Wie steht es um Schwedens Konjunktur?

03.11.2023

Die negativen Stimmen zu Schwedens Konjunktur scheinen in letzter Zeit weiter zugenommen zu haben, was teilweise auch auf die nach wie vor schwächelnde Schwedenkrone zurückzuführen sein sollte. Die Konjunkturaussichten beeinflussen dabei in hohem Maße die Budgetplanung einzelner Unternehmen für 2024. Daher ist es wichtig, sich nicht in reinem Herdenverhalten an die allgemeine Stimmungslage anzupassen. Stattdessen sollten – wenn möglich – auch aktuelle Konjunktur- und Barometerzahlen zur Analyse hinzugezogen werden, gerne mit Bezug auf die eigene Branche oder das eigene Unternehmen, meint Prof. Hubert Fromlet, Seniorberater der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

Klassifizierung einzelner Konjunkturindikatoren

Generell sollen die hier aufgeführten Konjunkturindikatoren mit drei verschiedenen Charakteristika versehen werden. Diese sind

  • (leicht) positive oder inzwischen weniger negative Konjunktursignale
  • neutrale Konjunktursignale
  • (leicht) negative Konjunktursignale

Quellen: Statistiska Centralbyrån, Konjunkturinstitutet

(Leicht) positive oder weniger negative Konjunkturindikatoren

  • Produzentenpreise (im Vergleich zum Vorjahresmonat)
    Sep -4,6 % (exkl. Energie aber bei +4,5 %)
    Aug -5,9 %
    höchster Wert bei zirka +25 % im Frühjahr 2022 

Neutrale statistische Konjunkturindikatoren

  • Auftragseingänge, verarbeitende Industrie
    Jan-Aug 2023 im Vergleich zu Jan-Aug 2022:
    total: -1,9 %
    vom Binnenmarkt: -2,3 %
    vom Exportmarkt: -1,7 %

    Aug 2023 im Vergleich zu Aug 2022:
    Total: -0,4 %
    vom Binnenmarkt: -5,5 %
    vom Exportmarkt jedoch: +3,7 %
     
  • Stimmungsbarometer des Konjunkturinstituts für Oktober (Trend = 100)
    Verarbeitende Industrie 99,5 (Sep 100,4)

    Auftragseingänge und auch Exporte lassen sich numerisch nur schwerlich in die hier benutzten Kategorien einordnen. Vom Trend her in diesem Jahr sind beide Indikatoren leicht negativ, aber zuletzt eher etwas freundlicher. Daher  lässt sich die Einordnung in die neutrale Kategorie gerade noch rechtfertigen.

(Leicht) negative statistische Konjunkturindikatoren

  • BIP
    Quartal 3 im Vergleich zu Quartal 2: +/- 0 %
    Quartal 2 im Vergleich zu Quartal 1: -0,8 %
    Quartal 3 im Vergleich zu Quartal 3 in 2022: -1,2 %
    Quartal 2 im Vergleich zu Quartal 2 in 2022: -1,0 %
     
  • Einzelhandel (im Vergleich zum Vormonat)
    Sep -1,4 %
    Aug +0 %
    Jul +0,7%  
    im Vorjahresvergleich bislang 17 Veränderungsraten in Folge
     
  • Arbeitslosigkeit 
    Sep 7,7 %
    Aug 7,7 %
    Sep 2022: 6,5 %
     
  • Purchasing Manager Index (PMI)
    Industrie:
    Okt 45,7
    Sep 43,4
    Aug 45,8
    15 Mal in Folge unter der neutralen Richtmarke von 50

    Dienstleistungen:
    Okt 48,5
    Sep 46,1
    Aug 48,5
  • Stimmungsbarometer des Konjunkturinstituts für Oktober (Trend = 100):
    Bauindustrie 93,5 (Sep 95,5)
    Dienstleistungssektor 86,0 (Sep 83,2)
    Konfidenzindikator für die privaten Haushalte 69,4 (Sep 70,1)
     

Schlussfolgerungen und aktuelle Prognosen

Man muss schon sehr lange suchen, um Lichtstreifen am dunklen schwedischen Konjunkturhimmel zu entdecken. Wie auch in Deutschland hat sich der zu Beginn des Jahres erhoffte leichte Konjunkturaufschwung in der zweiten Hälfte dieses Jahres nicht bestätigt, auch psychologisch bedingt durch die rapide zunehmende Jugendkriminalität und das anhaltende Misstrauen gegen die Krone.

