Hubert Fromlet. Foto: Magnus Hjalmarson Neideman/SvD/TT

Schweden zieht Spendierhosen an

02.09.2025

Schweden ist in den letzten Jahren relativ vorsichtig mit öffentlichen Mitteln umgegangen. Für Finanzministerin Elisabeth Svantesson stand nach der Corona-Krise zunächst der Kampf gegen die allzu hohe Inflation im Vordergrund. Dieser wenig konsumfreundliche Ansatz soll sich nun ändern und die privaten Haushalte im Wahljahr 2026 wieder in bessere Stimmung versetzt werden, sagt Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Handelskammer.

Obwohl die schwedischen Inflationsprobleme noch nicht richtig behoben sind – was endgültig nie der Fall sein kann – hat Finanzministerin Svantesson Ausgabensteigerungen von 80 Milliarden Kronen (ca. 7,23 Milliarden Euro) angekündigt. Vor wenigen Wochen hatte das staatliche Konjunkturinstitut noch einen erweiterten Rahmen für staatliche Mehrausgaben von 34 Milliarden Kronen (rund 3,05 Milliarden Euro) berechnet – eine Summe, die auch von Wirtschaftsvertreter*innen als allzu bescheiden interpretiert wurde. Inzwischen hat sich die schwedische Finanzministerin jedoch für eine deutlich großzügigere Ausgabenpolitik im nächsten Jahr entschieden. 

„Zum einen halten sich die privaten Haushalte noch immer mit ihren Ausgaben zurück, zum anderen gilt es für die Regierung, sich bei den Wählerinnen und Wählern wieder beliebter zu machen.“

Wahrscheinlich haben zwei Gründe eine gewichtige Rolle für diesen Kurswechsel gespielt. Zum einen halten sich die privaten Haushalte noch immer mit ihren Ausgaben zurück, zum anderen gilt es für die Regierung, sich bei den Wählerinnen und Wählern wieder beliebter zu machen. Schließlich wird am 13. September 2026 gewählt. Bis dahin gilt es, die schwedischen Wähler finanziell wieder in bessere Laune zu versetzen – nicht zuletzt, weil die Regierung auch unter Einbeziehung der rechten Stützpartei SD („Schwedendemokraten“) über keine eigene Mehrheit mehr verfügt. 

„Wir werden unseren Fokus auf Familien und alle hart arbeitenden Menschen richten, damit diese wieder Vertrauen in die Zukunft gewinnen können.“

Ministerin Svantesson erklärte dies mit folgenden Worten: „Wir werden unseren Fokus auf Familien und alle hart arbeitenden Menschen richten, damit diese wieder Vertrauen in die Zukunft gewinnen können“ (eigene wörtliche Übersetzung).

Damit ist klar, dass der private Konsum besonders spürbar stimuliert werden soll. Mit welchen Einzelmaßnahmen bleibt noch eine Zeitlang unklar, könnte aber in den nächsten Wochen stufenweise durchsickern. Genaues wird aber spätestens anlässlich der Präsentation des Haushaltentwurfs für 2026 am 22. September vorgestellt.

Möglichkeiten und Risiken

Staatsfinanziell kann sich Schweden die für 2026 geplante finanzpolitische Expansion sicherlich leisten (immerhin 1,2 Prozent des BIP). Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, ob es letztendlich zu einer optimalen Verwendung der Ausgabensteigerung kommen wird. 

„Wie bereits seitens der Finanzministerin proklamiert, stehen generöse Konsumstimuli ganz oben auf der wirtschaftspolitischen Präferenzliste der Regierung.“

Eine Konsumbeschleunigung ist sicherlich vonnöten. Wie bereits seitens der Finanzministerin proklamiert, stehen generöse Konsumstimuli ganz oben auf der wirtschaftspolitischen Präferenzliste der Regierung. Noch verhandeln Regierung und Haushaltpartner SD über die Details.

Generell kann hierzu gesagt werden, dass private Haushalte bei Einkommenserhöhungen jedweder Art stets darüber entscheiden müssen, ob sie ihre zusätzlichen Mittel ausgeben oder auf die hohe Kante legen wollen. Und hier kommt wieder die Psychologie zum Zuge, von vielen Analysten oft nicht hinreichend beachtet. Zwar hat das schwedische BIP in Q2 um 0,5 Prozent im Vergleich zu Q1 zugenommen, doch nimmt sich die aktuelle Konjunktur noch immer wenig zufriedenstellend aus – auch wegen der weiterhin hohen offiziellen Arbeitslosigkeit von 8,7 Prozent (Juli 2025). Zusammen mit der Entwicklung von Geopolitik und Zinsen macht der Arbeitsmarkt wohl die entscheidende psychologische Komponente für die Konsumlaune der schwedischen Haushalte in den kommenden Quartalen aus.

Dabei gibt es auch jetzt schon einige Hoffnungsschimmer für die schwedische Konjunktur. Beispielsweise zeigen die BIP-Komponenten für das zweite Quartal schon jetzt erfreuliche Signale für Bruttoinvestitionen und Bruttoexport. Auch entwickelte der private Konsum zuletzt kleinere Lichtblicke, steht aber insgesamt noch auf einem instabilen Fundament – auch wegen des wahrscheinlich (nahezu) ausgeschöpften Zinssenkungspotenzials bei bislang noch nicht bezwungener Inflation.

Deutsche Exportmöglichkeiten 2026 auf breiterer Basis

Genau wegen des zitierten instabilen Fundaments beim privaten Konsum hat sich die schwedische Regierung für reichlich Konsumstimulierung entschieden. Mit welcher Durchschlagskraft bleibt noch abzuwarten. Offen bleiben auch noch die wirtschaftspolitischen Erwartungen für die Zeit nach den Reichstagswahlen. Noch lässt sich nur wenig an vielversprechenden Strukturverbesserungen in wichtigen Bereichen wie beispielsweise (Aus-)Bildung, Steuern, Gesundheitswesen, Wohnungsmangel und Kultur erkennen. Hoffentlich wird im bald erscheinenden Haushaltsentwurf mehr konkretisiert.

„Sollte sich die geopolitische Lage verbessern oder zumindest nicht weiter verschlechtern, könnten sich die Rahmenbedingungen für deutsche Exporteure und Investoren auf dem schwedischen Markt im Jahr 2026 etwas günstiger gestalten.“

Wie auch immer – sollte sich die geopolitische Lage verbessern oder zumindest nicht weiter verschlechtern, könnten sich die Rahmenbedingungen für deutsche Exporteure und Investoren auf dem schwedischen Markt im Jahr 2026 etwas günstiger gestalten. Mehr hierzu in ein paar Wochen, genauer am 22. September.

Hubert Fromlet

 

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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