
Tübingens Baubürgermeister Cord Soehlke erklärte, wie die Stadt mit Baugemeinschaften zusammenarbeitet.

Staffan Schartner vom Verein für Baugemeinschaften ist für die Deindustrialisierung des Wohnungsbaus in Schweden.

Viele Seminarteilnehmer nutzten die Fachkonferenz, um miteinander ins Gespräch zu kommen und Erfahrungen auszutauschen.

Anna Denell, Nachhaltigkeitschefin des Immobilienverwalters Vasakronan, stellte die Energiesparmaßnahmen ihres Arbeitgebers vor.

Anna Denell erklärte, dass Vasakronan durch seine Nachhaltigkeitsarbeit jährlich rund 100 Millionen Kronen einspart.

Nachhaltige Gebäude brauchen nachhaltige Finanzierungslösungen“, sagte Kristoffer Lüthi, stellv. Geschäftsführer der Ekobanken.

Thomas Patzak, Verkaufschef Europa von EPM-Papst, sprach über Innovationen und Nachhaltigkeit als Unternehmensphilosophie.

Auf der Sustainable Days-Ausstellung konnten Besucher ein Modell der nordschwedischen Stadt Kiruna nach deren Umzug begutachten.

Hamburg-Wilhelmsburg präsentierte sich als erfolgreiches Beispiel für nachhaltige Stadtplanung in Deutschland.

Viele Messebesucher zeigten Interesse an der Arbeit des Vereins für Baugemeinschaften.

Auch große Infrastrukturprojekte in der Region Stockholm waren Thema auf den Sustainable Days.

