Die Globalisierung geht weiter

22.06.2023

Vielerorts spricht man vom Ende der Globalisierung. Diese Behauptung erachtet Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer als grundsätzlich falsch. Man sollte sich viel mehr fragen, ob die Globalisierung der Zukunft eher unter positiven oder negativen Vorzeichen stehen wird. In seinem Sommerartikel geht Prof. Fromlet auf die Entwicklung und Stufen der Globalisierung ein und welche Schlussfolgerungen deutsche sowie schwedische Unternehmen daraus ziehen können.

Eines ist gewiss: der Inhalt der Globalisierung wird sich teilweise deutlich verändern. Um die künftige Entwicklung besser beurteilen zu können, sollten internationale Unternehmen begonnene und anstehende Veränderungen in der globalen Politik, Produktion, Lokalisierung, Finanzwirtschaft und Umwelt daher schärfstens im Auge behalten.     

Gute und schlechte Seiten der Globalisierung von morgen

Globalisierung ist kein neues Phänomen. Sie geht eigentlich auf die Kolonialisierung von Südamerika, Asien und Afrika zurück. Damals ging es hauptsächlich um den Erwerb von Rohstoffen, was übrigens momentan auch als Hauptgrund für Chinas globale Expansion außerhalb der etablierten Industrieländer zu sehen ist.

„Auch Warentransporte lange vor der Kolonialisierung über die Seidenstraße von Asien nach Europa können als Vorstufen der Globalisierung gesehen werden.“

Auch Warentransporte lange vor der Kolonialisierung über die Seidenstraße von Asien nach Europa können als Vorstufen der Globalisierung gesehen werden.  

Was heutzutage zumeist als (moderne) Globalisierung betrachtet wird, nahm seinen Anfang nach dem zweiten Weltkrieg mit der Liberalisierung des Welthandels und anderen Deregulierungen, vor allem der Finanzmärkte.

Stufen der modernen Globalisierung
(in etwa chronologisch, mit zeitlichen Überschneidungen und verschiedenen Startpunkten für einzelne Länder)

Globalisierung von:

  • Handelsströmen,
  • Finanzmärkten,
  • Informationen,
  • Investitionen, Produktion und Lieferketten
  • Arbeitsmärkten,
  • Bildung / Ausbildung,
  • wissenschaftlicher Forschung,
  • Umweltpolitik (seitens der Politik sowie der Forschung),
  • unternehmerischer Forschung und Entwicklung
  • psychologischen Überreaktionen (Optimismus und „Angst“),
  • gewissen Institutionen (mit Aufsichts- und Kontrollmandaten),
  • ethischen Prinzipien (wenn möglich),
  • noch schnellerer Digitalisierung und Entwicklung von KI (AI),
  • Behandlung schwerer Epidemien, auch mit vertiefter Forschung,
  • Reaktionen auf primär regionale Konflikte (wie beim Krieg in der Ukraine)

Natürlich können einzelne oben genannte Globalisierungsfaktoren zukünftig an Gewicht gewinnen oder verlieren – Globalisierungsfaktoren, die aber wohl allesamt bestehen bleiben und auch bei teilweise abnehmender Bedeutung keinesfalls den Begriff „Deglobalisierung“ rechtfertigen würden.

Interessante wissenschaftliche Erkenntnisse

Vor kurzem publizierten die Ökonomen Pinepoli Goldberg (Yale University) und Tristan Reed (The World Bank) eine sehr interessante Studie über Globalisierung und Deglobalisierung mit der These, dass sich das Tempo der Globalisierung weiterhin zurückbilden könnte – aber ohne die Globalisierung per se in Zweifel zu stellen. Goldbergs und Reeds Forschung kommt auch zu dem etwas überraschenden Ergebnis, dass Covid-19 ohne oder mit geringerer Globalisierung das globale Wachstum negativer beeinflusst hätte. 

Konsequenzen für schwedische und deutsche Unternehmen

Analysiert man die prozentualen Veränderungen von Welthandel und globalem BIP der letzten Jahre, lässt sich leicht erkennen, dass das lange Zeit übliche doppelte Wachstumstempo des Welthandels im Vergleich zum globalen BIP wohl der Vergangenheit angehört. Inzwischen haben sich die beiden Veränderungsraten deutlich angenähert.

Dies lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen wie das verlangsamte Wachstum der Weltwirtschaft und die damit reduzierte Importneigung (insbesonders von Europa und China), verstärkter Protektionismus, verlangsamte Lieferketten, Finanzierungsrestriktionen und schlechteres politisches Management in wichtigen Export- und Importländern. Dies sind negative Faktoren, die aber nicht unbedingt (langfristiger) originärer Natur sind.

„Globales Denken und Agieren statt erstarkendem Nationalismus muss die Antwort für die Zukunft sein.“

Allerdings muss schon einiges in den nächsten Jahren gut oder besser gestaltet werden. Das heißt, es sollten reichlich vorhandene theoretische Wachstumspotenziale genutzt und nicht zuletzt internationale politische Spannungen abgebaut werden. Zudem gibt es auch viele andere – nichtwirtschaftliche – Bereiche von (notwendiger) weiterer Globalisierung, welche sich aus den oben aufgeführten Globalisierungsstufen ergeben.

Globales Denken und Agieren statt erstarkendem Nationalismus muss die Antwort für die Zukunft sein – zumindest bei Benutzung von naheliegender Logik in den meisten politischen, sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Bereichen. In der Anwendung von kommerzieller Logik – auch bei Politikerinnen und Politikern – liegt auch die große Hoffnung für die globale, schwedische und deutsche Unternehmerschaft. An diese Hoffnung möchte ich nach wie vor glauben. Damit würden weiterhin die positiven Globalisierungsperspektiven dominieren – trotz aller Risiken.

Dies wäre auch gut für die deutsch-schwedischen Wirtschaftsbeziehungen!

 

Kontakt

Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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