
Hubert Fromlet. Foto: Magnus Hjalmarson Neideman/SvD/TT
Wie geht es der schwedischen Konjunktur?
10.05.2025
Beim Betrachten der schwedischen Wirtschaftsentwicklung kann man durchaus auf Widersprüchlichkeiten stoßen. Zum einen weisen Expert*innen mit Recht auf die strukturelle Widerstandskraft der schwedischen Wirtschaft hin. Zum anderen werden Unsicherheit und Konjunkturrisiken durch die Trumpsche Politik genannt. Wo die schwedische Konjunktur momentan steht, analysiert Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Handelskammer.
Auf einer Pressekonferenz am 9. Mai 2025 senkte Finanzministerin Svantesson die Wachstumsprognose für das schwedische Bruttoinlandsprodukt (BIP) von zuvor 2,1 Prozent auf 1,8 Prozent. Für das Wahljahr 2026 ist der Rückgang noch deutlicher – von einer ursprünglich erwarteten BIP-Wachstumsrate von 2,8 Prozent auf nunmehr 2,3 Prozent.
„Konjunkturprognosen sind – generell betrachtet – derzeit nicht allzu viel wert wegen der Unberechenbarkeit der Trumpschen Wirtschaftspolitik und deren Rückwirkungen auf die USA und die Weltwirtschaft.“
Hierzu muss allerdings gesagt werden, dass Konjunkturprognosen – generell betrachtet – derzeit nicht allzu viel wert sind wegen der Unberechenbarkeit der Trumpschen Wirtschaftspolitik und deren Rückwirkungen auf die USA und die Weltwirtschaft. Auch der weitere Verlauf des Krieges in der Ukraine bedeutet Unsicherheit für Europas und somit auch Schwedens Konjunktur.
Trotz dieser Schwierigkeiten macht es Sinn, den momentanen Zustand der schwedischen Konjunktur etwas genauer zu analysieren.
Einzelne Varianten von Konjunkturindikatoren
Zunächst soll zwischen drei verschiedenen Varianten von Konjunkturindikatoren unterschieden werden – im Vergleich zur faktischen Entwicklung verzögerte Konjunkturindikatoren („lagging indicators“), zeitgleiche („coincident indicators“) und nicht zuletzt auch vorauseilende Konjunkturindikatoren („leading indicators“). Dabei soll in diesem Artikel bei der Klassifizierung nicht nur der Zeitraum des faktischen Geschehens berücksichtigt werden, sondern auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung.
Was die sogenannten vorauseilenden oder frühzeitigen Konjunkturindikatoren betrifft, finden sich immer wieder auch Signale außerhalb der regelmäßig ausgewiesenen Statistiken und Zeitreihen. Hierbei kann es um wirtschaftspolitische Maßnahmen fiskal- oder zinspolitischer Natur gehen wie auch um wichtige politische oder konjunkturelle Veränderungen in Nachbarländern und/oder Ländern von globaler Bedeutung. Auch größere und andauernde Bewegungen an den Devisenmärkten können die zukünftige Konjunktur beeinflussen. Nicht zuletzt können auch die Zentralbank oder Märkte sowie psychologische Faktoren wie verändertes Vertrauen von privaten Haushalten und Unternehmen wichtigen Einfluss auf die Konjunkturentwicklung nehmen.
Wie entwickeln sich die wichtigsten Konjunkturindikatoren?