Am Messestand der Deutsch-Schwedischen Handelskammer begrüßten Anna Wieditz und Johannes Lundborg interessierte Besucher.
Deutschland Vorbild in schwedischer Wohnungsdebatte
03.04.2014
Schweden will den Energieverbrauch in Gebäuden bis zum Jahr 2050 halbieren. Viele alte Häuser sind renovierungsbedürftig und vor allem in den Ballungsräumen werden auch zahlreiche neue Wohnungen benötigt. Wie lassen sich all diese Anforderungen erfüllen und gleichzeitig die Baupreise senken? Am zweiten Tag der Fachkonferenz „Sustainable Days – featuring Germany“ auf der Baumesse Nordbygg waren sich die Teilnehmer einig, dass Deutschland für Schweden in dieser Frage ein gutes Vorbild abgibt.
Mit den „Sustainable Days – featuring Germany“ hat Nordeuropas größte und bedeutendste Baumesse, die Nordbygg in Stockholm, ihren Themenschwerpunkt in diesem Jahr auf Nachhaltigkeitsfragen gelegt. In einer kompletten Messehalle präsentieren Unternehmen und verschiedene Organisationen ihre Lösungen für diesen Bereich und auf der messebegleitenden Konferenz können deutsche und schwedische Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft aufeinandertreffen und Erfahrungen austauschen.
Die Sustainable Days finden in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Schwedischen Handelskammer statt. Partner sind BASF, EBM-Papst und Siemens.
Am 2. April lautete das Thema des Fachkongresses „Nur wenn der Ertrag stimmt – Immobilienentwicklung und nachhaltige Finanzierung“. Aus beiden Ländern wurden gute Ideen und Lösungsansätze vorgestellt, aber die Diskussion drehte sich hauptsächlich um die deutschen Modelle zum Energiesparen im Gebäudebestand und für mehr Wohnungsneubau.
Großes Interesse an deutschen Förderprogrammen
Besonders aufmerksam verfolgten die Konferenzteilnehmer Petra Bühners Präsentation der KfW-Förderprogramme zur Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden. Bühner, Produktmanagerin Energieeffizient Bauen und Sanieren bei der KfW-Bankengruppe, betonte, dass durch die Renovierung von bestehenden Gebäuden ein entscheidender Beitrag zur Erfüllung der ehrgeizigen Klimaziele der Bundesregierung geleistet wird.
„Der Gebäudesektor ist für rund 40 Prozent des gesamten deutschen Energieverbrauchs verantwortlich. Zwei Drittel davon werden für Wohnhäuser aufgewandt. Das Potenzial zum Energiesparen ist also riesig in diesem Bereich und wir wollen gerne dazu beitragen, dass mehr Häuser energieeffizient saniert werden“, erklärte die KfW-Produktmanagerin.
Bühners Vorstellung der verschiedenen KfW-Förderkredite stieß bei den anwesenden Schweden auf großes Interesse. Ein ähnliches Programm mit niedrigen Zinsen und Bonuszahlungen für besonders energieeffiziente Maßnahmen gibt es in Schweden nämlich nicht.
„Mehr als 400.000 Wohnungen wurden im letzten Jahr mithilfe der verschiedenen Förderprogramme saniert. Ungefähr sechs Millionen Tonnen Treibhausgase sparen wir jedes Jahr ein. Außerdem lohnt sich das Ganze auch für den deutschen Staat. Jeder Euro, der von staatlicher Seite in die Programme investiert wird, zieht private Investitionen in Höhe von drei bis vier Euro nach sich“, berichtete Petra Bühner.
Energiesparkredite wie in Deutschland könnten Sanierungstakt erhöhen
Was den Sanierungsbedarf im Gebäudebestand, den Energieverbrauch und die Sparziele angeht, ähneln sich die Voraussetzungen in Schweden und Deutschland. Deshalb sprach sich Sven Ljung von der schwedischen Baugewerkschaft Byggnads auf den Sustainable Days für die Einführung eines KfW-ähnlichen Fördersystems für Energiesparkredite in Schweden aus.
„Wir müssen das Rad ja nicht ein zweites Mal erfinden. Stattdessen könnten wir die guten Erfahrungen, die man in Deutschland gemacht hat, nutzen. Die Förderprogramme bestehen dort seit mehr als zehn Jahren. Wir müssen nicht mehr beweisen, dass sie funktionieren – wir wissen es“, stellte der Gewerkschafter in seinem Vortrag fest.
Laut Byggnads müssen in den nächsten zehn Jahren in Schweden etwa 500.000 Wohnungen renoviert und energieeffizient umgebaut werden. Derzeit liegt der Sanierungstakt aber lediglich bei 30.000 Wohnungen pro Jahr. Ljung vermisst in Schweden vor allem die politische Einigkeit, die in Deutschland zu dem Thema herrscht.
„Deutschland ist Schweden in dieser Frage etwa zehn Jahre voraus. Aber auch der schwedische Staat könnte sich momentan billiges Geld an den Kapitalmärkten besorgen und diese günstigen Bedingungen an die Eigentümer von Immobilien weitergeben. Mehr in Energiesparmaßnahmen zu investieren wäre gut für das Klima, die Industrie, die Arbeitsplätze und schließlich auch den Steuerzahler“, erklärte Ljung.
Billigere und schönere Häuser durch Baugemeinschaften
