Der Text "Schweden unter der Lupe" vor der Skyline von Stockholm

Wie geht es Schwedens Konjunktur?

31.03.2023

Es fällt zur Zeit auf, dass die schwedische Konjunktur in ausländischen Medien wenig präsent ist. Aber wie soll man Aussagen über die Zukunft treffen können, wenn wichtige reale, finanzielle und psychologische Konjunkturindikatoren nicht genauer unter die Lupe genommen werden können, fragt sich Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

Angestrengte aktuelle Lage

Schwedens Konjunktur nimmt sich derzeit recht unergründlich aus. Dies gilt vor allem, wenn es um den weiteren Verlauf der Wirtschaftsentwicklung in 2023 geht (und damit auch um die Ausgangsposition für 2024).

„Viele derzeitige Problemfelder wie Krieg, breite politische Spannungsfelder in vielen Ländern, Inflation, Zinserhöhungen und die Bankenkrise beeinflussen das schwedische Bruttoinlandsprodukt (BIP) teilweise direkt über die reale Konjunktur in anderen Ländern.“

Viele derzeitige Problemfelder wie Krieg, breite politische Spannungsfelder in vielen Ländern, Inflation, Zinserhöhungen und die Bankenkrise beeinflussen das schwedische Bruttoinlandsprodukt (BIP) teilweise direkt über die reale Konjunktur in anderen Ländern – momentan meistens negativ aber gelegentlich auch positiv.

Je nach weiterer Entwicklung entstehen aber auch psychologische Spuren, die sich über die Stimmungslage stattdessen indirekt – negativ oder positiv – auf Konsum und Investitionsneigung im eigenen Land auswirken können.

Um einen aktuellen Eindruck von der schwedischen Konjunktur zu gewinnen, folgt nun eine begrenzte Auswahl von möglichst zeitnahen Konjunkturindikatoren und -signalen, basierend auf Umfragen, offizieller Statistik und psychologischer Rückwirkung auf die schwedische Konjunktur.

Schwedens Konjunktur in Zahlen             

Eigene Notengebung (1–5; 5 = sehr gut), die analytisch einige Monate weiter zurückgeht als hier angezeigt.

Umfragen:                                                                                                                                  

  • PMI (Einkäuferindex, Industrie):
    Mär: 45,7 Feb: 47,0 Jan: 47,0
    >> Note 2                             
                                                                                                                                     
  • Geschäftsklima des staatlichen Konjunkturinstituts (KI)
    a) für die verarbeitende Industrie: 
    Mär: 103,4 Feb: 102,1 Jan: 100,7
    >> Note 3  

    b) für die Bauindustrie: 
    Mär: 95,1 Feb: 94,6 Jan: 96,6
    >> Note 2,5

    c) für den Einzelhandel:
    Mär: 81,8 Feb: 78,6 Jan: 79,1
    >> Note 1,5

    d) für den Dienstleistungssektor:
    Mär: 92,1 Feb: 90,1 Jan: 86,7
     >> Note 2,5

Offizielle Statistik:

  • Industrieproduktion (im Vorjahresvergleich, in %):
    Jan: +3,5 Dez: +0,8 Nov: -0,4
    >> Note 2,5
     
  • Einzelhandel (im Vorjahresvergleich, in %): 
    Feb: -9,4 Jan: -7,5 Dez: -6.9
    >> Note 1,5
     
  • Inflation (KPI im Vorjahresvergleich, in %):
    Feb: 12,0 Jan: 11,7 Dez: 12,3
    >> Note 1,5
     
  • Arbeitslosigkeit (in %): 
    Feb: 8,2 Jan: 7,6 Dez: 6,9
    >> Note 2

Nicht quantifizierbare psychologische Einflussfaktoren:  