Für einzelne schwedische Konjunkturindikatoren ergibt sich somit folgender statistischer Überblick für Mai 2025 (eigene Beurteilung von 5 bis 1; 5 = sehr gut und Tendenz der Konjunkturindikatoren):
Verzögerte oder späte Konjunkturindikatoren
Indikator | Tendenz | |
BIP: | 2,5 | Stagnation |
Auftragseingänge, Industrie: | 2,5 | Rückgang |
Industrieproduktion: | 2,5 | leichter Rückgang |
Arbeitslosigkeit | 2,5 | leichter Rückgang |
Zeitgleiche Konjunkturindikatoren
Indikator | Tendenz | |
Einzelhandel: | 2,5 | volatil bei leichtem Anstieg |
Inflation (KPI): | 3,5 | leichter Rückgang |
Barometer des staatlichen Konjunkturinstituts, total: | 2,5 | Rückgang |
davon | ||
verarbeitende Industrie: | 2,5 | leichter Anstieg |
Bauindustrie: | 3 | volatil, leichter Rückgang |
Dienstleistungsgewerbe (exkl. Handel): | 2,5 | leichter Rückgang |
Handel | 3,5 | leichter Rückgang |
Vorauseilende oder eher frühzeitige Konjunkturindikatoren
Indikator | Tendenz | |
Einkäuferindex (PMI) – Industrie: | 3,5 | leichter Anstieg |
Einkäuferindex (PMI) – Dienstleistungen: | 3 | leichter Rückgang |
Konsumentenvertrauen: | 1,5 | starker Rückgang |
Die Auswertung der oben aufgeführten Konjunkturindikatoren ergibt ein ziemlich gespaltenes Bild.
„Schwach nimmt sich vor allem die Stimmung der privaten Haushalte aus, wohl in hohem Maße auf Grund der internationalen Unsicherheit.“
Schwach nimmt sich vor allem die Stimmung der privaten Haushalte aus, wohl in hohem Maße auf Grund der internationalen Unsicherheit. Gewisse Lichtblicke zeigten sich zuletzt jedoch in der verarbeitenden Industrie und auch in der Bauindustrie.
Die Trumpsche Zollpolitik dürfte sich dabei bislang nur wenig in den Zahlen der Industrie widerspiegeln. Daher stimmt die Annahme oder auch Befürchtung, dass sich Konjunkturprognosen eigentlich derzeit nicht sinnvoll erstellen lassen.
„Dennoch lebt die Hoffnung nach wie vor, dass es in 2026 zu einem etwas deutlicheren Konjunkturaufschwung kommen könnte.“
Dennoch lebt die Hoffnung nach wie vor, dass es in 2026 zu einem etwas deutlicheren Konjunkturaufschwung kommen könnte. Bei weiteren Störungen aus dem Ausland hätte Schweden auch noch gute finanzpolitische Möglichkeiten, wachstumsfördernde Fiskalmaßnahmen einzusetzen.
Was kommt noch aus Washington, Moskau und Peking?
Es ist inzwischen weltweit bekannt, dass die globale Konjunkturentwicklung in den nächsten Quartalen und wahrscheinlich auch Jahren entscheidend von der Politik in Washington, Moskau und Peking beeinflusst wird. Niemand weiß jedoch, wie der amerikanische Präsident seine Wirtschaftspolitik – besonders bezüglich der Zölle – zukünftig gestalten wird. Ebenso wenig ist bekannt, wie China sich gegenüber den USA verhalten wird.
Wird China von seinem äußerst effektiven Druckmittel gegenüber Präsident Trump Gebrauch machen, das heißt vom Verkauf amerikanischer Staatspapiere – und wenn ja, vorsichtig oder eher aggressiv? Eher aggressive Verkäufe würden gleichzeitig auch den US-Dollar weiter abschwächen, vermutlich sogar erheblich mit starkem Vertrauensverlust und spürbaren Rückwirkungen auf die globalen Finanzmärkte und Wachstumsraten.
Damit sei nur ein theoretisch mögliches Szenario angesprochen, auch weniger unangenehme sind denkbar.
„Die volatilen Gedankengänge von Präsident Trump und die möglichen Antworten aus Peking bleiben aber analytisch nicht greifbar.“
Die volatilen Gedankengänge von Präsident Trump und die möglichen Antworten aus Peking bleiben aber analytisch nicht greifbar. Auch die zukünftige Politik des russischen Präsidenten Putin gegenüber der Ukraine lässt sich analytisch nicht ausmachen.
Schlussfolgerung: Genauere Prognosen für die schwedische Konjunktur für 2025 und 2026 haben zweifelsohne noch immer spekulativen Charakter. Gut ist aber alle Male bei der beschriebenen Unsicherheit, dass Schweden eine derart günstige öffentliche Verschuldung von lediglich etwas über 30 Prozent des BIP vorweisen kann. Damit eröffnen sich für 2026 noch nicht präzisierte Möglichkeiten, die Konjunktur stärker zu stimulieren als bislang geplant.
Hubert Fromlet
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