Hubert Fromlet. Foto: Magnus Hjalmarson Neideman/SvD/TT

Schwedens Haushalt für 2025 – die Richtung stimmt

19.09.2024

Nach der Sommerpause sind auch Schwedens Abgeordnete im Parlament wieder aktiv. Besonders im Fokus steht Finanzministerin Elisabeth Svantesson, die am 19. September den neuen Haushaltsentwurf der bürgerlichen Minderheitsregierung, unterstützt von den Schwedendemokraten, vorstellte. Ein deutlicher wirtschaftspolitischer Kurswechsel ist dabei ersichtlich, meint Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

Der aktuelle Haushaltsentwurf sieht vor, die relativ niedrige Staatsverschuldung für eine sichtbare, aber kontrollierte Ausgabenexpansion zu nutzen – wohl nicht immer in allen Bereichen optimal, aber die Richtung stimmt.

Ersehnter Kurswechsel 

Bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs vor einem Jahr hatte sich die schwedische Finanzministerin trotz schwacher Konjunkturperspektive noch für eine relativ restriktive Finanzpolitik entschieden. Dies wurde vor allem mit der Priorisierung der Inflationsbekämpfung begründet.

„Inzwischen hat die Regierung den Kampf gegen die vormals hohen Preissteigerungen für gewonnen erklärt.“

Inzwischen hat die Regierung den Kampf gegen die vormals hohen Preissteigerungen für gewonnen erklärt. Dadurch wurde der ersehnte Kurswechsel letztendlich ermöglicht, so die Ministerin. 

Vielleicht hat aber auch wahlstrategisches Kalkül zu dem zweifelsohne notwendigen wirtschaftspolitischen Kurswechsel beigetragen. 2026 kommt es zu Reichstagswahlen in Deutschlands nördlichem Nachbarland. Da nimmt es sich logisch aus, die schwedische Wirtschaft im Laufe des Jahres 2025 wieder auf einen ordentlichen Wachstumskurs bringen zu wollen (siehe dazu die wahlstrategische Forschung des Nobelpreisträgers James Buchanan). Hinzu kommt, dass die schwedischen Zinsen wohl noch mehrmals in den nächsten Monaten gesenkt werden. Auch das wäre gut für die Konjunktur.

Insgesamt verbessern sich somit die internen (endogenen) Voraussetzungen für das schwedische Wachstum in 2025 und 2026. Externe (exogene) Risiken bleiben jedoch weiter bestehen, zum Beispiel der Krieg in der Ukraine, die amerikanische Konjunktur nach den Wahlen, Chinas strukturelle Wachstumsschwächen und eventuell weiter zunehmender Protektionismus. 

„Im nächsten Jahr soll sich Schweden aber schon deutlich besser als die Euroländer entwickeln.“

Für 2024 geht die schwedische Regierung zusammen mit den Schwedendemokraten noch von einem bescheidenen BIP-Wachstum von 0,8 Prozent aus. Im nächsten Jahr soll sich Schweden aber schon deutlich besser als die Euroländer entwickeln: BIP +2,5 Prozent im Vergleich zu durchschnittlich 1,3 Prozent für den Euroraum. Und wenig überraschend prognostiziert man – oder erhofft man sich – noch bessere Zeiten für Schweden in 2026: ganze +3,2 Prozent – somit wieder deutlich stärker als dies die Schweden für die Euroländer erwarten mit einem BIP in 2026 von +1,5 Prozent. Wie schon angedeutet, stehen im Herbst 2026 Reichstagswahlen an. 

Getragen wird der erwartete konjunkturelle Aufschwung in Schweden nach Berechnungen des Finanzministeriums in erster Linie vom privaten Konsum und Bruttoinvestitionen, das heißt von der expansiveren Finanzpolitik der Regierung, den Zinssenkungen der schwedischen Reichsbank und der dadurch angekurbelten Binnennachfrage. Zunächst mal theoretisch gute Nachrichten auch für deutsche Exporteure nach Schweden. 

