möglichkeit, bei Forschungsprojekten mitzuarbeiten. So erlangen sie wertvolle Arbeitserfahrung für eine spätere Karriere in der Wirtschaft“, erklärt Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer.
Außerdem, so Neugebauer, sei es wichtig, das vorhandene Wissen besser zu vernetzen: „Um unsere Spitzenkompetenz zu behalten, müssen wir die europäische Forschungsarena weiterentwickeln und die Forschung noch weiter internationalisieren.“