
Schwedische Lohnforderungen – hoch oder angemessen?
21.11.2024
Sowohl in Schweden als auch in Deutschland stehen wichtige Tarifrunden vor der Tür. Dabei geht man in Schweden derzeit (noch) relativ entspannt an die anstehenden Lohn- und Gehaltsverhandlungen heran. Dennoch scheiden sich die Geister bei der Beurteilung von realistischen und angemessenen Lohnforderungen, meint Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.
Anfang November präsentierten die fünf schwedischen Industriegewerkschaften ihre Forderungen für die nächste Lohnverhandlungsrunde, die spätestens bis Ende März 2025 abgeschlossen sein soll. Dann laufen die aktuellen Tarifverträge aus.
Industriegewerkschaften fordern 4,2 Prozent
Auch der starke Dachverband für 13 Einzelgewerkschaften verschiedener Branchenzugehörigkeit – organisiert in Landsorganisationen LO – hat sich fast komplett hinter die geforderten 4,2 Prozent mit einjähriger Laufzeit gestellt.
Das lässt sich vergleichen mit zusammen 7,4 Prozent für das zurzeit noch geltende 2-Jahresabkommen, was also im Durchschnitt 3,7 Prozent pro Jahr entspricht. Allerdings wird die Inflation im neuen Tarifjahr zwischen April 2025 und März 2026 wohl deutlich geringer ausfallen als dies in den letzten zwei Jahren der Fall war.
„Verbesserte Kaufkraft zeichnet sich damit für die schwedischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutlich ab.“
Verbesserte Kaufkraft zeichnet sich damit für die schwedischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutlich ab, auch wenn die Gewerkschaften ihre geforderte 4,2-prozentige Lohnerhöhung nicht ganz durchsetzen werden. Zudem verlangt man von Gewerkschaftsseite noch nicht präzisierte Mittel für den Niedriglohnbereich und mehr Fokus auf Arbeitszeitverkürzungen.
Interessant nimmt sich hierbei auch aus, dass die Ergebnisse der anlaufenden Tarifrunde für die Industrie auch als Richtschnur für andere noch anstehende Lohnverhandlungen dienen dürfte.
Positive Gewerkschaften und vorsichtige Arbeitgeber
Etwas überraschend gestalten sich die recht deutlich divergierenden Interpretationen der momentanen Wirtschaftslage seitens der Tarifparteien. Die Gewerkschaften basieren ihre Forderungen primär auf erhöhter Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der schwedischen Industrie sowie auf hinzugewonnene Marktanteile, was insgesamt auch die Einkommensverteilung zugunsten der Unternehmen spürbar verbessert haben soll. Außerdem habe sich die schwedische Konjunktur zuletzt sichtlich aufgehellt.
„Von verbesserter Wettbewerbsfähigkeit sei keinesfalls die Rede.“
Diese positiven Schlussfolgerungen werden aber seitens der Arbeitgeber größtenteils bestritten. Von verbesserter Wettbewerbsfähigkeit sei keinesfalls die Rede. Stattdessen würde bei Erfüllung der gewerkschaftlichen Forderungen das zukünftige Wirtschaftswachstum beeinträchtigt und sich die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen, meinen hierzu die Arbeitgeber gemäß Berichten der Nachrichtenagentur TT.
Meines Erachtens liegt der wirkliche Tatbestand – wie fast immer – nicht allzu weit entfernt von der Mitte beider Positionen – wie das bei Lohnverhandlungen oft der Fall ist. Daher wird das Verhandlungsresultat für die ab April nachfolgenden 12 Monate wohl bei etwa 3,5 Prozent landen – allerdings nicht in voller Höhe im greifbaren Portemonnaie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Hubert Fromlet
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