Mischung von Nachfrage- und Angebotspolitik

Generell finden sich im neuen Haushalt der Regierung (und der Schwedendemokraten) Vorschläge zugunsten von sowohl Haushalten als auch Unternehmen – theoretisch eine gute Kombination. Wobei einerseits kurzfristige Stimuli für das BIP ausgemacht werden können, andererseits aber auch angebotspolitische Maßnahmen, um die Rahmenbedingungen für Investitionen von Unternehmen zu verbessern und damit das längerfristige potenzielle Wachstum zu steigern. Die Einsicht ist offensichtlich da, dass die Angebotspolitik vor allem über bessere Anreize für Arbeit, Bildung/Ausbildung, Forschung, Innovationen und Unternehmertum sowie erhebliche Verbesserungen der Infrastruktur erfolgen sollte. Daran wollen die Budgetpartner zukünftig verstärkt arbeiten. Aber wieviel kommt in den nächsten Jahren wirklich noch dazu? 

„Die politischen Strategen des aktuellen Staatshaushalts sind sich zweifelsohne einig, dass alle geplanten Strukturverbesserungen dringend vonnöten sind, um den Wohlfahrtsstaat auf Dauer zu erhalten.“

Die politischen Strategen des aktuellen Staatshaushalts sind sich zweifelsohne einig, dass alle geplanten Strukturverbesserungen dringend vonnöten sind, um den Wohlfahrtsstaat auf Dauer zu erhalten. Damit scheint die revidierte wirtschaftspolitische Richtung offensichtlich im Großen und Ganzen zu stimmen. Allerdings lässt sich noch nicht richtig ausmachen, ob die einzelnen Priorisierungen und Ausgabenvolumina optimal und zielführend genug angelegt sind.   

Für die privaten Haushalte und somit den privaten Konsum stehen die vorgeschlagenen Senkungen der Einkommensteuer an vorderster Front. Diese Steuermaßnahmen umfassen u.a. gewisse Steuervergünstigungen für Sparerinnen und Sparer und für die Einkommensteuer bei Lohnerhöhungen (sogenannte Grenzsteuern) sowie Erhöhungen der Einkommensfreigrenzen von 51.000 Kronen für die staatliche Besteuerung. Die zusätzlichen in der Regel mindestens 30-prozentigen Gemeindesteuern für alle Einkommensempfänger gelten dabei nach wie vor. Die Kritik der Opposition richtet sich nun vor allem gegen die Grenzsteuersenkungen, die sich in Kronen ausgedrückt vor allem bei höheren Löhnen und Gehältern bemerkbar machen. Gemäß Finanzministerin Svantesson lässt ich aber eine derartige Konstellation nicht vermeiden, da die Grenzsteuern bei Einkommenserhöhungen generell auf höchstens 50 Prozent zurückgehen sollen.   

Nennenswert für die Unternehmerschaft sind – abgesehen von den eher kurzfristigen Effekten der aktivierten Konjunkturpolitik und dem Streben nach höherem Potenzialwachstum – vor allem die umfangreichen geplanten Investitionen in die verbesserungsbedürftige Infrastruktur für den Straßen- und Zugverkehr sowie in zukunftsorientierte Forschung. Auch die vorgesehenen Steuererleichterungen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels – beispielsweise für ausländische Expert*innen – können für einzelne Unternehmen durchaus von Interesse sein. 

Insgesamt scheint die Richtung in der schwedischen Wirtschaftspolitik inzwischen zu stimmen, um den zukünftigen Anforderungen für den Wohlfahrtsstaat und den demografischen Veränderungen entsprechen zu können. Bislang sind allerdings nur wenige Kilometer eines Marathonlaufs absolviert. Zum Ziel ist es noch weit, aber wenigstens ist der Anfang gemacht. Im Gegenteil zu Deutschland, das sich noch in den Startblöcken befindet. 

Hubert Fromlet 

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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