Aber selbst wenn in den nächsten Jahren sämtliche bestehenden Gebäude energieeffizient saniert würden, trüge dies kaum zur Bekämpfung des latenten Wohnungsmangels bei, mit dem sich zurzeit viele schwedische Städte und Gemeinden konfrontiert sehen.
Neue Wohnhäuser zu bauen ist in Schweden vergleichsweise teuer und der Genehmigungsprozess lang und kompliziert. Einige wenige große Akteure dominieren nahezu den gesamten schwedischen Wohnungsmarkt. Das in Deutschland erfolgreich praktizierte Bauen über private Baugemeinschaften könnte sich hier als Alternative erweisen, um Schweden mit sowohl billigeren als auch schöneren Wohngebäuden zu versorgen.
„Unsere Baugemeinschaften können die Baupreise etwa 15-20 Prozent niedriger halten als die großen Firmen. Die architektonischen Konzepte sind sehr unterschiedlich und oft auch äußerst innovativ. Außerdem werden die Bürger früh am Planungs- und Bauprozess beteiligt und identifizieren sich deshalb mehr mit den Projekten, wenn sie dann einmal durchgeführt werden“, erklärte Cord Soehlke, Baubürgermeister in Tübingen, in seinem Konferenzbeitrag.
Tübingen war in den 1990er-Jahren einer der Pioniere, was die Vergabe von Projekten an Baugemeinschaften anging. In einer solchen Gemeinschaft schließt sich eine gewisse Zahl an Menschen zusammen, um gemeinsam ein Haus zu errichten. Meist handelt es sich dabei um Privatpersonen, die später in je eine Wohnung in dem Haus einziehen wollen, aber auch Vereine und kleinere Unternehmen können sich beteiligen. Die Gemeinschaft kauft zusammen ein kleines Grundstück, beauftragt einen Architekten und baut das Haus. Während des gesamten Bauprozesses steht ihnen die Stadtverwaltung als Ansprechpartner und zur Unterstützung zur Verfügung.
In der schwäbischen Universitätsstadt sieht man Baugemeinschaften inzwischen als wichtigstes Werkzeug an, um den Neubau von Wohnungen zu stimulieren und dichtbebaute Stadtviertel zu erschaffen, in denen die Bewohner sowohl wohnen als auch arbeiten und ihre Freizeit verbringen können. Mehrere heruntergekommene und ungenutzte Quartiere wurden in den letzten Jahrzehnten umstrukturiert und herausgeputzt. So konnte die Stadt wachsen, ohne mehr Fläche in Anspruch nehmen zu müssen.
„Es hat sich gezeigt, dass dies ein sehr gutes Instrument ist, um die Art von Stadt zu erschaffen, die wir hier haben wollten. Es sind neue dynamische urbane Viertel in Tübingen entstanden. Die Baugemeinschaften haben unseren Projekten eine Seele gegeben“, berichtete Cord Soehlke.
„Bessere Ergebnisse, wenn man gemeinsam baut“
Dieses deutsche Erfolgsmodell nun auch in Schweden einzuführen, hat sich der schwedische Verein für Baugemeinschaften (Föreningen för Byggemenskaper) auf die Fahnen geschrieben. Der Vorsitzende der Organisation, Staffan Schartner, folgte bei den Sustainable Days auf den Tübinger Baubürgermeister und gab in seinem Vortrag seine Meinung zur aktuellen Lage auf dem schwedischen Wohnungsmarkt wieder:
„Es werden hierzulande viel zu wenige neue Wohnhäuser gebaut. Die, die fertiggestellt werden, sehen nicht besonders gut aus. Das Bauen kostet sehr viel und die Regierung setzt sich für eine weitere Industrialisierung der bereits extrem industrialisieren Baubranche ein.“
Staffan Schartner ist der Ansicht, dass sich die schwedische Baupolitik in die falsche Richtung bewegt. Aber anstatt einige wenige Konzerne mit dem Großteil der Bauprojekte zu beauftragen, wollen er und sein Verein erreichen, dass der Wohnungsbau künftig deindustrialisiert wird.
„Es besteht kein Zweifel, dass man bessere Ergebnisse erzielt, wenn man gemeinsam baut. Dieses Konzept ist in Schweden ja auch nicht neu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es sehr viele Baukooperative. Die ersten Wohnungsgenossenschaften wurden von Privatpersonen gebildet, die sich zu etwas zusammengeschlossen haben, was wir heute eine Baugemeinschaft nennen würden“, erklärte er.
Trotz der aktuellen Schwierigkeiten auf dem schwedischen Wohnungsmarkt sieht Staffan Schartner sein Anliegen und seinen Verein im Auftrieb. Das Interesse an Baugemeinschaften wächst in Schweden und einige Kommunen haben bereits Projekte gestartet, bei denen eine kleine Gruppe gemeinsam bauen darf. Der Verein will sich nun dafür einsetzen, weitere Kommunen, vor allem in der Region Stockholm, von den großen Vorteilen dieses ursprünglich deutschen Modells zu überzeugen.
Die Sustainable Days – featuring Germany werden von der Baumesse Nordbygg in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Schwedischen Handelskammer veranstaltet. Partnerunternehmen sind:
Goldpartner: |
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Silberpartner: |
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