Lina Håkansdotter. Foto: H2 Green Steel

Foto: Sandell Sandberg / H2 Green Steel

Öko-Stahl vom Polarkreis: Nordschwedisches Start-up treibt deutsche Energiewende an

Die Hoffnung auf klimaneutralen Stahl kommt aus der kleinen schwedischen Stadt Boden südlich vom Polarkreis. Hier entsteht das weltweit erste grüne Stahlwerk. Im Interview mit H2 Green Steel erfahren wir, was den Standort so attraktiv macht und warum es nicht überrascht, dass ein Großteil der Nachfrage aus Deutschland kommt.  

In einem Bericht der schwedischen Agentur für wirtschaftliches und regionales Wachstum aus dem Jahr 2022 heißt es, dass die neuen Investitionen in die CO2-neutrale Industrie in Nordschweden, wie z.B. die Errichtung einer Batteriefabrik und die Produktion von grünem Stahl, bis zu 40.000 neue Arbeitsplätze schaffen könnten. Die Deutsch-Schwedische Handelskammer führte ein Interview mit Lina Håkansdotter, Leiterin für Sustainability and Public Affairs bei H2 Green Steel, das mit dem Bau eines großen Stahlwerks mit nahezu Null-Emissionen im nordschwedischen Boden begonnen hat.

Frau Håkansdotter, können Sie die drei Säulen Ihres Geschäftskonzepts zusammenfassen? An wen richtet es sich?

Das Ziel von H2 Green Steel ist die Dekarbonisierung der Schwerindustrie durch grünen Wasserstoff, beginnend mit der Stahlindustrie, und zwar aus drei Gründen.

Erstens ist die Stahlproduktion für acht Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Zweitens verfügen wir über die Technologie, um die traditionelle Stahlherstellung im Hochofen zu ersetzen und dadurch die Kohlenstoffemissionen um 95 Prozent zu senken. Drittens besteht eine große Nachfrage in der Automobil-, Haushaltsgeräte- und Bauindustrie, die vor der Herausforderung steht, ihre CO2-Emissionen zu senken.

Wir arbeiten mit drei Ansätzen: Mit der Herstellung von Wasserstoff, grünem Eisen und grünem Stahl. In unserer ersten Anlage außerhalb von Boden werden wir alle drei Erzeugnisse produzieren, um unser Konzept unter Beweis zu stellen. Bei künftigen Projekten können wir uns auf die Produktion von grünem Eisen beschränken, oder Wasserstoff für die Umstellung eines anderen Industriezweiges nutzen.

H2 Green Steel ist ein wachsendes Unternehmen. Wie würden Sie die wirtschaftliche Situation des Unternehmens beschreiben? Wann kann die Produktion beginnen?

Die Produktion soll Ende 2025 anlaufen und 2026 hochgefahren werden. In den vergangenen Jahren haben wir Verträge mit Kunden und Lieferanten ausgehandelt, die die Grundlage für die Finanzierung bildeten. Parallel dazu haben wir mit den Erdarbeiten vor Ort begonnen und arbeiten seit dem Sommer daran, die Fundamente zu gießen. Am 20. November wurde der erste Teil des künftigen Stahlwerks vor Ort montiert – ein Grund zum Feiern für das ganze Unternehmen!

Dank Ihrer und einiger anderer wichtiger Initiativen für eine fossilfreie Stahlindustrie bzw. High-Tech-Industrie ist Norrbotten zu einer Region von Weltruf geworden. Gibt es aus Ihrer Sicht auch Herausforderungen, wie zum Beispiel einen möglichen Mangel an Elektrizität? Wie sehen Sie die Entwicklung dieser Region als Wirtschaftsstandort?

Wir haben uns für eine Investition in Nordschweden entschieden, weil es in der Region einen guten Zugang zu Ökostrom und Eisenerz gibt. Die notwendige Infrastruktur in Form von Zuganbindungen und Häfen ist ebenfalls vorhanden. Wir haben in Übereinstimmung mit unserer Strategie Stromverträge unterzeichnet und auch vom Eigentümer des Stromnetzes eine Kapazitätszuweisung erhalten. Elektrizität macht uns keine Sorgen, doch sehen wir einen großen Bedarf, die Stromproduktion in Südschweden auszubauen, um die Unterschiede bei den Strompreisen im Land zu verringern und die Umstellung auf fossilfreie Energie überall zu ermöglichen. 

„In Norrbotten im hohen Nordens Schwedens ist man voller Enthusiasmus und Glauben an die Zukunft.“

In Norrbotten im hohen Nordens Schwedens ist man voller Enthusiasmus und Glauben an die Zukunft. Wir arbeiten gut mit den Kommunen zusammen und kooperieren auch mit anderen großen Unternehmen in der Region, um Know-how zu generieren.

H2 Green Steel hat mehrere Aufträge erhalten und Verträge mit zahlreichen Partnern unterzeichnet, darunter die deutsche Thyssenkrupp Nucera, die mit dem Bau einer Elektrolyseanlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff beauftragt wurde. Mit einer Leistung von mehr als 700 Megawatt entsteht eine der größten Wasserelektrolyse-Anlagen in Europa. Welche Bedeutung hat der deutsche Markt für Ihr Unternehmen? Gibt es weitere Kooperationen mit deutschen Partnern und Kunden? 

Richtig, unser Lieferant für Elektrolyseure ist das deutsche Unternehmen Thyssenkrupp Nucera. Die Ausrüstung für das Stahlwerk kommt von der deutschen SMS Group. Darüber hinaus beinhalten die Zulieferungen von Midrex an unser Eisenschwammwerk Ausrüstungen des deutschen Unternehmens Paul Wurth. 

„Deutsche Unternehmen spielen eine wichtige Rolle bei der Umstellung der Stahlindustrie, da sie über ein umfangreiches Fachwissen verfügen.“ 

Mit anderen Worten: deutsche Unternehmen spielen eine wichtige Rolle bei der Umstellung der Stahlindustrie, da sie über ein umfangreiches Fachwissen verfügen. 

Außerdem ist Umweltschutz ein sehr wichtiges Thema für Deutschland, deutsche Unternehmen und deutsche Kunden. Daher überrascht es uns nicht, dass ein Großteil der Nachfrage nach grünem Stahl aus Deutschland kommt. Unser Stahl wird hauptsächlich von Unternehmen gekauft, die sich wissenschaftlich fundierte Ziele gesetzt und sich damit verpflichtet haben, ihre Emissionen auch bei den Vormaterialien zu reduzieren. Die meisten unserer Kunden kommen aus der Automobil-, Haushaltsgeräte- und Bauindustrie, beispielsweise BMW, Mercedes-Benz, Porsche, ZF Group, Adient, Bilstein, Mubea, Klöckner Group und Schaeffler. Einige von ihnen haben sich auch dazu entschieden, in uns zu investieren, was ein Beweis für unsere engen Partnerschaften ist. 

H2 Green Steel ist Mitglied der Deutsch-Schwedischen Handelskammer, was erhoffen Sie sich von der Mitgliedschaft?

Deutschland ist ein bedeutender Markt und ein wichtiger Handelspartner, deshalb sind wir natürlich an der deutschen Debatte, dem deutschen Blickwinkel und den deutschen Netzwerken interessiert. Inspiration finden und Geschäftsbeziehungen ausbauen, das ist es, was wir in erster Linie mit der Mitgliedschaft erreichen wollen.