„Die Stimmung bei den zumeist hochverschuldeten privaten Haushalten und vielen von den privaten Haushalten abhängigen Unternehmen ist einfach sehr schlecht, zumal auch die Arbeitslosigkeit wieder stärker zunimmt.“

Die Stimmung bei den zumeist hochverschuldeten privaten Haushalten und vielen von den privaten Haushalten abhängigen Unternehmen ist einfach sehr schlecht, zumal auch die Arbeitslosigkeit wieder stärker zunimmt.

Diese psychologische Schieflage prägt selbstverständlich die gegenwärtigen Konjunkturprognosen – allerdings mehr mit Blick auf 2024 als mit tiefgründigen Analysen für das Jahr 2025, was bei aller globaler Politikunsicherheit auch ziemlich gewagt wäre.

Durchschnittlich erwarten die schwedischen Prognostiker*innen für 2023 ein leicht negatives BIP-Wachstum von in etwa -1 Prozent. In 2024 soll dann das Wachstum wieder leicht zunehmen, aber unter 1 Prozent bleiben. Dies wäre sehr mager für einen beginnenden Konjunkturaufschwung. Prognosen für 2025 nehme ich derzeit noch nicht so ernst. Eine grobe Unterschätzung – wie auch Überschätzung – der politischen Antriebskräfte in 2025 ist theoretisch noch im Bereich des Möglichen, was jede Prognose von heute für 2025 obsolet machen würde.  

Eigene Konjunktureinschätzungen für 2023-2025

In der Tat nehmen sich schwedische Konjunkturaussichten für 2024 nicht gerade rosig aus. Ein BIP-Ergebnis im Minusbereich wird sich in 2023 kaum vermeiden lassen, doch sollte die in Kürze publizierte offizielle BIP-Entwicklung für das dritte Quartal nicht außer Acht gelassen werden. Ein BIP-Ergebnis in 2023 in der Größenordnung von -0,75 Prozent scheint auch mir realistisch.

Für 2024 sehe ich dagegen das schwedische BIP-Wachstum am oberen Ende des Konsensus, das heißt im Bereich von 1 Prozent. Noch scheint die Finanzpolitik auch im nächsten Jahr neutral oder bremsend zu wirken. Hoffnung macht aber ein etwas besseres Umfeld für die privaten Haushalte. Nicht so sehr über – eher bescheidene – Zinssenkungen als vielmehr über Kaufkraftverbesserungen dank sinkender Inflation.

Eine statistische Besonderheit sollte hierbei beachtet werden: der sogenannte statistische Überhang (”carry over”). Der ”Carry over”- Effekt drückt aus, um wieviel das BIP im nächsten Jahr steigen oder fallen würde, wenn sich das BIP im neuen Jahr bei einem Vergleich mit dem vierten Quartal des Vorjahres überhaupt nicht verändern würde. Für das Jahr 2024 könnte der sogenannte statistische Überhang -0,25 bis 0,5 Prozent betragen, was mehr Anstrengungen für ein 1-prozentiges BIP-Wachstum beanspruchen würde als dies bei einem positiven Überhang der Fall wäre. Dies würde für meine oben genannte Prognose ein starkes 1-prozentiges Wachstum bedeuten.

„Hoffnung besteht auch wegen einer denkbaren leichten Konjunkturerholung in Deutschland und der gesamten EU.“

Hoffnung besteht auch wegen einer denkbaren leichten Konjunkturerholung in Deutschland und der gesamten EU – wobei die Finanz- (auch Anleihen) und Energiemärkte, sowie die USA und China ungeahnte Schwierigkeiten eröffnen könnten, von den derzeit anderenorts wütenden Kriegen und militärischen Auseinandersetzungen ganz zu schweigen. Nicht zuletzt ein (bescheidener) Aufschwung in Deutschland könnte die schwedischen Exporte nach ganz Europa etwas beflügeln.

Hubert Fromlet

 

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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