
„Wir dürfen uns nicht scheuen, alte Pfade zu verlassen!“
09.07.2025
Als die buchaktuelle KI-Expertin Sonja Galkin die Deutsch-Schwedische Handelskammer besuchte, machte sie deutlich: Technologischer Fortschritt duldet keinen Aufschub. Mit Einblicken in deutsche und schwedische Geschäftskulturen zeigt sie, wie kulturelle Unterschiede Strategien prägen – und warum Schweden für KI im öffentlichen Sektor einzigarte Voraussetzungen hat.
Sonja Galkin arbeitet als Geschäftsbereichsleiterin bei der H&M-Gruppe. Sie ist Expertin für künstliche Intelligenz und hält Schulungen und Vorträge. Vor kurzem besuchte sie die Handelskammer und organisierte ein KI-Seminar. Sie hat soeben ein Buch darüber veröffentlicht, wie Unternehmen den Einstieg in die künstliche Intelligenz schaffen, mit den schnelllebigen Technologien Schritt halten und ihre MitarbeiterInnen weiterbilden können.
Deutsch-Schwedische Handelskammer: Wie unterscheiden sich die KI-Strategien Deutschlands und Schwedens Ihrer Meinung nach?
Sonja Galkin: Die schwedische KI-Strategie weist in vielen Aspekten Parallelen zur deutschen KI-Strategie auf, doch sticht sie meiner Meinung nach durch einen klaren Fokus auf die positiven Auswirkungen der Technologie für die schwedische Bevölkerung hervor. Dabei werden die potenziellen Risiken keineswegs außer Acht gelassen.
„Bemerkenswert ist die explizite Aufforderung an die gesamte Bevölkerung, durch kontinuierliches Lernen einen Beitrag zum Erfolg zu leisten.“
Bemerkenswert ist die explizite Aufforderung an die gesamte Bevölkerung, durch kontinuierliches Lernen einen Beitrag zum Erfolg zu leisten – ein Ansatz, der die individuelle Verantwortung betont. Ferner wird großes Potenzial im öffentlichen Sektor gesehen, da Schweden in diesem Bereich über eine umfangreiche und qualitativ hochwertige Datenbasis verfügt, die als essentielle Grundlage für die sinnvolle Anwendung von KI dient.
Deutschland hingegen legt einen starken Fokus auf die menschenzentrierte KI-Entwicklung. Außerdem hat Deutschland einen umfassenden Rahmen für regulatorische Experimente in Form von “Reallaboren” aufgeführt, den ich in dieser Form in der schwedischen KI-Strategie nicht finden konnte.
Worauf führen Sie diese Unterschiede zurück?
Schwedens Betonung der individuellen Verantwortung für lebenslanges Lernen spiegelt aus meiner Sicht die tief verwurzelte gesellschaftliche Erwartung an Eigenverantwortung wider.
„Bezüglich des öffentlichen Sektors hat Schweden einen klaren Vorteil bei der Nutzung von KI, der sich maßgeblich auf die Datenverfügbarkeit zurückführen lässt.“
Bezüglich des öffentlichen Sektors hat Schweden einen klaren Vorteil bei der Nutzung von KI, der sich maßgeblich auf die Datenverfügbarkeit zurückführen lässt. Ich kann natürlich nur spekulieren, aber angesichts der Komplexität von Gesetzgebungsprozessen könnte Deutschlands Ansatz, durch Reallabore "regulatorische Experimente" durchzuführen, ein Versuch sein, nicht nur auf bestehende Regeln zu reagieren, sondern proaktiv an der Schaffung neuer Rahmenbedingungen mitzuwirken. Damit kann man agiler auf die Dynamik der KI-Entwicklung eingehen und einen Weg finden, der Innovation und Rechtssicherheit gleichermaßen fördert.
Sie sind selbst Deutsche, leben aber in Schweden – welche Unterschiede in der Geschäftskultur zwischen beiden Ländern sind für Sie am auffälligsten?
Ein Unterschied ist für mich, wie Entscheidungen getroffen werden. In Deutschland gibt es oft klare Hierarchien, während in Schweden viel mehr Wert auf Konsens und flache Strukturen gelegt wird. Pünktlichkeit und detaillierte Planung sind in Deutschland extrem wichtig. In Schweden erlebe ich eine größere Flexibilität und weniger Formalität, auch wenn Termine natürlich eingehalten werden.
Inwiefern haben diese kulturellen Unterschiede Ihre Arbeit beeinflusst?
Teamarbeit und Kollaboration sind in Schweden sehr wichtig. Meine Aufgabe als Führungskraft ist es, eine Umgebung zu schaffen, in der sich jeder sicher fühlt, Ideen einzubringen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, auch wenn das bedeutet, dass der Prozess weniger geradlinig verläuft.
Wenn Sie eines Tages nach Deutschland zurückkehren würden – welche Erfahrungen aus der schwedischen Geschäftskultur würden Sie mitnehmen?
Definitiv den Mut, Hierarchien abzubauen und mehr Eigenverantwortung an Teams zu delegieren.
„Definitiv den Mut, Hierarchien abzubauen und mehr Eigenverantwortung an Teams zu delegieren.“
Ich habe hier gelernt, dass Mitarbeiter oft weit über ihre Erwartungen hinauswachsen, wenn man ihnen Vertrauen schenkt und Freiräume gibt.
Was möchten Sie, das die Leserinnen und Leser aus Ihrem Buch mitnehmen?
Ich hoffe, mein Buch vermittelt die Begeisterung für das Neue, das vor uns liegt, und weckt den Mut, sich darauf einzulassen. Gleichzeitig soll es ein klarer Weckruf sein: Die Dringlichkeit der aktuellen Situation erfordert, dass wir jetzt handeln und uns nicht scheuen, alte Pfade zu verlassen.
Buch bestellen
Das Buch Künstliche Intelligenz - Dein Ticket in die Zukunft: Ein kompakter Einstieg richtet sich an Einsteiger:innen, Fach- und Führungskräfte, die einen praxisnahen und leicht zugänglichen Einstieg in das Thema Künstliche Intelligenz suchen. Es enthält zudem einen deutsch-schwedischen Vergleich. Das Buch ist über Amazon bestellbar.