Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer
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Internationaler Frauentag 2022 – Mehr Fortschritte auch gut für die Wirtschaft

07.03.2022

Zum Internationalen Frauentag analysiert Senior Advisor Prof. Hubert Fromlet die ökonomischen Effekte einer erfolgreichen Gleichstellung von Frauen und Männern. 

Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Lage von Frauen hat sich in vielen Ländern in den letzten Jahrzehnten spürbar verbessert. Dennoch lässt die Entwicklung weltweit noch viel zu wünschen übrig. Dies gilt auch für Schweden, obwohl der Gleichstellungsindex der EU das Land sogar an erster Stelle sieht. In 2021 erreichte Schweden eine Indexzahl von 83,9 bei 100 möglichen Punkten. Da ist noch Luft nach oben, in Deutschland mit 68,6 ebenfalls.

Zusammenhänge müssen besser erklärt werden

Die zahlreichen Argumente zugunsten der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind inzwischen vielfach wissenschaftlich belegt. Sie können u. a. sozialer, politischer, demokratischer, humaner oder psychologischer Natur sein. In diesem Jahr will ich mich anlässlich des Internationalen Frauentags auf die ökonomischen Effekte konzentrieren – und hier in erster Linie auf das Wachstum des BIPs bezogen. Im Grunde geht es um die Entwicklungen von der Mikro- zur Makroökonomie, d. h. von individueller Veränderung zur nationalen Gesamtheit.

„Es wäre der geschlechtsbezogenen Chancengleichheit sehr dienlich, wenn Forschung und Politik diese Zusammenhänge pädagogisch besser erklären könnten.“

Es wäre der geschlechtsbezogenen Chancengleichheit sehr dienlich, wenn Forschung und Politik diese Zusammenhänge pädagogisch besser erklären könnten. Daran mangelt es nach wie vor. Es kann ja nicht vorausgesetzt werden, dass die sogleich näher erklärten volkswirtschaftlichen Zusammenhänge allgemein bekannt sind – auch nicht, dass jederort erkannt werden kann, inwiefern sichtbare Fortschritte bei der Gleichberechtigung auch wirtschaftlich eine Win-Win-Situation darstellen.

Lebenszyklusperspektive als Maßstab

Meines Erachtens sollten Maßnahmen für eine gute Gleichberechtigung von Frauen eine Lebenszyklusperspektive zugegeben werden. Der Lebenszyklus einer Frau erstreckt sich vom Kindergarten- und Schulalter bis zur Berufsausbildung und Berufswahl und betrifft sodann Arbeitsvertrag, Beförderungen (auch auf Führungspositionen) und schließlich akzeptable Voraussetzungen für das Rentenalter. Im Falle einer Mutterschaft berücksichtigt der Lebenszyklus die Herausforderungen, die mit der „Babypause“, Erziehungszeiten, Wiedereinstieg und dem Balanceakt zwischen Beruf und Familie verbunden sind. Immer bedeutender wird auch der Aspekt von Auszeiten für die Pflege von älteren oder kranken Angehörigen.     

Neben der Berücksichtigung der Lebenszyklusperspektive würden aber auch Bemühungen, Digitalierungskompetenzen und Umweltkenntnisse allgemein auszubauen, zur Verbesserung der Stellung von Frauen beitragen. Daran mangelt es jedoch nach wie vor in vielen Ländern.

„Desweiteren sollte beachtet werden, dass ein sichtbarer Aufschwung für die Gleichstellung von Frauen und Männern sowohl umfangreiche als auch langwierige Einsätze erforderlich macht.“

Desweiteren sollte beachtet werden, dass ein sichtbarer Aufschwung für die Gleichstellung von Frauen und Männern sowohl umfangreiche als auch langwierige Einsätze erforderlich macht. Erst wenn dies geschieht, kann das Wachstum einer Volkswirtschaft nachhaltig und sichtbar über mehr Gleichberechtigung beeinflusst werden. Im umgekehrten Ansatz – mehr Gleichberechtigung von Frauen über gutes Wachstum – ist die wissenschaftliche Beweisführung wesentlich schwächer.

Wie führt letztendlich mehr Gleichberechtigung zu mehr Wachstum?

Wohlfundierte Verbesserungen für Frauen in der Wirtschaft setzen eine konkrete Strategie für praktisches Handeln voraus. Dies könnte folgendes beinhalten:

  • Erstellung einer nationalen Strategie für die Gleichberechtigung von Frauen, gesetzlich und durch Tarifpartner auf allen Ebenen – mit Anwendung von Anreizsystemen und konkreten numerischen Zielen                                                             
  • jährliche Auswertung mit eventuellen Verbesserungsvorschlägen
  • nach fünf Jahren: wissenschaftlicher Bericht mit Auswertung der Effekte von mehr Gleichberechtigung auf die verfügbaren Einkommen von Frauen, den privaten Konsum und das BIP                                                                  
  • danach in regelmäßigen Abständen alle drei Jahre neue Versionen des oben genannten wissenschaftlichen Berichts mit Verbesserungsauflagen  

Theoretisch (wissenschaftlich) könnten die Reaktionsfunktionen nach nennenswert verbesserter Gleichberechtigung von Frauen wie folgt aussehen:

  • erhöhtes disponibles Einkommen für Frauen durch bessere Bedingungen am Arbeitsmarkt
  • durch bessere Bedingungen am Arbeitsmarkt zu höherem disponiblen Einkommen (höhere Lohnsumme)
  • durch höheres disponibles Einkommen zu mehr privatem Konsum
  • durch mehr privaten Konsum zu mehr BIP-Wachstum
  • durch mehr BIP-Wachstum eventuell auch zu mehr Jobs

Natürlich wird es viele Jahre dauern und zudem ein geraumes Maß an Entschlossenheit erfordern, um zu den oben dargestellten positiven volkswirtschaftlichen Reaktionen zu kommen. Gerade deswegen sollte keine Zeit verloren gehen, um schließlich auf mittlere Sicht zu breit angelegter Gleichberechtigung von Frauen zu kommen – und damit der Wirtschaft neue Impulse zu geben. 

 

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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