Ralph-Georg Tischer und Prof. Hubert Fromlet

Meinungsbeitrag in Dagens industri: Neuanfang für Europa

09.01.2024

In einem gemeinsamen Meinungsbeitrag, der am 9. Januar in der schwedischen Tageszeitung Dagens industri veröffentlicht wurde, fordern Ralph-Georg Tischer, Geschäftsführer der Deutsch-Schwedischen Handelskammer, und Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Handelskammer, Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU.


Hier eine auszugsweise Übersetzung des Zeitungsbeitrages:

Wir haben eine Liste von zehn Faktoren zusammengestellt, die die Wettbewerbsfähigkeit der EU steigern könnten. Verbesserungen, die schwierig, aber nicht unmöglich zu erreichen sind. Ohne eine echte Umkehr der Politik der Mitgliedstaaten hin zu mehr Zusammenarbeit und weniger Nationalismus wird es keine Fortschritte geben.

  • Eine gemeinsame Wirtschaftspolitik und politische Harmonie: Die EU-Länder sind vielfach bestrebt, unabhängig voneinander eine eigene Wirtschaftspolitik zu betreiben. Dennoch gibt es viele Bereiche, in denen gemeinsame Ziele verfolgt werden können. Dazu gehören Investitionen in das Humankapital (Bildung), die Verbesserung der Institutionen (weniger Bürokratie, schnellere Bearbeitung von Genehmigungen), Klima und Umwelt, sowie die noch nicht vollendete Kapitalmarktunion der EU.
     
  • Eine koordinierte und kohärente Außenpolitik: Die fehlende außenpolitische Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ländern ist eine der schwächsten Glieder der EU. Es ist kein Geheimnis, dass China und Russland eine schwache EU wollen. Es ist daher wichtig, dass die EU eine einheitlichere und stärkere Außen- und Handelspolitik betreibt.
     
  • Mehr Fokus auf Klima und Umwelt: Die EU muss entschlossener handeln. In Deutschland hat das Verwaltungsgericht Berlin-Brandenburg kürzlich sogar die Bundesregierung zu zusätzlichen Anstrengungen zur Förderung des Klimawandels verpflichtet. Die EU und ihre Länder müssen unbedingt Ambitionen, Ziele, Gesetze und Anreize entwickeln.
     
  • Investitionen in Bildung in der gesamten EU: Groß angelegte Bemühungen um ehrgeizige Verbesserungen des Bildungsniveaus in einem Land können erheblich zum Wachstum beitragen. Der jüngste PISA-Bericht der OECD ist ein deutliches Warnsignal für Deutschland und andere EU-Länder.
     
  • Institutioneller Aufschwung auf breiter Front: Institutionelle Verbesserungen sollten zur Priorität werden. Nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) entstehen derzeit aus einem neu geschaffenen EU-Gesetz 3,5 weitere, Tendenz steigend. Bürokratieabbau fördert das Wirtschaftswachstum und ist eine kostengünstige Maßnahme, die den Unternehmen einen psychologischen Schub geben kann.
     
  • Bekämpfung des Arbeitskräftemangels: Der Mangel an qualifizierten und anderen benötigten Arbeitskräften stellt in einer Reihe von EU-Ländern, insbesondere in Deutschland, ein erhebliches Hindernis dar. Besser ausgebildete Arbeitskräfte, auch aus dem Ausland, erhöhen die Produktivität und Qualität des Arbeitseinsatzes.
     
  • Ankurbelung des Wohnungsbaus: In vielen EU-Ländern herrscht auf den Wohnungsmärkten ein enormer Mangel an Wohnraum. In einigen EU-Ländern sind instabile Arbeitsmärkte oft eine Folge des Wohnungsmangels. Es ist höchste Zeit für die EU, auf breiter Front neue Anreize für den Wohnungsbau zu schaffen.
     
  • Nutzung der Innovations- und Produktchancen, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben: Die Alterung der Bevölkerung bringt große Veränderungen in der gesellschaftlichen Entwicklung mit sich, die viele Innovationsmöglichkeiten und neue Bedürfnisse mit sich bringen, was zu neuem Exportpotenzial führen kann, auch für schwedische Unternehmen.
     
  • Deutliche Liberalisierung des Dienstleistungssektors: Hier gibt es ein erhebliches Liberalisierungspotenzial. Die derzeitigen Hindernisse betreffen viele Bereiche, darunter den Finanzsektor, Reziprozitätsbarrieren (insbesondere für ausländische Investitionen außerhalb der EU) und Zölle. Darüber hinaus sollten einsichtige Politiker Handelsabkommen in Richtung multilateraler Vereinbarungen vorantreiben.  Die traditionell freihandelsfreundliche Handelspolitik Schwedens kann als gutes Beispiel hervorgehoben werden.
     
  • Mehr Wissen auch für Politikerinnen und Politiker: Politik und Wahlberechtigte sollten ihr Wissen erweitern, um es extremen Parteien schwerer zu machen, Wähler zu erreichen. Wissen und Argumente können unentschlossene Wählerinnen und Wähler überzeugen. Die Bedeutung von politischer Kompetenz und damit politischer Wettbewerbsfähigkeit für den internationalen Erfolg von Unternehmen sollte nicht unterschätzt werden.


Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft müssen ihre Kräfte bündeln, ihre Anstrengungen zur Schaffung eines wettbewerbsfähigen Europas beschleunigen und den grenzenlosen EU-Binnenmarkt zur Zusammenarbeit nutzen. Die 2017 von beiden Regierungen unterzeichnete deutsch-schwedische Innovationspartnerschaft muss auf der Grundlage der aktuellen Herausforderungen und der Stärke unserer Unternehmen überarbeitet und erneuert werden.

Diese Maßnahmen müssen bereits vor den EU-Wahlen im Juni 2024 in Angriff genommen werden. Wir fordern daher ein starkes Engagement im EU-Wahlkampf auch von verantwortungsbewussten schwedischen Politikerinnen und Politikern. Auch Schwedens zukünftiges Potenzial für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit hängt vom Ausgang der kommenden EU-Wahlen und der daraus resultierenden politischen Machtverteilung im Europäischen Parlament ab.“

Lesen Sie den vollständigen Artikel hier (auf Schwedisch)