Blaue Wand, Schatten von Menschen und der Text "Wirtschaftliche Einschätzungen zum Coronavirus. Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer"

Wirtschaftspolitik in Schweden und Deutschland in Coronazeiten

11.05.2020

Wirtschaftspolitik wird auch in Coronazeiten in erster Linie im eigenen Land gemacht, von der Zinspolitik und den liquiditätsverstärkenden Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) innerhalb der Euroländer abgesehen. Wir wissen auch, dass die Politik der schwedischen Zentralbank normalerweise kaum vom Kurs der EZB abweicht.

Dagegen unterscheidet sich die coronabedingte Wirtschaftspolitik der schwedischen und der deutschen Regierung erheblich. Generell werden in Schweden Hilfen für Arbeitnehmer fokussiert, während in Deutschland die Rettung von Arbeitgebern im Vordergrund steht.

Bessere virale Strategie?

Dem aufmerksamen Beobachter wird kaum entgangen sein, dass sich die virale Bekämpfung von Covid-19 in Schweden und Deutschland noch stärker unterscheidet als die Wirtschaftspolitik beider Länder. Schweden ist es schon seit dem offensichtlichen Ausbruch der Coronakrise Anfang März wichtig gewesen, die Mobilität der Bevölkerung zu bewahren, während sich die Bewohner Deutschlands bis vor kurzem nahezu isoliert und abgeschnitten von der Außenwelt gefühlt haben. Interessanterweise fanden beide Strategien von Anfang an breite Unterstützung der jeweiligen einheimischen Bevölkerung.

Allerdings kippte die tolerante Stimmung zuletzt etwas in Deutschland, während dem fast uneingeschränkten Meinungsmonopol der obersten Gesundheitsbehörde Folkhälsomyndigheten in Schweden nach wie vor nur wenig Kritik entgegengehalten wird – trotz bislang klar günstigerer Coronaresultate in den nordischen Nachbarländern und auch in Deutschland. Welches Land zuletzt am längeren Hebel sitzen wird – das international vielgescholtene und herdeninfektiös liebäugelnde Schweden oder das bislang nahezu allerorts gepriesene und eher vorsichtige Deutschland – wird sich erst gegen Ende der Coronakrise zeigen. Momentan scheint allerding die deutsche Strategie erfolgversprechender zu sein. Die gegenwärtigen Lockerungen sollten jedoch gut analysiert werden.

Bessere wirtschaftspolitische Strategie?

Die Antwort auf die Frage nach der besseren Strategie ist zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich zu finden. Sie hängt maßgeblich von der Dauer der akuten Coronakrise ab und nicht nur von den einzelnen wirtschaftspolitischen Maßnahmen und Schwerpunkten.

Wie angedeutet, bevorzugt Schweden – wie traditionell üblich in Krisenzeiten – ein Konzept mit direkter oder nahezu direkter finanzieller Unterstützung von Arbeitslosen und Teilzeitbeschäftigen. Dies aus zwei Gründen: Zum einen kann eine derartige Strategie den privaten Konsum unterstützen, zum anderen können sich dadurch die Sympathiewerte der amtierenden Regierung bei den Wählern stabilisieren oder gar erhöhen. Allerdings dauert es dieses Mal plangemäß noch über zwei Jahre bis zu den nächsten schwedischen Wahlen.

Deutschlands wirtschaftspolitische Strategie gegen die Coronakrise läuft darauf hinaus, so viele Unternehmen so schnell und umfangreich wie möglich wieder auf die Beine zu bringen und so die Arbeitslosigkeit zu verringern. Auch diese Strategie ist eine Funktion der Dauer der Coronakrise und der Tiefe des Konjunktureinbruchs. Theoretisch ist es vorteilhaft, steigender Arbeitslosigkeit durch gezielte finanzielle Unterstützung von existenzgefährdeten Unternehmen vorzubeugen. Wie lange und in welchem Umfang dies möglich sein wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen – ebenso wenig wie das Risiko einer zweiten oder gar dritten Viruswelle.

Weitere finanzielle Faktoren

Die Voraussetzungen für drei andere wichtige Faktoren kommen dagegen schon heute zum Vorschein.

Der erste Faktor zielt auf die öffentliche Verschuldung ab. In puncto Verschuldungsquote geht es Schweden deutlich besser als Deutschland: In Schweden betrug die Verschuldung zu Jahresanfang ca. 35 Prozent des BIP, in Deutschland ca. 60 Prozent. Schwedens finanzielle Reserven sind demnach wesentlich höher, zumal die schwedischen Abfederungsprogramme bisher weniger gekostet haben als die deutschen.

Der zweite Faktor bezieht sich darauf, dass schon heute gewisse zukünftige Haushaltsbelastungen erkannt werden können. Diese Entwicklungen können allerdings noch nicht in Zahlen präzisiert werden. Es handelt sich um das Auslaufen und die potenzielle Erneuerung zeitbegrenzter Finanzhilfen.

Der dritte Faktor ist die spätere Inanspruchnahme von staatlichen Bürgschaften. Dies dürfte für Deutschland kostspieliger werden, denn hier liegen die meisten staatlichen Bürgschaften bei 90 oder 100 Prozent der einzelnen Kreditsummen. In Schweden liegen sie dagegen nur bei 70 Prozent, weshalb die Nachfrage nach Notkrediten durch die Banken bislang relativ gedämpft ist.

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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