Der Text "Schweden unter der Lupe" vor der Skyline von Stockholm

Wie geht es Schwedens Wirtschaft?

15.04.2021

Unser Senior Advisor Prof. Hubert Fromlet wirft einen zahlenmäßigen Blick auf die Lage der schwedischen Wirtschaft. Was sagen die Zahlen aus? Und inwieweit sind diese mit Vorsicht zu genießen?

Schwedens Unternehmen zeigen sich derzeit in recht guter Stimmung – leider noch immer mit Ausnahme der zumeist gebeutelten Hotel-, Gaststätten-, Reise-, Freizeitgestaltungs- und Kulturbetriebe. Die weiterhin viel zu hohen Zahlen für Corona-Neuinfektionen geben diesen auch psychologisch wichtigen Zweigen des Dienstleistungsgewerbes nach wie vor viele Sorgenfalten (7-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner vom 14. April: Schweden 411, Deutschland 153).

Allerdings hat sich das Impftempo zuletzt erhöht. Etwa 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung haben bereits die erste Dosis bekommen. Neugewonnene Impfhoffnungen begründen den zunehmenden Konjunkturoptimismus vieler Experten aus Industrie, Finanzwirtschaft, Politik und Presse. Gleichzeitig beschreiben dieselben Experten eventuelle Rückschläge im Kampf gegen Covid-19 und Mutanten als größtes Wachstumsrisiko.

Aktuelle Zahlen und eigene Benotungen

Barometer- und Indexzahlen

Anmerkung: 1=sehr gut, 6=sehr schlecht, eigene Bewertung.

  • PMI/Einkäuferindex, verarbeitende Industrie:
    • März 2021: 63,7
    • Februar 2021: 61,8
    • Januar 2021: 62,6
    • Note: 3+
  • PMI/Einkäuferindex, Dienstleistungsgewerbe:
    • März 2021: 61,3
    • Februar 2021: 62,5
    • Januar 2021: 59,7
    • Note: 3-  

Barometer-Indizes des staatlichen Konjunkturinstituts

  • Verarbeitende Industrie:
    • März 2021: 117,7
    • Februar 2021: 114,9
    • Januar 2021: 113,8
    • März 2020: 100,5
    • Note: 2,5
  • Bauindustrie:
    • März 2021: 96,6
    • Februar 2021: 95,4
    • Januar 2021: 95,1
    • März 2020: 98,7
    • Note: 3-
  • Einzelhandel:
    • März 2021: 96,5
    • Februar 2021: 99,9
    • Januar 2021: 96,7
    • März 2020: 104,1
    • Note: 4
  • Konfidenzindex Haushalte:
    • März 2021: 97,1
    • Februar 2021: 97,1
    • Januar 2021: 94,1
    • März 2020: 89,8
    • Note: 3,5

Die obengenannten Barometerzahlen sehen zwar durchwachsen, aber nicht schlecht aus, und sogar relativ gut für die Industrie. Allerdings wird dieses Gesamtbild durch die problemgeschüttelte Freizeit- und Unterhaltungsbranche nach wie vor erheblich getrübt – wohl mehr als dem Produktionsanteil dieser Wirtschaftssektoren entspricht.

„Die Zahlen sehen zwar durchwachsen, aber nicht schlecht aus, und sogar gut für die Industrie.“

Die Stockholmer Börse hat sich in den ersten Monaten dieses Jahres durchaus positiv entwickelt (Januar bis 15. April 2021: nahezu +20 Prozent), zeitweise etwas volatil.

All diese Barometerindikatoren lassen die vor kurzem von Finanzministerin Magdalena Andersson für das zweite Halbjahr prognostizierte weitere Konjunkturverstärkung in einem realistischen Bild erscheinen – allerdings nur, wenn Corona den Hoffnungen und Planungen nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht.

Offizielle Statistiken und Schätzungen

  • Auftragseingang Industrie:
    • Januar-Februar 2021 verglichen mit Januar-Februar 2020: Inland: -0,3%, Ausland: +10,9%
    • Note: 3-
  • Privater Konsum:
    • Februar 2021 verglichen mit Januar 2021: +2,0%
    • Februar 2021 verglichen mit Februar 2020: -1,9%
    • Note: 4+
  • Arbeitslosigkeit gemäß den schwedischen Arbeitsämtern:
    • März 2021 total: 8,4%, Note: 4,5
    • März 2021 Jugend: 11,1%, Note: 5
  • BIP (Schnellschätzung):
    • Februar 2021 verglichen mit Januar 2021: +0,7%
    • Februar 2021 verglichen mit Februar 2020: -1,1%
    • Note: 3-

Wichtige statistischen Einzelheiten, die hautsächlich vom schwedischen Statistikinstitut SCB kommen, vermitteln den gleichen Eindruck wie die aktuelleren Barometerindikatoren. Die meisten Industrieunternehmen laufen gut, bei den Dienstleistungen ist dies eher bei unternehmens- als bei haushaltsnahen Betrieben der Fall.

„Es ist davon auszugehen, dass Schwedens Wirtschaft in den nächsten Quartalen weiter an Dynamik und Wachstum gewinnen wird.“

Nach Analyse vieler Zahlen spricht nichts gegen die Annahme, dass Schwedens Wirtschaft in den nächsten Quartalen weiter an Dynamik und Wachstum gewinnen wird. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass schwerwiegende Risiken aus dem Weg geräumt sind. Hierzu gehören auch in den nächsten Quartalen

  • Rückschlage an der Corona-Front,
  • nennenswerte Probleme in großen Ländern wie China und den USA,
  • zunehmende globale Inflationsprobleme mit Zinserhöhungen, 
  • platzende Finanzmarktblasen,
  • verschärfte oder neue internationale politische Konflikte sowie bislang noch unerwartete andere Entwicklungen größeren Ausmaßes.

Über den richtigen Umgang mit Zahlen

Zahlen und Statistik führen nicht immer zu guter Klärung von Sachverhalten. Vor allem fünf Faktoren sollten bei der Analyse von Statistik und Prognosen beachtet werden:

  • War die zurückliegende Vergleichsperiode von besonderen Umständen geprägt (zum Beispiel coronabedingte Lockdowns 2020)?
  • Sind die analysierten statistischen Zeiträume zu kurz oder zu lang und damit im schlimmsten Fall irreführend?
  • Könnten Schönfärberei oder übertriebener Pessimismus bei den Interpretationen der befragten Experten vorliegen?
  • Werden Statistiken und Prognosen transparent und mit den richtigen Schwerpunkten präsentiert?
  • Wird bei Konjunkturprognosen das Datum der vorigen Veröffentlichung hinzugefügt? Liegt diese etliche Zeit zurück, kommt Revisionen in den Zahlentabellen weniger Bedeutung zu, da sich zwischen mehreren Quartalen fast immer neue internationale oder einheimische Voraussetzungen auftun. Vierteljährlich erscheinende Konjunkturprognosen haben daher in der Regel mehr Aussagekraft als beispielsweise halbjährliche.

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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