Schwedische Sommerpause mit schwachen Wirtschaftsdaten

22.08.2023

Ganz trübe verlief der Sommer für die schwedische Wirtschaft, zumindest aus makroökonomischer Sicht. Zuletzt tauchten leider nur noch schlechte Wirtschaftsdaten auf, meint Professor Hubert Fromlet, Seniorberater der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

Schlechte Werte für Stimmungsfaktoren und statistische Entwicklungen sowie schon wieder nach unten revidierte Wachstumsprognosen der Experten für 2023 und 2024 sorgten zuletzt für erhebliche Ernüchterung in den schwedischen Medien und bei vielen Analysten.

Besorgniserregende Stimmungslage und Realität

Als wenig hoffnungsvoll für Schwedens Wachstum erscheinen in diesem Zusammenhang auch Deutschlands derzeitiger konjunktureller Stillstand und Chinas andauernde Immobilienkrise bei weiterhin lauwarmer Konjunktur. Gerade die zwei letzteren Problemfelder können durchaus auch internationale und globale Rückwirkungen erzeugen und sich damit negativ auf Schwedens Export und BIP auswirken.

Gehen wir jetzt etwas mehr ins Detail. Vor allem die folgenden Umfragen und statistischen Ergebnisse haben in jüngster Zeit die schwedischen Konjunktursorgen weiter zunehmen lassen:

  1. Umfragen
  • PMI (Einkäuferindex, verarbeitende Industrie): Juli 47,6 (noch unter 50), Juni 45,2  
  • Konjunkturinstitut (Stimmungsbarometer für die verarbeitende Industrie): Juli 97,1 - also unter der Basis von 100, Juni 101,9; die entsprechenden Juli-Werte waren für die Bauindustrie 95,9, den Einzelhandel 88,7 und für den Dienstleistungssektor 91,5. 
  1. Offizielle Statistik
  • BIP: Q2: -1,5 Prozent (im Vergleich zum Vorquartal, vorl.) , Q1:+0,6 Prozent
  • Industrieproduktion: Juni -2,8 Prozent (im Vorjahresvergleich), Mai +3,9 Prozent
  • Einzelhandel: Juni -4,4 Prozent (im Vorjahresvergleich), Mai -5,3 Prozent
  • Arbeitslosigkeit: Juli 6,3 Prozent, Juni 6,7 Prozent (Quelle: Arbetsförmedlingen)
  • KPI (Verbaucherpreisindex): Juli 6,4 Prozent im Vorjahresvergleich (exkl. Zinsen) oder 9,3 Prozent (inkl. Zinsen)                          
  • Leitzins der Reichsbank: seit Juni nach 0,25-prozentiger Erhöhung bei 3,75 Prozent.

Woher soll die Konjunkturwende kommen?

Wie schon angedeutet, wirkt sich die Palette der gegenwärtigen Problemfelder auf Schwedens BIP-Wachstum sehr breit aus. Sowohl internationale als auch einheimische Bremsklötze erschweren die demnächst beginnenden Budgetplanungen schwedischer und deutscher Unternehmen für das nächste Jahr. Diese betriebsinternen Budgetplanungen können vor allem Produktion, Einkauf und Verkauf betreffen. Außerdem können sich Gewichtungen einzelner Einflussfaktoren im Laufe der nächsten Quartale sichtbar verändern - und werden dies vereinzelt wohl auch tun.

„Derzeit wird die schwedische Konjunktur stärker als seit vielen Jahren von internationalen Entwicklungen und Ereignissen beeinflusst.“

Erfolgreiche innerbetriebliche Produktions-, Einkaufs- und Verkaufsplanung mit kurzfristigem Horizont erfordert folglich Flexibilität durch gute Kenntnisse von politischen und wirtschaftlichen Einflussfaktoren und Entwicklungen im eigenen Land und auch international. Das berühmte Quäntchen Glück beim Prognostizieren dabei nicht zu vergessen!

Internationale Einflussfaktoren auf die schwedische Wirtschaft

Derzeit wird die schwedische Konjunktur stärker als seit vielen Jahren von internationalen Entwicklungen und Ereignissen beeinflusst. Daher sollte es die Mühe wert sein, die internationale und auch die globale Arena genauer als gewohnt zu beobachten, auch wenn es um Einschätzungen für die schwedische Unternehmenskonjunktur geht. Folgende außerschwedische Einflussfaktoren lassen sich in diesen Tagen besonders hervorheben (ohne Gewichtung):

