Die neue schwedische Regierung

Foto: Martina Huber/Regeringskansliet

Schweden hat gewählt: Löfven gibt die Richtung vor

17.10.2014

Nach der Wahl zum riksdag am 14. September war zunächst unklar, wie die neue schwedische Regierung aussehen würde. Nun steht fest: Eine Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten (Socialdemokraterna) und Grünen (Miljöpartiet de gröna) unter dem neuen Ministerpräsidenten Stefan Löfven wird in den kommenden vier Jahren die Geschicke des Landes lenken.

Minderheitsregierungen sind in Schweden nicht ungewöhnlich, doch die aktuelle ist mit 138 von 349 Sitzen im Parlament und knapp 38 Prozent der Wählerstimmen eine auch im historischen Vergleich besonders schwache. Die Vorgängerregierung, bestehend aus den vier bürgerlichen Parteien, kam 2010 immerhin auf 173 Sitze und gut 49 Prozent.

Für den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven und sein rot-grünes Kabinett hat diese Ausgangsposition zur Folge, dass sie bei ihren Gesetzesvorhaben auf Unterstützung aus den Reihen der anderen Parteien angewiesen sind. Deren Bereitschaft zu Kompromissen wird die Regierungsfähigkeit der Koalition stark beeinflussen.

Schwedens erste grüne Minister

Am 3. Oktober verlas Löfven seine Regierungserklärung im Parlament und stellte gleichzeitig die 23 neuen Minister vor. Erstmals in der schwedischen Geschichte übernehmen die Grünen einige Ministerposten.

Insgesamt ist die Umweltpartei mit sechs Ministern im Kabinett vertreten, darunter mit dem Umwelt- und Bildungsministerium auch in zwei Schlüsselressorts. Bei der Vergabe der Ministerposten hat Löfven teilweise auf altbekanntes Führungspersonal zurückgegriffen, was sich zum Beispiel an der ehemaligen EU-Kommissarin Margot Wallström zeigt, die nun das Außenministerium übernimmt.

Schwedens neuer Ministerpräsident selbst ist seit Anfang 2012 Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei. Der gelernte Facharbeiter für Schweißtechnik muss sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, über keine Erfahrung als Spitzenpolitiker oder auf internationaler Bühne zu verfügen. Bis 2012 war Löfven Vorsitzender der Industriegewerkschaft IF Metall, was ihm auch den Weg ins Führungsgremium der Sozialdemokraten ermöglichte. Er ist bereits seit seiner Jugend in der Partei engagiert.

Löfven stimmt auf Reformen ein

In der Regierungserklärung benannte Löfven das Ziel, Schweden zu einem „globalen Vorbild und einer inspirierenden Kraft in der Welt“ machen zu wollen. Dazu seien Reformen nötig, die unter anderem auch den Energiesektor betreffen.

Gemeinsam geführte Ministerien lassen den geplanten Umfang der Reformen erahnen. So ist die Grünen-Vorsitzende Åsa Romson Klima- und Umweltministerin, der Sozialdemokrat Ibrahim Baylan Energieminister. Bereits innerhalb des Umweltministeriums müssen dementsprechend die teilweise unterschiedlichen Positionen der Regierungsparteien auf einen Nenner gebracht werden.

In der Energiepolitik plant die Löfven-Regierung eine Umstellung, bei der die Kernkraft auf lange Sicht zu 100 Prozent durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden soll. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, strebt der Ministerpräsident einen „schwedischen Energiekonsens“ an, der durch blockübergreifende Gespräche zustande kommen und ein nachhaltiges Abkommen garantieren soll. Angesichts der teilweise gegensätzlichen Positionen der Oppositionsparteien dürfte eine solche Einigung aber harte Arbeit werden.

Schwedische „Energiewende“

Als erste Richtmarke sollen bis 2020 mindestens 30 Terrawatt-Stunden Strom aus erneuerbaren Energien stammen. Der Kampf gegen den Klimawandel wird außerdem auch auf Verbraucherebene weiterverfolgt: Für den Kauf von Autos mit geringem Schadstoffausstoß ist beispielsweise eine neue Art von Umweltprämie im Gespräch.

Direkte Auswirkungen auf Deutschland dürfte die Entscheidung der Regierung haben, den staatlichen Energiekonzern Vattenfall führend in Sachen schwedische „Energiewende“ zu machen. Vattenfalls geplante Ausweitung der Braunkohleförderung in der Lausitz ist daher vorerst gestoppt.

Über den aktuellen Stand der Energiewende in Schweden und Deutschland und darüber, was beide Länder in dieser Beziehung voneinander lernen können, diskutieren in Kürze auch Pieter Wasmuth, Generalbevollmächtigter der Vattenfall GmbH für Hamburg und Norddeutschland und Vice President Communications Business Region Continental/UK, und Erik Brandsma, Generaldirektor der schwedischen Energiebehörde, im Rahmen der wirtschaftspolitischen Diskussionsreihe der Deutsch-Schwedischen Handelskammer, Tyskland i dialog. 

