
Foto: Volvo CE

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Netto-Null in der Industrie: Der Bauprozess an der Klimafront
08.10.2025
Am 12. November diskutieren schwedische und deutsche Branchenakteure in München über klimaneutrales Bauen. Im Mittelpunkt steht ein Pionierprojekt aus Erlangen mit dem weltweit ersten elektrisch betriebenen Rückbau, ergänzt durch Erfahrungen aus klimaneutralen Bauprojekten in Stockholm. Deutschland und Schweden stehen vor der Herausforderung, die Industrie klimaneutral zu gestalten – eine Aufgabe, die gemeinsame Ansätze erfordert.
Das Seminar der Deutsch-Schwedischen Handelskammer, das gemeinsam mit der Handwerkskammer für München und Oberbayern und Volvo Construction Equipment organiziert wird, basiert auf einem bahnbrechenden Pilotprojekt in Erlangen, bei dem der weltweit erste vollständig elektrische Rückbau durchgeführt wurde.
Siemens und Volvo CE haben gemeinsam mit Metzner Recycling und weiteren Partnern den emissionsfreien Rückbau von zwei Gebäuden mit einer Gesamtfläche von 3.300 m² erfolgreich umgesetzt – mit einer Wiederverwertungsquote von 96 Prozent. Die Entwicklung nachhaltiger Bauprozesse aus einer ganzheitlichen Perspektive ist ein entscheidendes Puzzlestück für die laufende Transformation der Industrie – und Zusammenarbeit ist der Schlüssel zum Erfolg.
Das Projekt ist Teil des neuen Technologie-Campus von Siemens, der nach einem Netto-Null-Konzept errichtet wird – mit grünem Strom, digitalen Zwillingen und elektrischen Maschinen von Volvo CE. Das Ergebnis: weniger Emissionen und Lärm sowie eine gesteigerte Effizienz und Wiederverwendung von Materialien.
Stockholm weist den Weg mit Testgelände
In Stockholm haben Volvo CE, Skanska und Swecon ein vergleichbares Projekt im Schlachthofviertel (Slakthusområdet) durchgeführt. Hier wurde der Elektrifizierungsgrad der Baustelle von 10 auf 50 Prozent gesteigert, was bereits in der ersten Phase zu einer Reduktion von 2.759 Tonnen CO₂-Emissionen führte.
Das Projekt wurde mit dem Preis „Sustainable Construction Project of the Year“ ausgezeichnet und zeigt, wie fossilfreie Vergabekriterien Innovationen fördern können. In der nächsten Phase sollen die Emissionen auf unter 3,5 Tonnen CO₂ pro Million SEK Umsatz sinken – im Vergleich zu 11–29 Tonnen in ähnlichen Projekten. Das Projekt wird durch erneuerbaren Diesel und klimareduzierten Beton vollständig fossilfrei realisiert. Mithilfe von Klimabilanzen wird überprüft, ob die Ziele auch tatsächlich erreicht werden.
Wie Schweden am Netto-Null-Ziel in der Industrie arbeitet
Schweden verfolgt ein nationales Ziel, bis spätestens 2045 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. In der Industrie wird der Wandel durch das Innovationsprogramm „Net Zero Industry“ vorangetrieben – Teil der nationalen Initiative „Impact Innovation“. Initiatoren und Förderer sind Vinnova, die Energiebehörde und Formas, Träger des Programms sind Teknikföretagen und RISE. Das Ziel ist eine wettbewerbsfähige und resiliente schwedische Fertigungsindustrie mit Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2040 – zum Beispiel in den Bereichen Fahrzeugbau, Maschinenbau, Energie, Elektronik und Verteidigung. Das Programm ist industriegetrieben und langfristig angelegt.
„Wir konzentrieren uns darauf, große und deutliche Veränderungen im industriellen Ökosystem zu erreichen.“
„Wir konzentrieren uns darauf, große und deutliche Veränderungen im industriellen Ökosystem zu erreichen – neue Produkte, Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse, die drastische Emissionsreduktionen ermöglichen“, sagt Sofia Wieselfors, Programmleiterin bei dem Forschungs- und Innovationsprogramm Net Zero Industry.
Das Programm bietet jährliche Ausschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie strategische Maßnahmen für Kompetenzen und kleine Unternehmen.
„Wir wollen den Übergang zu fossilfreien Produkten und Dienstleistungen beschleunigen, die langfristig sowohl Resilienz als auch Wachstum fördern“, sagt Cecilia Ramberg, Ausschreibungsverantwortliche bei Net Zero Industry.