  •  Russlands Krieg in der Ukraine
  •  Chinas Rolle im Konflikt mit Taiwan
  •  Schlagaustausch und Spekulation vor der US-Präsidentschaftswahl am 5. November 2024
  •  Potenzielle Krisen in einzelnen EU-Ländern und/oder in der EU insgesamt
  •  Deutschlands schlechte Stimmung innerhalb der Ampelregierung (mit diversen Risiken)
  •  die noch immer andauernde globale Energiekrise
  •  Inflations- und damit Zinsentwicklungen in den USA und im Euroraum
  •  Chinas Immobilienkrise, Wachstumsschwäche und soziale Spannungsfelder
  •  Deutschlands unzureichende Konjunkturimpulse für ganz Europa
  •  Europäische/globale Rezession im Wohnungsbau
  •  Bis heute noch nicht hervorgetretene negative Einflussfaktoren, beispielsweise ausgehend von Finanzmärkten im Aktien-,   Anleihen-, Immobilien- oder Bankenbereich (mit steigenden und/oder hohen Kreditverlusten?)                                                     

Einheimische Einflussfaktoren auf die schwedische Konjunktur

Auch die Liste von einheimischen Einflussfaktoren auf die schwedische Konjunktur für 2024 erscheint recht ansehnlich. Hierzu gehören unter anderem (ohne Gewichtung):

  • die politische Stabilität der – liberalkonservativen – schwedischen Minderheitsregierung
  • die Entwicklung terroristischer Bedrohungen
  • der finanzpolitische Kurs der liberalkonservativen Minderheitsregierung
  • die endgültige Entscheidung über den schwedischen Beitritt zur Nato 
  • die endgültigen Ausgabenpläne von Staat und Kommunen
  • die Entwicklung der einzelnen BIP-Komponenten
  • Energiepreise
  • die Entwicklung der Inflation
  • die weitere Zinspolitik der Reichsbank
  • die Entwicklung der schwedischen Krone und eventuell auch der Währungspolitik
  • die Entwicklung an den Immobilienmärkten
  • die Entwicklung an verschiedenen Teilmärkten der Finanzmärkte (Banken, Aktien usw.)

Aber woher sollen die entscheidenden Impulse für eine spürbare Wende in der schwedischen Konjunktur kommen? Wie klug wäre es, von einem ernsten Rezessionsszenario völlig abzusehen?

Neue Voraussetzungen für die schwedische Konjunktur?

Leider lässt sich die erste Frage zum jetzigen Zeitpunkt nicht konkret beantworten. Die Bedeutung einzelner wichtiger Einflussfaktoren könnte noch geraume Zeit unter- oder überschätzt werden und vielleicht in den nächsten Quartalen drastisch zunehmen oder abnehmen. Dann ergäben sich für 2024 neue Voraussetzungen für die schwedische Konjunktur.

„Die Wahrscheinlichkeit für eine tiefe schwedische Rezession scheint äußerst gering.“

Die zweite Frage bezüglich der notwendigen Beachtung eines Rezessionsszenarios für Schwedens Wirtschaft dürfte hingegen von Unternehmen etwas leichter zu bearbeiten sein. Die Wahrscheinlichkeit für eine tiefe schwedische Rezession in den nächsten vier bis sechs Quartalen scheint zwar äußerst gering, lässt sich analytisch aber nicht auf 0 Prozent reduzieren.

Eine tiefe Rezession mit mehreren stark negativen BIP-Quartalen kommt allerdings normalerweise nicht über Nacht, sondern deutet sich über mehrere Monate oder Quartale hinweg spürbar an. Dann gibt es nur noch einen Weg zu mehr Klarheit: noch tiefgründigere oder häufigere Wachstumsanalysen verschiedener Art - von Stimmungsindikatoren bis zu statistischen ”hard facts”. 

Um doch einen fragilen Anhaltspunkt für die schwedische Konjunktur in 2024 zu finden, kommt es in der soeben publizierten Prognose des staatlichen schwedischen Konjunkturinstituts (KI) zu folgenden – nicht allzu erbaulichen – Zahlen für das schwedische Wachstum in den nächsten Quartalen:

BIP 2023: -0,9 Prozent; 2024: +1,2 Prozent

Darüber hinaus prognostiziert das KI für 2024 deutlich abnehmende Inflationsraten und Zinsen, aber auch steigende Arbeitslosigkeit. Imposant bleibt die totale öffentliche Verschuldungsquote von etwas über 30 Prozent des BIP. 

Anfang August beschrieb das KI den Ausblick für die schwedische Wirtschaft mit folgenden Worten: „Die schwedische Wirtschaft gerät in diesem Jahr in eine sichtbare Konjunkturschwäche, die sich auch im Jahr 2024 fortsetzen wird”.  

Dem ist wenig hinzuzufügen, obwohl man sich vielerorts eine bessere Entwicklung erhofft.

                                                    

Kontakt

Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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