Kampf gegen die Arbeitslosigkeit

Auch auf dem Arbeitsmarkt möchte die neue Regierung Reformen voranbringen. Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit von etwa 17 Prozent will Löfven die im Wahlkampf von den Sozialdemokraten beworbene 90-Tage-Garantie einführen: Innerhalb dieser Zeitspanne sollen Jugendliche künftig einen Job, ein Praktikum, eine Trainee-Stelle oder eine Ausbildung erhalten.

Auf alle Arbeitnehmer bezogen hat sich die rot-grüne Regierung das Ziel gestellt, 2020 die EU-weit niedrigste Arbeitslosenquote vorweisen zu können. In dieses Vorhaben sind vor allem Arbeitsmarktministerin Ylva Johansson und Wirtschafts- und Innovationsminister Mikael Damberg involviert.

Investitionen sollen Konjunktur ankurbeln

Hinsichtlich des Staatshaushalts befindet sich Schweden derzeit in einer angespannten Lage. Bei nur geringem Wirtschaftswachstum beträgt das Haushaltsdefizit dieses Jahr etwa 90 Milliarden schwedische Kronen (SEK, umgerechnet etwa 9,8 Milliarden Euro). Zur Stärkung der Konjunktur hat Ministerpräsident Löfven in seiner Regierungserklärung daher zusätzliche staatliche Investitionen in den Wohnungsbau und die Infrastruktur angekündigt. Die Aufrüstung und der Ausbau des Eisenbahnnetzes sollen dabei Priorität genießen.

Finanzministerin Magdalena Andersson hat jedoch zum verantwortungsvollen Haushalten angemahnt. Regeln seien dazu da, eingehalten zu werden, weswegen Reformen nicht mit neuen Schulden umgesetzt werden sollen.

Steuererhöhungen angekündigt

Die Regierung ist bereits mit der Linkspartei (Vänsterpartiet) übereingekommen, 2015 die Steuern um insgesamt 18 Milliarden Kronen (etwa 20 Milliarden Euro) zu erhöhen. So sollen unter anderem der Steuerfreibetrag herabgesetzt werden, Beiträge zur privaten Altersvorsorge nur noch bis zu einer Höhe von 1.800 SEK (etwa 200 Euro) pro Jahr steuerlich absetzbar bleiben (bisher 12.000 SEK, umgerechnet etwa 1.300 Euro, pro Jahr) und die Abgaben für Kernkraftwerksbetreiber ebenso wie die Tabaksteuer steigen.

Auch außerhalb Schwedens vertritt Andersson eine disziplinierte Finanzpolitik. Am 14. Oktober hat sie in Luxemburg ihr EU-Debüt im Ministerrat gegeben und sich dagegen ausgesprochen, derzeitigen Krisenländern wie Frankreich oder Italien Ausnahmen bei den Defizitbegrenzungen zu gewähren.

Umfassende Reformen strebt die rot-grüne Regierung auch im Bildungsbereich an. Welche Maßnahmen konkret ergriffen werden, wird sich aber erst in den nächsten Monaten zeigen. Eines ist jedoch bereits sicher: Schweden wird sich nach acht Jahren bürgerlicher Regierung auf einige Veränderungen einstellen müssen.

 

Schwedens neues Kabinett (Auswahl)

Ministerpräsident: Stefan Löfven (Sozialdemokraten)

Klima- und Umweltministerin, stellv. Ministerpräsidentin: Åsa Romson (Grüne)

Außenministerin: Margot Wallström (Sozialdemokraten)

Wirtschaftsminister: Mikael Damberg (Sozialdemokraten)

Finanzministerin: Magdalena Andersson (Sozialdemokraten)

Innenminister: Anders Ygeman (Sozialdemokraten)

Justiz- und Migrationsminister: Morgan Johansson (Sozialdemokraten)

Verteidigungsminister: Peter Hultqvist (Sozialdemokraten)

Bildungsminister: Gustav Fridolin (Grüne)

Ministerin für Hochschulen und Forschung: Helene Hellmark Knutsson (Sozialdemokraten)

Infrastrukturministerin: Anna Johansson (Sozialdemokraten)

Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung: Mehmet Kaplan (Grüne)

Energieminister: Ibrahim Baylan (Sozialdemokraten)

Minister für Finanzmarkt und Verbraucherschutz: Per Bolund (Grüne)

Arbeitsmarktministerin: Ylva Johansson (Sozialdemokraten)

Sozialversicherungsministerin: Annika Strandhäll (Sozialdemokraten)

Minister für ländliche Entwicklung: Sven-Erik Bucht (Sozialdemokraten)

Kultur- und Demokratieministerin: Alice Bah Kuhnke (Grüne)