  • Es tun sich noch immer schwierige exogene Faktoren auf, welche die schwedische Wirtschaftsentwicklung psychologisch durchaus auch zukünftig konkret beeinflussen können. Hierzu gehören u.a. – auch auf globaler Ebene – Krieg, Politik, Bankenkrise, Inflation und Zinserhöhungen. Innerhalb Schwedens kommt zudem noch die enorme Verschuldung vieler privater Haushalte als psychologische Wachstumsbremse hinzu.
    >> Note 2

Schlussfolgerungen für deutsche Unternehmen

Bei etwas genauerer Analyse von wichtigen schwedischen Wirtschaftszahlen sieht die momentane schwedische Wirtschaftslage nicht gerade besorgniserregend aus, bewegt sich aber vom Kurzzeittrend her betrachtet noch zu oft in die falsche Richtung. Allein die verarbeitende Industrie scheint mit einem Index von über 100 etwas über dem längerfristigen Trend zu liegen, das Dienstleistungsgewerbe dagegen bei weitem noch nicht.

„Von besonderem Interesse könnte auch sein, dass schwedische Konjunkturexperten ihre BIP-Prognosen für 2023 zuletzt sichtbar zurückgenommen haben. Dies könnte ebenfalls negative psychologische Nebenwirkungen hervorrufen.“

Von besonderem Interesse könnte auch sein, dass schwedische Konjunkturexperten ihre BIP-Prognosen für 2023 zuletzt sichtbar zurückgenommen haben. Dies könnte ebenfalls negative psychologische Nebenwirkungen hervorrufen. Revisionen nach oben können in ein paar Monaten aber trotzdem nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Schwedens deutsche Außenhandelspartner sollten die Wirtschaftsentwicklung ihres nördlichen Nachbarns in 2023 mit notwendiger Vorsicht betrachten – was generell für alle relevanten Auslandsmärkte der Fall sein sollte. Dennoch sollte auf die Lektüre von Konjunkturberichten und Wirtschaftsnachrichten über Schweden nicht verzichtet werden – auch um Vergleiche anstellen zu können.

Auch der Vergleich von eher optimistischen und pessimistischen Wirtschaftsprognosen einschließlich bestimmter Annahmen für beispielsweise den Wechselkurs und politische Entwicklungen können das Beurteilungsvermögen für den schwedischen Markt erhöhen.

Gegenwärtig besteht immerhin die Hoffnung unter der Annahme von „ceteris paribus“ – bei nicht wesentlich veränderten Voraussetzungen – dass sich die schwedische Konjunktur im Herbst 2023 etwas freundlicher ausnehmen wird als zu Beginn dieses Jahres.


+++ Zusatzmeldung +++                                                                               

Tarifabschluss für die Industrie in trockenen Tüchern: 7,4 Prozent für zwei Jahre

In Schweden gingen die Lohn- und Gehaltsverhandlungen für die Industrie recht friedlich am 31. März zu Ende, insbesondere im Vergleich zu zahlreichen größeren europäischen Ländern. Dabei gibt es 4,1 Prozent für das erste Jahr und 3,3 Prozent für das zweite. Hinzu kommen monatlich 1.350 SEK für Niedriglohnempfängerinnen und -empfänger.

Sowohl Arbeitgeber als auch die Industriegewerkschaften zeigen sich mit dem Ergebnis der Tarifverhandlungen einigermaßen zufrieden. Während das erste Jahr erneut zu negativen Reallöhnen führen wird, besteht für das zweite Tarifjahr die leise Hoffnung auf letztendlich leicht steigende Reallöhne (je nach Inflationsergebnis).

 

Kontakt

Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

Kontakt
Wir nehmen Anfragen ausschließlich von Unternehmen und Organisationen an.
Durch das Absenden des Formulars verarbeitet die Deutsch-Schwedische Handelskammer Ihre persönlichen Daten. Datenschutzerklärung | Deutsch-Schwedische Handelskammer
Diese Frage dient dazu, zu testen, ob Sie ein menschlicher Besucher sind oder nicht, und um automatisierte Spam-Übermittlungen zu verhindern.

* Pflichtfeld