Aktuelle Konjunktur und Prognosen

09.02.2024

Zwar haben sich in jüngster Zeit einige Lichtblicke für die schwedische Wirtschaft aufgetan, doch gibt es weiterhin auch schlechte Zahlen. Ein möglicher konjunktureller Wendepunkt nimmt sich derzeit für die meisten Expertinnen und Experten noch sehr vage aus. Ein Konjunkturaufschwung lässt sich schwieriger frühzeitig erkennen als ein Konjunkturabschwung, meint Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

In den letzten Monaten habe ich mehrmals auf Schwedens zurückhaltenden finanzpolitischen Kurs in 2024 hingewiesen. Auch ließ sich zur Jahreswende keine nennenswerte oder einigermaßen gesicherte internationale Hilfestellung für die schwedische Wirtschaft ausmachen. 

„Somit blieben als konkrete Hoffnungsträger nur noch der Rückgang von Inflation und Zinsen.“

Somit blieben als konkrete Hoffnungsträger nur noch der Rückgang von Inflation und Zinsen.

Inzwischen kann man konstatieren, dass sich die Inflation im Dezember 2023 tatsächlich auf 4,4 Prozent von 5,8 Prozent im Vormonat reduziert hat (im Jahresvergleich). Damit liegt die gegenwärtige schwedische Inflation zwar nach wie vor deutlich über dem Inflationsziel der Reichsbank, doch dürften die nächsten Monate weitere Entlastung an der Inflationsfront bieten. Auch der weitere Rückgang der deutschen Inflation von 3,7 Prozent im Dezember 2023 auf 2,9 Prozent im Januar könnte einen Hinweis auf einen weiteren schwedischen Inflationsrückgang geben. Aber wie schnell und bis zu welchem Niveau? Von diesen Entwicklungen hängt die weitere schwedische Zins- und Konjunkturentwicklung in hohem Maße ab.

Erwähnenswert bleiben noch die jüngsten Werte für den Einkäuferindex (PMI) und für den Einzelhandel – beide mit Verschlechterungen im Januar 2024 respektive Dezember 2023. Man kann zwar auf einen konjunkturellen Wendepunkt in den nächsten zwei bis drei Quartalen hoffen, aber noch nicht mit hinreichender Sicherheit prognostizieren.  

Prognosen benötigen breite Analyse – besonders bei Wendepunkten

Wie schon oben angedeutet, werden Wendepunkte – vor allem nach einer Phase schlechter Konjunktur – immer wieder zu früh angesprochen. Oft wird nicht gründlich genug recherchiert. Da Finanzmärkte sich normalerweise als erste Akteure analytisch um eventuelle Konjunkturwendepunkte kümmern, erscheint es logisch, sich gewisse Forschungsergebnisse der Finanzmarktpsychologie (”behavioral finance”) in Erinnerung zu rufen. Einige Aspekte lassen sich gut auf die Analyse von konjunkturellen Wendepunkten übertragen und sollen hier nochmals kurz skizziert werden:

”Herd mentality” (Herdentrieb).
Hier handelt es sich um das altbekannte Herdengebaren bis zur Bildung einer (deutlichen) Mehrheit.

”Preference for certain news” (Vorliebe für gewisse Typen von Info).
Bei dieser Variante kommt es zum Festhalten von (teilweise) überholten Meinungsbildungen trotz inzwischen revisionsbedürftigen Parametern.

”Overconfidence” (Selbstüberschätzung).
Dieses psychologische Verhalten bringt ungerechtfertigte Selbstüberschätzung zum Ausdruck. Nobelpreisträger Robert Shiller hat dieses Phänomen bestens mit folgenden Worten beschrieben: “People think they know more than they really do”.

“Heuristic dealing with info” (selektiver und intuitiver Umgang mit Info). 
Diese psychologische Reaktion kommt zumeist auf Finanzmärkten vor und baut vor allem auf Erfahrung und Intuition. Aufgrund der Schnelligkeit der Einschätzungen kommt es immer wieder zu überhasteten Interpretationen.

“Differences in interpretation” (verschiedene Deutungen derselben Info). 
Manchmal lässt sich beobachten, dass ein und dieselbe Meldung zu (völlig) unterschiedlichen Reaktionen führen kann. Diese kommt nicht zuletzt bei Wendepunktanalysen vor.

“Way of sending messages” (Ton und Wortwahl bei Nachrichtenanalyse). 
Konjunkturanalysen können mit guter Hoffnung oder mit sichtbarer Besorgnis vorgetragen werden – je nach Rolle und Einfluss der referierenden Person. Will man von einer baldigen Wende sprechen oder nicht – was passt besser?

Der schwedische Wendepunkt kommt – aber wie deutlich?

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass einige der oben zitierten psychologischen Charakteristika auch bei der kommenden Wendepunktanalyse in Betracht gezogen werden sollten. Unternehmen geht es in der Regel hauptsächlich um Wendepunkte – und weniger um die Frage, ob das BIP im nächsten Quartal um 0,25 oder 0,5 Prozent zunimmt.

„Bislang ist von einem konjunkturellen Wendepunkt in Schweden aber noch wenig zu sehen.“

Bislang ist von einem konjunkturellen Wendepunkt in Schweden aber noch wenig zu sehen. Die große Hoffnung liegt bei wahrscheinlich sinkenden Zinsen – aber in welchem Tempo, in welchem Umfang und mit welcher Stabilität? Davon wird die Stärke der Entwicklung nach dem Wendepunkt entscheidend abhängen, zumal die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen auf globaler Ebene noch immer nicht zu nennenswertem Optimismus einladen.

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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