Die Ausschreibungen konzentrieren sich auf politische Projekte, Systemdemonstratoren und ressourceneffiziente, resiliente Wertschöpfungsketten. Ziel ist es, die Kosteneffizienz über die kurzfristige Ökonomie hinaus zu denken.
„Wir müssen mehr auf langfristige Wettbewerbsfähigkeit setzen, jenseits der Quartalslogik“, sagt Ramberg weiter.
„Wir müssen mehr auf langfristige Wettbewerbsfähigkeit setzen, jenseits der Quartalslogik.“
Wie Deutschland am Netto-Null-Ziel in der Industrie arbeitet
Deutschlands Strategie basiert auf dem EU-Gesetz „Net Zero Industry Act“ (NZIA) – dem Rechtsrahmen zur Förderung einer klimaneutralen Industrie in der EU. In Deutschland wird die Umsetzung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) koordiniert, das dafür in den Bundesländern Anlaufstellen für Projektunterstützung und Genehmigungen eingerichtet hat. Das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2045 ist im Klimaschutzgesetz verankert.
Die Finanzierung erfolgt über bestehende EU-Fonds, zusätzlich verfügt Deutschland über den eigenen Klima- und Transformationsfonds mit 211,8 Milliarden Euro für den Zeitraum 2024–2027. Die Strategie ist eng mit der EU-Klimapolitik verzahnt und konzentriert sich auf industrielle Transformation durch Koordination, Genehmigungserleichterungen und Technologiecluster.
Strategische Projekte in den Bereichen Batterien, Photovoltaik, Elektrolyse, CCS/CCU und Wärmepumpen werden gezielt gefördert.
Ein Schlüsselakteur zur Beschleunigung der Netto-Null-Transformation ist die Helmholtz-Klima-Initiative – Netto-Null-2050, ein Forschungsprogramm mit 10 Helmholtz-Instituten, das über 100 technologiegestützte Empfehlungen für ein CO₂-neutrales Deutschland entwickelt hat. Der Fokus liegt auf der Transformation des Energiesystems, schwer vermeidbaren Emissionen und negativen Emissionstechnologien. Ein Net-Zero-Netzwerk fördert die Zusammenarbeit von Forschung und Industrie.
Germany Trade & Invest (GTAI) koordiniert die Förderung von Netto-Null-Technologien über Programme wie GRW („Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“) und BKR (Bundesrahmen für Transformationstechnologien). Das Ziel dabei: die deutsche Industrie wettbewerbsfähiger machen und Deutschland als Technologiestandort für Netto-Null etablieren.
Zwei Länder – eine gemeinsame Herausforderung
Schweden und Deutschland haben unterschiedliche Ansätze zur Erreichung von Netto-Null in der Industrie – Schweden mit einem nationalen Ziel und einem industriegetriebenen Programm, Deutschland mit einem EU-Rahmenwerk und staatlicher Koordination. Doch beide Länder zeigen: Der Weg zur klimaneutralen Industrie führt über Zusammenarbeit, Innovation und konkrete Projekte, die beweisen, dass der Wandel hier und jetzt möglich ist.
Infobox: Schwedens und Deutschlands Weg zur Netto-Null
Schweden
Ziel: Netto-Null bis spätestens 2045, negative Emissionen danach. 70 Prozent Emissionsreduktion im Verkehr bis 2030 (Basisjahr 2010) und 100 Prozent fossilfreie Stromerzeugung bis 2040
Rahmen: Klimagesetz, Klimapolitischer Rat, Ministerium für Klima und Wirtschaft
Akteure: Behörden, Kommunen, Unternehmen
Förderung: Klimatklivet, Industriklivet, Unterstützung für Ladeinfrastruktur, Net Zero Industry (Impact Innovation).
Deutschland
Ziel: Netto-Null bis spätestens 2045. 65 Prozent Reduktion bis 2030. Sektorspezifische Ziele für Industrie, Verkehr, Gebäude.
Rahmenwerk: Bundesregierung, sektorspezifische Ministerien
Akteure: Unternehmen, Kommunen, Forschungsinstitute, EU-Programme
Förderung: Klimafonds, Innovationsförderung, Förderprogramm Dekarbonisierung, Nationale Wasserstoffstrategie sowie Initiativen im Rahmen des Net Zero Industry Act und Förderungen über IPCEI.